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Erinnerungen 01

Prolog

Schreie erfüllten die Luft, Schreie der Verzweiflung. Sie lief geduckt durch das Unterholz, die Sinne bis ans Äußerste gespannt, das einzige Ziel war zu entkommen. Gerade noch rechtzeitig duckte sie sich unter einem Pfeil hinweg, wenig später hörte sie den schmerzerfüllten Schrei von jemandem, der die letzten Atemzüge seines Lebens spürt.

„Lauf!“, hatte man sie angeschrien. Doch sie war nicht gelaufen. Sie war geblieben, nur um keine drei Herzschläge später mit dem Blut der Heilerin bedeckt zu sein, als sie reflexartig ihren fallenden Körper auffangen wollte.

Die Welt erschien ihr wie durch einen roten Schleier, wie von Sinnen hatte sie mehrere Pfeile auf einmal in die Richtung geschossen, aus der der tödliche Pfeil gekommen war.

Sie hatte sich zu ihr gekniet, hatte ihren leblosen Körper ein Stück hochgehoben, sie angefleht, sie dürfe nicht sterben. Der Heilerin lief Blut aus dem Mund, als ein kurzes Röcheln zu hören war, dann hatte sie mit ansehen müssen, wie das Leben aus ihr verschwand.

Ihre Augen waren leer geworden, den glasigen Blick des Todes würde sie für immer in Erinnerung behalten. Sie hatte die Augen der Heilerin Augen geschlossen, es erschien ihr richtig, es war das Letzte, was sie ihr geben konnte. Ihre Arme wurden kraftlos, sodass sie nicht länger imstande war, den leblosen Körper zu halten, und ihn auf den kalten Boden rutschten ließ.

Erst jetzt erinnerte sie sich wieder an die letzten Worte, eigentlich war es nur ein einziges gewesen.

Ohne weiter zu überlegen war sie losgerannt, immer weiter fort, begleitet vom Geräusch des Todes. Auf ihrem Weg hatte sie Rigrana, ihre Stammesführerin, gesehen, sie war die einzige, die noch lebte, der Rest von ihrem Stamm war bereits gefallen. Nie zuvor jedoch, war jemand in ihren Armen gestorben.

Dies war nicht ihr Krieg, warum führten sie ihn? Es war ihr Land gewesen, über Jahrzehnte hinweg war es ein ungeschriebenes Abkommen gewesen.

Nun wurde ihr Land vernichtet und die Waldläuferinnen schienen wie vergessen. Für beide Parteien waren sie Feinde, obwohl sie nie etwas getan hatten. Als sie anfingen, ihr Land zu verteidigen, war dieser Anlass genug, ihren Stamm auszulöschen.

Sie war zu der Stammesführerin gelaufen, auf dem Weg dorthin tauchte auf einmal ein Soldat neben ihr auf. Sie selbst hatte sich vor seinem wuchtigen Schlag geduckt und ihn mit einem Pfeil, den sie in der Hand hielt erstochen, Rigrana jedoch konnte sich gegen zwei weitere nicht mehr wehren.

Ihre Sicht war vor Wut verschwommen, das nächste Bild, was sie in Erinnerung behalten hatte war eine nicht mehr zu identifizierende Leiche.

In einem Rausch war sie auf die beiden Mörder zugestürmt, bereit nun auch ihren eigenen Tod zu empfangen. Wie sie es geschaffte hatte, sie beide zu töten wusste sie nicht mehr, nun lief sie hier durch den Wald, sie war die letzte Verbliebene.

Als Allererstes war da das scheinbar alles überschattende Gefühl der Wut und der unbändige Wunsch nach Rache.

Sie würden jeden dieser Mörder zur Rechenschaft ziehen. Das zweite war wesentlich tiefer verankert, und breitete sich wie ein schwarzes Loch in ihrem Inneren aus. Es war Einsamkeit, sie spürte, dass sie ab hier vollkommen alleine war. Es gab niemanden mehr.

Je weiter sie lief, desto mehr übernahm das zweite Gefühl ihr Wesen und verzehrte die Wut. Gegen eine solch Übermacht an Feinden hatte sie nicht den Hauch einer Chance, sie konnte nichts weiter tun, als den Tod von allem ihr Bekannten zu akzeptieren.

Nur ihr Bogen hatte den Kampf unbeschadet überstanden, er war das einzige, was ihr geblieben war.

Überleben war kein Segen und erst recht keine Gnade. Eine einzige Szene aus ihrer Erinnerung drängte sich geradezu aufdringlich in den Vordergrund: Eine Frau hatte aus Habgier einen Teil der Stammesschätze an einen fahrenden Händler verkauft, das Urteil über sie war Verbannung. Ihre Worte hallten unaufhörlich in ihrem Kopf nach: „Ha, Verbannung? Seid gnädiger, sagt Tod!“

Damals hatte sie sich gefragt, wie man das eigene Leben verabscheuen konnte und warum diese Frau ihr gewünschtes Urteil nicht selbst vollstreckte.

Nun wusste sie es. Ob Verbannung oder nicht, es bedeutete Einsamkeit und vor allem Schuld, die so schwer wog, dass man weder mit ihr leben noch sterben wollte. Ein einfaches Todesurteil hingegen beendete eine ansonsten lebenslange Qual. Gewissermaßen war auch sie eine Ausgestoßene, beinahe noch schlimmer.

Was würde die Zeit bringen? Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich wirklich allein, eine scheinbar tonnenschwere Last ließ sie zu Boden sinken.

Eine tiefe Sehnsucht entstand, die Sehnsucht, diese Qual nicht alleine tragen zu müssen. Doch wer würde sie schon verstehen?

I.

Die Taverne war voll und der Geruch von schlechtem Bier hing in der Luft. Ohne auf die anderen Gäste zu achten steuerte Quinn direkt auf den Tresen zu. Mit einem kurzen Nicken begrüßte er den Wirt und bestellte sich ein kräftiges Bier.

Während er darauf wartete, sah er sich kurz um.

Sein geübter Blick streifte beinahe jeden Anwesenden, automatisch behielt er sich alles Außergewöhnliche im Kopf und verglich Alles mit seinen Erinnerungen, vielleicht hatte er jemanden schon einmal gesehen.

Eigentlich war diese Tätigkeit vollkommen aussichtslos, er kannte im Moment sowieso nur drei Personen, die er, sollte er sie hier treffen, sofort ansprechen würde, und diese kamen ganz bestimmt nicht in eine so heruntergekommene Spelunke. Selbst wenn er jemand anderen erkannt hätte, würde er wahrscheinlich genauso auf sein Bier warten und hoffen, dass die Zeit schnell verging.

Er seufzte, eigentlich machte es keinen Unterschied, wie lange er hier sitzen blieb oder wie lang ihm diese Zeit erschien, es hätte sowieso nichts mehr geändert. Morgen würde er sich wie in den letzten Wochen wieder auf den Weg machen, immer weiter weg von seiner Heimat, falls man seinen Geburtsort so nennen konnte. Er war zwar dort auf die Welt gekommen, doch ein echtes Zuhause war es nie gewesen, es gab nicht viel, was ihn mit diesem Ort verband.

Er zuckte beinahe zusammen, als der Wirt neben ihm das Bier auf den Tresen knallte und mit missmutiger Miene das Geld dafür verlangte. Quinn streckte ihm seine rechte Hand mit den verlangten drei Bronzestücken entgegen, nahm sein Bier und machte sich auf die Suche nach einer nicht ganz so belebten Ecke.

Heute hatte er Glück, in einem Winkel sah er einen kleinen unbesetzten Tisch. Die einzigen Sitzmöglichkeiten bestanden aus einer abgenutzten Holzbank, die die Ecke so umschloss, dass man an zwei Seiten des Tisches sitzen konnte und einem genauso abgenutzten Stuhl.

Aus Gewohnheit setzte er sich auf die Bank, es war ihm unangenehm, sich nicht sicher sein zu können, was hinter ihm geschah. So war er wenigstens von einer Seite vor eventuellen Überraschungen geschützt.

Wie schon als er auf das Bier gewartet hatte, ließ er seinen Blick durch den Raum gleiten, ohne wirklich etwas zu sehen, wie wenn man in die Ferne sieht, um das Gefühl zu haben, dass man etwas tut, beinahe der selbe Nutzen jedoch bei geschlossenen Augen vorhanden gewesen wäre.

Man versucht jedes einzelne Detail zu erkennen, und erkennt aufgrund dessen kein einziges. Mechanisch nippte er an seinem Getränk, auch wenn er keinen Durst verspürte. Es gab ihm einen Grund hier zu sitzen, das genügte ihm.

Ohne dass er es bemerkte, setzte sich eine weitere Person zu ihm an den Tisch. Erst als sein Blick an der Stelle vorbeikam, an der sie saß, fiel sie ihm auf. Es war eine Frau, in etwa in seinem Alter, auch wenn man dies schlecht abschätzen konnte.

Sie war extrem schmal, was jedoch für eine Frau aus ihrem Stamm nichts Ungewöhnliches war. Ihr Gesicht war vom Wetter gezeichnet und eine lange Narbe lief ihr über die linke Wange. Pechschwarze Harre fielen über ihre Schulter, sie schienen jedoch auf eine ganz bestimmte Art zu glänzen.

Normalerweise hätte man sie wohl für eine normale Frau aus einem der Wildnisvölker gehalten, auch wenn der Umstand, dass man eine von ihnen alleine traf durchaus nichts Alltägliches war.

Dieser Eindruck wurde jedoch von einem sehr fein gearbeiteten Bogen zerstört, den sie für jeden sichtbar über ihrem Rücken hängen hatte. Quinn hatte erst einmal eine Waldläuferin getroffen, doch diese Zeit war lange vorbei. Damals war er noch auf der Akademie gewesen, wo sie sich mit der Akademieleiterin über irgendeine politische Entscheidung beraten hatte, als er von einem der Lehrer wegen seines Ungehorsams vorgeladen worden war.

Sie hatte ihn mit einem mitleidigen Lächeln angesehen, damals hatte er es als erniedrigend empfunden.

Es war eines der Sorte von Lächeln gewesen, das Erwachsene kleinen Kindern schenkten, wenn diese eine Dummheit gemacht hatten und sie nun dafür sorgen mussten, dass alles wieder in Ordnung kam, da die Kinder normalerweise noch zu klein waren um ihren Fehler einzusehen oder selbst wieder zu beseitigen. Er hasste dieses Lächeln, hatte sich jedoch aus dem Grund, dass er vor der Akademieleiterin stand, zurückgehalten und einfach nur geschwiegen. Seitdem hatte er stets eine gewisse Abneigung gegen Waldläuferinnen gehegt, für ihn waren sie überheblich und angeberisch, er hatte allerdings bis heute auch keine zweite von Angesicht zu Angesicht getroffen.

Die Züge der Frau, die ihm nun gegenüber saß waren hart und bestimmt, darunter schien jedoch noch etwas anderes zu liegen. Sie schien müde und erschöpft, jedoch nicht, weil sie viel gelaufen wäre: Ihre Art von Erschöpfung kam aus dem Inneren.

Ein spöttisches Lächeln stahl sich auf seine Lippen, kaum bemerkbar und dennoch machte es aus seiner Ablehnung gegen die Waldläuferin keinen Hehl. Schön zu sehen, dass auch sie nicht von so weltlichen Problemen verschon blieben, er selbst musste mit derartigem schon seit mehreren Jahren fertig werden.

Er fragte sich, warum sie sich gerade zu ihm an den Tisch gesetzt hatte, es gab noch ein paar andere freie Plätze und seine Erscheinung war nicht gerade das, was man als vertrauenserweckend bezeichnen könnte. Nicht heute und nicht an diesem Abend.

Auch er hatte über die Jahre ein wettergegerbtes Gesicht entwickelt, eingerahmt von einem wilden Haarwuchs, dem man ansah, dass er nicht allzu häufig gepflegt wurde. Seine Kleidung bestand aus einem blutroten Umhang mit schwarzen Rändern, der Stil war dem eines Heilers angepasst, mit vielen Taschen und ohne Schmuck, doch die Farben sprachen gegen eine solche Tätigkeit.

Ein Heiler kleidete sich normalerweise in Weiß und Grün, Schwarz und Rot dagegen waren die Farben des Todes. Deutlich sichtbar hingen zwei Einhandstreitkolben am Gürtel des Umhangs, neben ihm stand ein Lederrucksack aus dem einzelne Rüstungsteile hervor lugten.

In Verbindung mit seiner Gestalt hätte es wohl das Potenzial einigen jungen Hausmädchen einen nachhaltigen Schrecken einzujagen: Er war groß gewachsen und seine kräftigen Muskeln waren ohne einen näheren Blick erkennbar.

Abermals nippte er an seinem Bier, ohne wirklich etwas zu trinken und sah wieder die Waldläuferin an.

Abgesehen von seiner Abneigung gegen ihren Stand war es durchaus ungewöhnlich, eine zu treffen, in den letzten Jahren waren sie überaus selten geworden. Viele waren im Krieg zwischen Gralen und Pontia umgekommen, wenngleich sie damit eigentlich nie etwas zu tun gehabt hatten. Sie wurden einfach als unvermeidlicher Kollateralschaden abgetan und keiner hatte sich um sie gekümmert oder sich für sie eingesetzt.

Zum ersten Mal, seitdem sie sich zu ihm gesetzt hatte, hob nun auch sie den Blick und sah ihm direkt in die Augen.

Ihr Blick war durchdringend, wissend, sie war sich ihrer Position bewusst. Dennoch spiegelte sich in ihren grauen Augen etwas wieder, was er nicht genau einschätzen konnte, ein kaum merklicher Schatten lag darüber.

„Daria. „, stellte sie sich mit tonloser Stimme vor. Sie hatte keine Regung im Gesicht gezeigt, nur dieses einzelne Wort war aus ihrem Mund gekommen. Trotzdem machte ihre Art unmissverständlich klar, dass sie auch von ihm erwartete dass er sich vorstellte.

Genauso tonlos antwortete er: „Quinn. „

Eigentlich hatte er keine Lust, sich heute Abend mit jemandem zu unterhalten, nicht ohne Grund hatte er sich in eine abgeschiedene Ecke gesetzt. Dennoch, obwohl er es sich noch nicht eingestehen wollte, weckte sie ein gewisses Interesse in ihm. Warum in aller Welt kam eine Waldläuferin in so eine heruntergekommene Taverne und aus welchem Grund setzte sie sich einfach zu ihm an den Tisch?

Er überlegte noch, ob er schließlich ein Gespräch anfangen sollte, da machte sie entgegen seiner Erwartungen den Anfang: „Woher kommt ihr? Euer Umhang erscheint mir… ungewöhnlich.

“ Sie hatte die Tonlosigkeit in ihrer Stimme abgelegt und zeigte nun einen festen, selbstbewussten Unterton.

Er ließ sich Zeit mit der Antwort, lachte leise in sich hinein. Es war nicht ungewöhnlich, dass ihn andere danach fragten, seine Erscheinung war ohne Frage… anders. „ Aus dem Süden. „, antwortete er schließlich knapp, noch immer hatte er sich nicht ganz entschieden, ob er wirklich auf ein Gespräch eingehen wollte.

Sie zeigte keine Reaktion und sah ihn weiter fragend an.

Mit einem tiefen Seufzer ergab er sich letztendlich seinem Schicksal, nahm einen großen Schluck von seinem Bier und holte mit seiner Antwort etwas weiter aus.

„Ich wurde in Elwen geboren oder gezeugt, wie man es nun nennen möchte. Jedenfalls hat man mir es so erzählt. Mein Vater war oder ist der König der Elwinischen Länder, meine Mutter soweit ich weiß eine gewöhnliche Frau aus seinem Volk. Warum meine Mutter von einem König schwanger war? Ich weiß es nicht, jedenfalls hat sie, als sich die Schwangerschaft nicht mehr verbergen ließ in einer Nacht und Nebel Aktion die Stadt verlassen, in den Augen der Stadtbevölkerung war ich ein unehelicher Bastard, nur sie wusste, wer mein Vater wirklich war.

Meine Mutter floh zur Akademie von Vinsalt, die damalige Akademieleiterin war dafür bekannt, Frauen in Not zu helfen. Man hätte sie wohl manchmal als naive Samariterin bezeichnen können, aber sie war die Rettung meiner Mutter und somit auch meine, dafür gebührt ihr mein unerschütterlicher Dank.

Dort wurde ich im eigentlichen Sinne geboren, meine Mutter blieb die ersten zwei Jahre an der Akademie, ich wuchs langsam aus dem Babyalter heraus.

Die Leute in der Stadt begannen sich zu fragen, warum eine einfache Frau, wie meine Mutter in der Akademie ein und aus gehen konnte, sie musste erneut fliehen, ließ mich jedoch in der Obhut der Akademie, um mir ein gutes Leben zu ermöglichen, wie später behauptet wurde. Wie viel davon der Wahrheit entspricht oder ob meine Mutter mich einfach nur nicht akzeptieren wollte weiß ich nicht. Es ist die Geschichte, die auch ich nur erzählt bekommen habe.

In den folgenden Jahren wurde ich zum Heiler ausgebildet, ich lernte für fast jede bekannte Krankheit eine Behandlungsmethode, lernte Schmerz, Leid und Tod kennen. Die Methoden waren für ein Kleinkind anfangs vielleicht etwas unangemessen, doch ich lernte schnell damit umzugehen, Tote und Schwerverletzte zu untersuchen. Es gab keinen Tag, an dem mir das mögliche Ende des Lebens nicht bewusst gemacht wurde, infolgedessen stand meine gesamte Ausbildung unter einer Lektion: Der Schutz von Leben ist das Höchste und Heiligste auf der Welt, jede Handlung sollte nach diesem Grundsatz geleitet sein.

Er ließ eine Pause, wusste selbst nicht so genau, warum er dies alles erzählte. Aber machte es einen Unterschied? Ob er hier nun alleine sein Bier trank oder dabei noch ein wenig von seinem Leben erzählte war eigentlich egal.

Daria hatte schweigend zugehört und nickte an ein paar Stellen seiner Erzählung. Sie erschien ihm auf einmal gewöhnlich, nicht anders als jede andere beliebige Frau. Sie war nicht mehr die überhebliche, hochnäsige Waldläuferin, sondern sie war ein Mensch aus Fleisch und Blut, nicht viel anders als er.

Er zuckte beinahe zusammen, als sie eine warme einfühlsame Stimme zeigte. Sie schien weich und zerbrechlich. Und verständnisvoll wie eine Mutter, ihrem eigenen Kind gegenüber. „Da fehlt noch etwas, oder? Ihr seid kein normaler Heiler und wie ein Gelehrter oder Akademieabgänger seht ihr auch nicht aus. “

Quinn nickte, dieser Teil seines Lebens war zwar zweifelsohne einer der einflussreichsten gewesen. Es war die Grundlage zu dem, was er jetzt war, doch nicht die einzige.

Während er noch überlegte, wie er fortfahren sollte, begann Daria völlig unerwartet selbst etwas zu erzählen. Die warme, freundliche Stimme hatte sie beibehalten, doch er spürte, dass es mehr gab, als versteckte sich etwas dahinter, was sich nicht traute an die Oberfläche zu kommen.

„Tut mir leid, es muss ziemlich aufdringlich erscheinen, euch so über euer Leben auszufragen. Eigentlich sollte ich es besser wissen. Ich glaube, meine eigene Erscheinung ist auch nichts Alltägliches…“ Seine Zustimmung in Form eines Nickens kam etwas zu schnell und zu heftig, er nahm sich vor in Zukunft ein wenig mehr Selbstbeherrschung an den Tag zu legen.

Sie war ihm auf mysteriöse Weise wichtig, obwohl sie eine Waldläuferin war. Ein kurzer Gedanke verirrte sich in die Richtung, was sich wohl unter ihrem Gewand befinden könnte, er verbannte ihn jedoch sofort wieder. Dies hier war weder der richtige Ort, noch war eine Waldläuferin ein auch nur annähernd realistisches Ziel.

„Nun ja, wo soll ich anfangen? Wo ich geboren wurde weiß ich nicht, genauso wenig wie ich meine Mutter oder meinen Vater jemals bewusst gesehen hätte.

Es gab niemanden der mir etwas über meine Herkunft erzählen konnte oder wollte. Ich war das, was man gemeinhin als armes Waisenkind bezeichnet, wurde jedoch von einer Gruppe Frauen aufgenommen, die den Wald zu ihrer Heimat gemacht hatte. Heute würde ich sie als Waldläuferinnen bezeichnen, damals waren sie für mich einfach nur die Gruppe von Frauen, die völlig unabhängig in der Wildnis lebte.

Auch ich wurde unter strengen Regeln ausgebildet, lernte das meisterliche Bogenschießen, Heilkunde und überlebenswichtige Fertigkeiten.

Bis ich 14 war, bekam ich jedoch keinen einzigen Mann zu Gesicht, ich war in dem Glauben erzogen worden, man brauche nur sich selbst, jedes Vertrauen auf andere war eine Abhängigkeit, die man so schnell wie möglich abzulegen hatte…“

Sie hatte einfach angefangen zu erzählen, mit jedem ihrer Worte schwang eine nicht zu leugnende Melancholie mit. Hinter ihren Worten verbarg sich mehr, als sie zugeben wollte, vielleicht auch als sie sich selbst eingestand.

Dennoch, sie löste etwas in ihm aus, was er geglaubt hatte nie mehr fühlen zu können. Auf eine ganz bestimmte Weise schien sie zerbrechlich, zart…

Wie automatisch führte er das Bierglas, welches er aus irgendeinem Grund die ganze Zeit mit einer Hand festgeklammert gehalten hatte an seine Lippen, um einen Schluck daraus zu nehmen. Erst als seine Lippen das kühle Glas berührten, merkte er, dass der Durst nicht seine eigentliche Absicht war, sondern eher eine Form des Versteckens, der Versuch, Emotionen jeglicher Form zurückzuhalten, sich dazu zu ermahnen, dass sie vielleicht nur eine weitere hochnäsige Person war, die sich bald darüber lustig machen würde, dass er begann ihr zu vertrauen.

Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass es sich um die reine Wahrheit handelte und sie eigentlich genauso eine Suchende war wie er. Auf der Suche nach Geborgenheit und innerer Ruhe.

Würde er aus Mitgefühl über jedes Schicksal, welches er mitbekam, oder auch welches direkt oder indirekt durch ihn verursacht wurde, jede Woche eine Träne vergießen, könnte er damit wöchentlich seinen eigenen Bierkrug füllen. Und damit meinte er pontianische, die selbst die meisten Trinker für einen kompletten Abend beschäftigen würden, vorausgesetzt natürlich, sie kamen nicht aus Pontia.

Trotzdem schaffte es seine Gesprächspartnerin seine Gefühle zu erreichen, eine Tatsache, der er zwar nicht abgeneigt gegenüber stand, aber in einem Winkel seines Verstandes meldete sich zurecht das Misstrauen. Wie ein Junge schob er seine Bedenken jedenfalls für eine Zeit lang einfach in den Hintergrund.
Er schien sie eine halbe Ewigkeit durch das Glas hindurch anzustarren, während er sie mit seinen Augen einer mehr als unschicklichen Betrachtung unterzog. Ihre Brüste waren durch ihre Kleidung gut verborgen, einige Falten an der richtigen Stelle verhinderten, dass man mehr als das bloße Vorhandensein erkennen konnte.

Es ließ sich jedoch auf etwas Ansehnliches setzen, denn ihre Taille war mehr als nur ein paar Fingerbreit schmaler, bevor sie in ihrer Hüfte endete. Der Tisch verhinderte weiter gehendere Betrachtungen, er konnte sich jedoch mitnichten beschweren, schließlich war sie nicht hier, um sich ihm zu präsentieren, weshalb er sein Glas schließlich ein wenig zu unkonzentriert absetzte, so dass ein kleiner Tropfen überschwappte und auf dem Tisch landete.

Nur langsam meldete sich sein Verstand wieder, der ihn eindeutig anwies, sich möglichst schnell zu entfernen.

Es würde nur Schwierigkeiten nach sich ziehen, außerdem hatte diese Frau es nicht verdient, sein Selbstmitleid ertragen zu müssen, auch wenn sie eine Waldläuferin war. Aus einem Grund, den er sich nicht erklären konnte, blieb er jedoch einfach sitzen und sah sie weiter an.

Ihre Augen waren von einem feuchten Schimmer überzogen, wie ein kleines Kind, das gerade geweint hatte. Sie hatte jedoch nicht geweint, es war eine andere Form von Traurigkeit, die sie nach Möglichkeit versuchte zu verstecken, in ihrem Inneren einzuschließen, damit sie niemand verletzen konnte.

Sie hatte in ihrem bisherigen Leben mit Sicherheit bereits eine Menge Dinge erlebt, von deren Existenz sie niemals hätte wissen wollen. Es schien, als bemühte sie sich nach Kräften, niemand anderes als sie selbst mehr sehen zu lassen, als die raue, kampferprobte Waldläuferin, die sie mimte, versagte dabei jedoch fast vollständig. Die Sprache ihrer Augen war zu deutlich, um dies alles vor ihm verstecken zu können.

Die Augen sagten mehr über sie aus, als man jemals hätte in Worte fassen können.

In dem Schimmer verbargen sich unzählige Bilder, Gefühle und vor allem Schmerz. Es war die Art von Schmerz, die er nur allzu gut von sich selbst kannte. Einen Augenblick lang überlegte er, ob es nicht nur sein Spiegelbild war, was er in ihren Augen zu erkennen glaubte.

Doch dieser Gedanke wurde sofort wieder beiseitegeschoben, hinter der im spärlichen Licht der Taverne glänzenden Oberfläche befand sich ein ganzes Leben. Er sah Bilder, die von Tod und Leid erzählten und einer mit nichts zu füllenden Leere, die jede Möglichkeit auf Freude oder Glück schon im Ansatz zu ersticken drohte.

Mit einem Schlag bekam er eine Ahnung davon, warum sie sich allein zu ihm gesetzt hatte: Sie hatte niemanden mehr, jeder, dem sie einmal vertraut hatte war aus ihrem Leben verschwunden, auch wenn die Umstände dafür wahrscheinlich vielseitig waren. Sie hatte sich in ihm selbst wiedererkannt, eine einsame Seele, die ihre Existenz deutlich vor der Zeit bereute, nein, nicht bereute, sondern ernüchtert war. Es gab kein Ziel, kein Ideal, für welches es sich lohnte weiter zu machen und dennoch war der Zyklus des Tages wie ein Mantra, welches völlig ohne jede Empfindung immer und immer wieder wiederholt wurde.

*****

Ihr Blinzeln riss ihn aus seinen Gedanken, für die Dauer eines Augenblinzelns hatte sie ihn tiefer blicken lassen, als sie wahrscheinlich gewollte hatte. Mit dem Öffnen ihrer Augen war der glänzende Schimmer wieder verschwunden und die Augen dahinter waren wieder selbstbewusst, auch wenn sich der Eindruck der Leere, die sich dahinter verbarg nicht ganz abschütteln ließ. Es war aber mehr eine Ahnung, dass es sie gab, anstatt Gewissheit.

„Tut mir leid…“ Ihre Stimme holte ihn endlich wieder mit all seinen Sinnen in die Wirklichkeit zurück. „Für was…“ ,begann er, ließ den Satz jedoch unvollendet. Es schien unnötig fortzufahren, sie wusste auch so was gemeint war. Erst jetzt merkte er, dass ihre Aussage keine Erwiderung benötigt hätte, sie war nicht an ihn gerichtet gewesen. Es war einfach eine Entschuldigung für sie selbst gewesen, etwas, was sie benötigte, um sich von ihren quälenden Gedanken zu befreien.

Sie setze ein Lächeln auf, welches jedoch einen verbitterten Unterton nicht verbergen konnte. Das Lächeln hatte sie auf den Lippen weil es sich gehörte, dass man zu einem mehr oder weniger Fremden freundlich war, er spürte jedoch überdeutlich, dass es rein gar nichts damit zu tun hatte, wie sie sich wirklich fühlte. Es hinterließ bei ihm einen bitteren Nachgeschmack, der ihn dafür strafte diese Frau anfangs so verachtend betrachtet zu haben.

Gerade rechtzeitig, bevor er sie gebeten hätte endlich diesen aufgesetzten Gesichtsausdruck abzulegen, ließ sie ihr Lächeln wieder fallen, von einem Moment auf den anderen schien es wie weggewischt, als wäre es nie dagewesen.

Um der aufkommenden gedrückten Stimmung ein wenig entgegenzuwirken begann er nun seinerseits wieder, etwas von sich zu erzählen. Warum er das tat, war ihm nach wie vor ein Rätsel, aber Daria hatte sich irgendwie als würdig erwiesen.

Vielleicht waren die meisten seiner Vorurteile gegen Waldläuferinnen doch nicht immer die volle Wahrheit gewesen, bevor er jedoch darüber nachdachte, begann er lieber zu reden:

„Das Ende meiner Ausbildung kam schneller, als es mir lieb war. Da ich schon von meiner sehr frühen Kindheit an in der Akademie gelebt hatte, schaffte ich es meine Ausbildung im zarten Alter von 20 Jahren abzuschließen. Im Gegensatz zum normalen Abschlussalter von 23 war das damals etwas wirklich Ungewöhnliches.

Wie in der Ausbildung üblich, übernimmt die Akademie alle Kosten und der Schüler zahlt diese mit seinem späteren Einkommen wieder zurück. So wurde auch ich als frisch ausgebildeter Heiler in die Welt hinausgeschickt, mit einem Schuldenberg, der bei Manchen wahrscheinlich einen Herzstillstand verursachen würde.

In den folgenden Monaten musste ich lernen, dass die Aufgabe eines Heilers nicht nur darin besteht, sich um die körperlichen Verletzungen und Krankheiten zu kümmern, sondern er muss sich auch um die verletzten Seelen kümmern, etwas, das man an einer Akademie nicht beigebracht bekommt.

Insbesondere dann, wenn mir nichts anderes mehr übrig blieb, als denjenigen, die mich gerufen hatten, zu sagen, dass mein Patient entweder bereits tot war oder man nichts mehr für ihn tun könne war dies besonders schwer.

Kannst…“ Er stockte. Eigentlich war sie nach wie vor eine Frau, die weit über ihm stand, er hatte sie daher mit IHR oder wenigstens einem unterwürfigen SIE anzusprechen. Es war mehr als respektlos sie einfach so auf dieselbe Ebene zu stellen wie ihn.

Es war ihm nur eben irgendwie… passend erschienen. Sie beide teilte nicht mehr die riesige Distanz, die sich bei so einer Anrede immer aufzubauen schien. Außerdem hatte sie sich ihm mit dem Vornamen vorgestellt, wie man es in einer Taverne wie dieser hier immer tat.

Sie bemerkte sein Stocken und hielt ihn mit einem leichten Zucken ihrer Hand davon ab, sich in eventuelle Erklärungsnot zu bringen. Sie hatte sie allem Anschein nach in einem Moment, in dem er unaufmerksam gewesen war, so in die Nähe von seiner gelegt, dass sich ihre Fingerspitzen berührten, wenn sich, wie jetzt, einer von ihnen beiden bewegte.

Bei ihrer Berührung wäre er beinahe zusammengezuckt, er konnte sich jedoch noch zusammenreißen und seine Überraschung in einen Gesichtsausdruck legen, der genau dies ausdrückte. Diesmal war ihr Lächeln ehrlich, es machte ihr offensichtlich Freude, ihn ein wenig aus dem Konzept zu bringen. Obwohl er nicht recht wusste, wie er darauf reagieren sollte, rang er sich ebenfalls ein Lächeln ab, was ihm allerdings nicht annähernd überzeugend gelang.

Sie schien es jedoch nicht zu bemerken oder ignorierte es gekonnt.

„Schon gut. Auch mir ist aufgefallen, wo wir uns befinden und unter diesen Umständen ist ein DU um einiges respektvoller als jedwede andere Form. Ich war es, die sich einfach zu dir gesetzt hat, ich würde mir mehr als schäbig vorkommen, wenn du dir jetzt völlig unangebrachte Respektsbekundungen einfallen lassen müsstest.

Wage es ja nicht mir zu unterstellen, ich könnte das Theater, welches bei offiziellen Treffen gespielt wird nicht von einer abendlichen Unterhaltung in der Taverne unterscheiden.

Das wäre ein Fehler. „

Als Antwort nahm Quinn einen weiteren, etwas zu großen Schluck von seinem Bier und konzentrierte sich darauf, das Getränk ordnungsgemäß hinunterzuschlucken. Andernfalls hätte sich seine Kinnlade höchstwahrscheinlich selbstständig gemacht und er wäre die nächsten Minuten damit beschäftigt, sie wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen und entsprechend seinen Mund wieder zuzuklappen.

Hatte sie gerade eben wirklich angefangen, mit ihm im Plauderton zu reden, als handelte es sich hier um eine ganz normale Kneipenunterhaltung? Er wusste eben so gut wie sie, dass sich ihr Gespräch auf einer ganz anderen Ebene befand, auch wenn sie sich bemüht hatten, einen anderen Anschein zu machen.

Er bereute kein Stück mehr, sich an diesem Abend sich wie immer mürrisch in eine möglichst ruhige Ecke verzogen zu haben. Zum ersten Mal hatte er die Möglichkeit sich mit einer Gleichgesinnten, falls man dies so nennen konnte, zu unterhalten und dann war diese Möglichkeit auch noch eine mitnichten unattraktive Waldläuferin. Wenn ihm das gestern jemand erzählt hätte, er hätte ihn ausgelacht, und das lag nicht etwa daran, dass die meisten Leute, die überhaupt mit ihm über solche Dinge redeten Betrunkene waren, denen er sowieso kein Wort Glauben schenken würde.

Langsam aber sicher begann er seine Gesprächspartnerin in einem Licht zu sehen, welches ihn zusehends verunsicherte. Er ermahnte sich, damit anzufangen nicht in jedes Wort, welches Daria an ihn richtete, wie ein pubertierender Junge irgendwelche abwegigen Möglichkeiten hineinzuinterpretieren und sich unrealistische Hoffnungen zu machen. Es war eine ganz normale Unterhaltung und wenn er sich mal dazu durchringen würde, sich zu den anderen Gästen zu setzen wäre er so etwas auch gewohnt.

Er schaffte es jedoch nicht, sich von dem Gedanken abzulenken, wie weich wohl ihre Haut unter ihrem Gewand sein könnte, wie es wohl aussehen würde, wenn sich von ihren Brüsten kleine hervorstechende Erhebungen durch die Kleidung drücken würden, gespannt auf eine Berührung wartend. Er stellte sich ihren schneller gehenden Atem vor, wenn sie sich selbst darüber strich, mit der Vorstellung an einen ihr angemessenen König, der ihr beinahe alles bieten konnte, was sie sich wünschte, weit entfernt von einem Ort wie diesem hier.

*****

„Erzählst du weiter oder muss ich dich um jedes Wort einzeln bitten?“ Er schreckte aus seinen Gedanken hoch und als er ihren Gesichtsausdruck sah, war darin problemlos zu erkennen, dass sie jede einzelne seiner vorangegangenen Überlegungen in seinem Gesicht mitgelesen hatte. Um vor diesen Tatsachen nicht auch noch rot zu werden, fuhr er fort. Es würde ihn auf andere, wenn auch unerfreulichere Gedanken bringen.

„Es war eine anstrengende Zeit, in der ich mehr mit mir selbst klar kommen musste, als mit etwas Anderem.

Erst da habe ich gelernt, das Leben wirklich zu achten und es zu schätzen. Davor war es mehr eine Lektion gewesen, die ich eben befolgte, weil ich es so gelernt hatte. Nun wurde es auf eine gewisse Weise zu meinem Lebensinhalt und ich schwor mir, jedes Leben zu retten, wenn ich in der Lage dazu war…“

Er hatte langsam und bedächtig gesprochen. Während seiner Worte war ihm bewusst geworden, dass er diese Geschichte noch nie jemandem außer sich selbst erzählt hatte.

Es war… eine Offenbarung. Er machte sich keine Gedanken mehr darüber, dass er sie einer beinahe fremden Frau erzählte, das war nicht länger wichtig. Wichtig war nur, dass er Jemanden zum reden hatte, jemanden, bei dem er spürte, dass er ihm zuhörte und ihn verstand.

„Den Grundsatz des mit allen Mitteln zu schützenden Lebens schaffte ich auch tatsächlich über mehr als eine Woche aufrecht zu erhalten, bis mir die ersten Zweifel kamen.

“ Seine Pause an dieser Stelle war etwas zu lang und sein Atem etwas zu scharf um noch als Kunstpause verstanden zu werden. Er hatte es sich leichter vorgestellt, diese Ereignisse in Worte zu fassen, obwohl das genau genommen nicht das Problem war. Es war deutlich schwieriger seine eigenen Handlungen zu akzeptieren und all das auszusprechen, was er in der letzten Zeit so erfolgreich verdrängt hatte.

Ihre Augen schafften es aber trotzdem, ihn zum Fortfahren zu bewegen.

Je länger und tiefer er seinen Blick darin versinken lies, desto sicherer wurde er wieder. Sie sah ihn die ganze Zeit über beinahe regungslos an, nur ihr immer wiederkehrendes Blinzeln unterbrach jeweils für einen kurzen Augenblick den Sichtkontakt. Sie strahlte Ruhe aus und lies ihm Zeit sich zu sammeln, eine Art, die er sonst erst ein paarmal bei anderen beobachtet hatte, wenn sie einen geliebten Menschen ansahen. Noch einmal holte er tief Luft, bis er sich im Stande fühlte endlich fortzufahren.

„Die Wende kam in Form eines beinahe toten Soldaten, oder Söldners, als was man ihn eher bezeichnen sollte. Als ich ihn das erste Mal sah, war er nicht mehr bei Bewusstsein. Sein linker Arm war mit einem hässlichen Hieb beinahe durchtrennt worden, an seinen Beinen und seinen Schultern fiel es mir schwer die vielen einzelnen Wunden auseinander zu halten. Ich habe es geschafft diesen Mann wieder ins Leben zurückzurufen, bis auf eine unschöne Narbe an seinem Arm ist beinahe nichts mehr von der ehemaligen Verletzung sichtbar.

Zwei Wochen lang war ich bei ihm geblieben, hatte alle Fertigkeiten verwendet, die mir beigebracht wurden und wurde dafür belohnt. Um mein Werk zu entlohnen empfing mich der Hauptmann der Söldnerkompanie, aus der der Verletzte kam, sogar persönlich. Dies hatte jedoch noch einen anderen Grund.

Er fragte mich ganz direkt, ob ich mich nicht als Heiler seiner Kompanie anschließen wolle, meine Fertigkeiten seien äußerst gut. Meine erste Reaktion war ein dermaßen wütender Blick, den er nie mehr vergessen hat, wie er später erzählte.

Ich warf ihm Beschimpfungen an den Kopf, dass er von mir denken musste, ich sei ein unreifer Schuljunge. Wie konnte ich mich als Heiler, als Schutzbeauftragter des Lebens einer mordenden und brandschatzenden Kompanie von Raufbolden anschließen?

Seine Reaktion darauf war so ruhig, dass ich glaubte gegen eine Wand gelaufen zu sein und nun mit heftigen Kopfschmerzen davor zu stehen. Ich kann seine Art nicht beschreiben und ich weiß, dass mich niemand verstehen wird, wenn ich nun sage, dass er mich überzeugt hat mit seiner Kompanie zu reisen.

Im Nachhinein kann ich ihm nur für sein Angebot danken, ansonsten hätte ich wohl nie die Möglichkeit gehabt, auch diese Menschen zu verstehen, sie sogar als Freunde nennen zu dürfen. Auch er lehrte mich eine wichtige Lektion: Ein Leben zu schützen ist gut, doch was, wenn dieses Leben für den Tod zweier weiterer verantwortlich wäre? Es begann eine ausschweifende Diskussion mit dem Hauptmann über den Wert des einzelnen Lebens, ob ein Leben manchmal mehr wert sein kann als ein anderes und warum man sich dafür entscheidet, den Krieg zu seinem Beruf zu machen.

Mit der Zeit spürte ich eine geistige Veränderung in mir, ich verstand nach und nach die Beweggründe dieses Mannes. Gleichzeitig spürte ich, wie sich eine innere Leere in mir breit zu machen drohte, spürte, wie wenig wert ein einzelnes Leben im Vergleich zur Welt war. Warum bloß hatte ich vorher geglaubt, ich verstünde eben jene Welt? In Wahrheit war und bleibt sie so komplex, dass niemand sie wirklich im Kern ihres Seins verstehen kann.

Der Hauptmann zeigte mir, dass der Kampf manchmal unausweichlich war. Mithilfe von Mut und Überzeugung war es möglich diese Welt doch ein wenig zu verändern. Seine Kompanie war keinem eigenmächtigen König unterstellt, sondern nur ihrem Gewissen. Dieser Umstand erst machte seine Männer zu dem, was sie waren. Schließlich schloss ich mich vorerst für einen Monat der Truppe an. Dort, wo die meisten Leute dem Tod nah waren, würde ich am meisten bewirken und die meisten Leben retten können.

Dort lernte ich das schmutzige Handwerk des Kampfes und wurde zu einem Heiler mit stets griffbereiten Streitkolben links und rechts am Gürtel. Ich hatte Freunde gewonnen und blieb bis auf weiteres bei der Truppe. Ich weiß, dass mich niemand verstehen wird, aber dieser Mann hat mir klar gemacht, dass der Kampf nur eine andere Form des Schutzes von Leben ist. Er reicht bis zur völligen Selbstaufgabe und bis zur Akzeptanz des Todes, sollte man durch seine Handlungen anderen das Leben gerettet haben.

Die ganze Zeit während seiner Erzählung hatte Quinn entweder auf den Boden, an die Decke oder auf sein beinahe leeres Bierglas gestarrt und war Darias Blick ausgewichen. Er wollte nicht, dass sie sah, wie schwer es ihm fiel, diese Geschichte zu erzählen und hatte daher einige Schlüsselmomente bewusst kurz gehalten. Als er in ihre Augen sah, wusste er, warum er das getan hatte. Ihr Blick war so voller Verständnis, dass er beinahe in sich zusammengesunken wäre.

Sie schaffte es direkt in seine Gedanken zu blicken, als würde sie ihn schon sein Jahren kennen. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, dass jemand in ihm mehr sah, als entweder den leicht seltsamen Heiler, dem man mit allerlei geheuchelter Dankbarkeit für seine Dienste dankte oder den rauen Soldaten, dessen grobschlächtige Natur allenfalls auf eine Nutte anziehend wirkte, die von seinem Sold etwas abbekommen wollte.

In den letzten Jahren war er hauptsächlich mit Männern in Kontakt gewesen, die zwar teilweise gute Freunde waren, aber zwischen einem Freund und einer Freundin gab es einen himmelweiten Unterschied.

Die wenigen Frauen in der Kompanie waren ihm größtenteils wie die Männer freundschaftlich verbunden, insofern bezeichnete er sie ebenfalls einfach als Freunde.

Seit er das letzte Mal einen Menschen bei sich hatte, den er als Freundin betiteln konnte waren Jahre vergangen. Aileen war eine Akademieschülerin gewesen, genau wie er. Als er 18 gewesen war, hatte er sie das erste Mal geküsst, genau genommen war dies sein erster richtiger Kuss gewesen.

Die Jahre bis zu seinem Abschluss waren aufregend gewesen, doch das Schicksal hatte sie getrennt und sie hatten es akzeptiert. Es war eine naive Jugendliebe gewesen, nichts weiter.

Danach war er zwar viel durch die Länder gereist, erst alleine, dann mit der Söldnerkompanie, jedoch hatte es irgendwie nie eine richtige Gelegenheit gegeben. Die Frauen aus der Kompanie waren Freunde und sonderlich viel andere weibliche Gesellschaft hatte er selten länger als ein paar Tage und Patienten und deren Angehörige fielen für ihn ohne Frage aus der Kategorie Begehrenswert heraus.

Mit einem Mal fühlten sich die letzten Jahre auf eine gewisse Art unvollständig an. Die ganze Zeit über hatte etwas gefehlt, von dem er nicht gewusst hatte, dass es überhaupt fehlen konnte. Bis jetzt. Daria löste etwas Besonderes in ihm aus, etwas, das ihn an Aileen erinnerte und doch wieder nicht. Das hier war anders, aber irgendwie auch sehr ähnlich.

Der Name Daria schien auf einmal der Name einer Göttin zu sein, von ihr schien ein eigenes Licht auszugehen, welches ihre gesamte Umgebung in einen behütenden Schimmer tauchte.

Alles um sie herum war wunderbar und sie war der Mittelpunkt.

*****

„Unterbreche ich dich? Ich habe ehrlich gesagt… nicht damit gerechnet eine fast vollständige Lebensgeschichte zu hören. Vielleicht hilft es, wenn ich sage, dass meine an manchen Punkten von deiner gar nicht so unähnlich wäre. “ Ihre Stimme ließ ihn wiedermal mit aller Härte auf die Wirklichkeit prallen, doch diesmal fing sie ihn auf, bremste seinen Fall mithilfe einer warmen und verständnisvollen Stimme.

Er hatte recht gehabt mit seiner Vermutung, dass sie ihm auf eine gewisse Weise ähnlich war, auch wenn er von ihr beinahe nichts wusste.

Nur eines wusste er sicher und dies war der eigentliche Grund, warum er ihr so viel erzählt hatte. Sie war bereit gewesen ihm zuzuhören und war bereit gewesen, sein Wesen als das zu akzeptieren, zu dem es geworden war. Sie hatte ihn nicht unterbrochen, sondern einfach nur ruhig zugehört, war für die letzten beiden Stunden die Schulter gewesen, an der er Halt finden konnte.

Auch wenn er es nie zugegeben hätte, nach dieser Möglichkeit hatte er sich schon länger gesehnt, als ihm bewusst war. Aileen hatte eine Lücke in seinem Herzen hinterlassen, die sich nun langsam wieder zu füllen begann.
Als er schließlich antwortete, musste er sich zusammenreißen. „Nein, schon gut. Ich…ich habe es schließlich völlig aus freien Stücken erzählt, oder?“ Wieder war seine Pause länger als nötig und der letzte Schluck Bier fiel dieser zum Opfer.

„Danke. Danke dafür, dass du es einfach so akzeptiert hast, wie ich es erzählt habe, auch wenn… ich einige Teile ausgelassen habe. Du bist der erste Mensch, dem ich begegne, der mir einfach zugehört hat, ohne mich mit Vorwürfen und Argumenten, wie ich mich anders hätte verhalten sollen, zu unterbrechen. “ Den Teil, wie groß seine anfängliche Skepsis gewesen war, hatte er verschwiegen, doch es war nicht mehr wichtig. Es war egal, woher sie kam oder was sie einmal getan hatte, sie hatte ihm zugehört und ihn akzeptiert, mindestens derselbe Respekt gebührte ihr und er war gerne bereit, diesen zu gewähren.

Ohne ein Wort zu sagen stand sie auf und verschwand im Gedränge der Taverne. Sie hatte ihn einfach mit seinem leeren Bierkrug zurückgelassen. Mit ihr war auch die Geborgenheit verschwunden, die er geglaubt hatte bei ihr zu finden. Dennoch, es war erlösend gewesen, jemanden zum Reden zu gehabt zu haben. Dass eine Waldläuferin unnahbar war, hatte er von Anfang an gewusst und es war ihm egal gewesen. Nichtsdestotrotz löste ihr Verschwinden ehrliches Bedauern bei ihm aus, ihre Gesellschaft hatte gut getan.

II.

Gerade als er sich zum Gehen aufmachen wollte, tauchte sie wieder auf, mit zwei vollen Bierkrügen in der Hand. Er hatte bereits halb gestanden, ließ sich jedoch sofort wieder fallen, als Daria unbeirrt und mit einem ehrlich wirkenden freundlichen Lachen auf ihn zukam. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er seinen Blick nicht von ihr losreißen können, sie übte eine fast schon magische Anziehungskraft auf ihn aus.

„Du denkst doch nicht etwa, ich würde einfach ohne ein Wort verschwinden? Glaub mir, wenn ein Mensch bereit ist mir so viel von sich zu erzählen, werde ich bestimmt nicht so taktlos sein und ich dachte, ich sollte mich wenigstens ein wenig revanchieren, oder?“ Mehr als ein Nicken brachte er nicht zu Stande, als sie einen der beiden Krüge vor ihm abstellte.

„Also, ab welcher Stelle hast du vorhin nicht mehr richtig zugehört?“ Obwohl sie ihn beinahe vorwurfsvoll ansah, war ihre Stimme weiter hell und freundlich.

Sie war ihm nicht böse, sie akzeptierte es einfach als gegeben und war völlig uneigennützig bereit, sich ihm genauso zu öffnen wie er es zuvor getan hatte.

Ein weiteres Mal ließ er seine Augenlider bei einem Blinzeln länger als nötig geschlossen um sich von ihrem Anblick losreißen zu können. Sie weckte Begierden in ihm, die er um jeden Preis unterdrücken würde, sie waren noch mit zu schmerzhaften Erinnerungen beladen, an Aileen…

Kaum merklich schüttelte er den Kopf, um auch sie aus seinen Gedanken zu vertreiben.

Aileen war für alle Zeiten in seiner Vergangenheit, er musste sich endlich dazu durchringen, das hier und jetzt zu genießen und den Moment weder durch seine Vergangenheit noch durch pubertäre Begierden zu zerstören. Daria war ihm wichtig geworden, so wichtig, dass er sie mit diesen Dingen auf keinen Fall konfrontieren würde.

„Du kannst die Augen ruhig aufmachen, oder ist mein Anblick dermaßen abstoßend?“ Er hatte die Augen immer noch zugepresst gehabt, nun riss er sie beinahe erschrocken wieder auf.

„Nein, bestimmt nicht. Im Gegenteil…“ Seine Antwort kam schnell, die Folge war, dass er sich nun eigentlich am liebsten die Zunge abbeißen würde. Der Vorsatz, sich bloß nicht von seinen Gedanken in die Irre führen zu lassen, hatte im wahrsten Sinne des Wortes nicht mal einen Augenblick lang gehalten…

Auf ihr lautes Lachen zur Antwort drehten sich sogar einige der anderen Gäste zu ihnen um, wendeten sich zum Glück aber kurz darauf wieder ihren eigenen Gesprächspartnern zu.

„Schön zu erfahren, dass ihr wenigstens in der Hinsicht gewöhnlich geblieben seid!“ Sie hatte laut gesprochen und war unbewusst wieder vom DU abgewichen, einen Moment lang zweifelte er ob sein letzter Satz nicht für seinen Untergang gesorgt hatte. Als sie ihre Stimme wieder senkte, verpufften diese Bedenken jedoch.

„Ich hatte schon gedacht, dass der Krieg alles genommen hätte…“ Es war nicht ihre Aussage, die seine Zweifel zerstreute, sondern vielmehr ihr beinahe unbewusst scheinendes Glattziehen ihrer Kleidung.

Für einige wenige Sekunden während dieser Tätigkeit verschwanden die verhüllenden Falten und offenbarten ihm zwei perfekt geformte Brüste, die sich durch den Stoff drückten, sie schien sie ihm durch ein leichtes Strecken sogar zu präsentieren. Sie waren wohl etwas größer als seine Hände, allerdings in der Form zweier perfekter Halbkugeln, inklusive kleiner Erhebungen darauf, die sich ebenso deutlich durch den Stoff abzeichneten.

Wieder glitten seine Gedanken ab, stellten sich vor, wie es wäre, mit seinen Händen um ihre Brustansätze herum zu streichen, in immer kleiner werdenden Kreisen sich den Rubinen darauf zu nähern und diese schließlich mit heißen Küssen zu bedecken.

Er sah ihren entblößten Körper förmlich vor sich, der Ursprung der Schönheit und Verführung.

Langsam fuhr er mit seinen Händen ihren Bauch entlang, stoppte kurz vor ihrem Venushügel und ließ sie über ihren Rücken wieder nach oben wandern. Er drückte ihren zarten Körper an sich, spürte jeden einzelnen Pulsschlag und wie ihr Puls immer schneller wurde. Langsam trafen sich ihre Lippen und er wurde in den Himmel gehoben, an einen Ort der puren Lust.

Er schien zu fliegen, in einem Traum der Unendlichkeit. Sie begannen einen zarten Tanz, zur Musik der Leidenschaft ihrer Seelen. Der Takt wandelte sich von einer anfangs noch erwartungsvoll-ruhigen Lage zu einem Staccato ihrer Herzen, das seine Brust zu sprengen drohte.

Langsam ließ er seine linke Hand wieder tiefer wandern, strich dabei noch einmal über ihre sich heftig hebende und senkende Bauchdecke, bis er an ihrem Lustzentrum angelangt war.

Vorsichtig ließ er einen Finger über den Eingang zum Paradies gleiten, sich seiner ebenfalls zum äußersten aufgerichteten Erregung bewusst. Sie würde noch einen Moment warten müssen, er wollte ihr einen unvergesslichen Moment schenken.

*****

Sie sah ihn an, als hätte sie nichts getan, musste jedoch erkennen können, wie unglaublich schwer es ihm fiel, seinen Blick wieder auf ihr Gesicht zu zentrieren. Während eines ausgiebigen Schluckes aus ihrem Bierkrug legte sie den Kopf in den Nacken und brachte so ihren Oberkörper erneut gekonnt zu Geltung, der nun jedoch wieder ein wenig bedeckter war.

Es verhinderte dennoch effektiv, dass er ihren Anblick in den nächsten Stunden würde vergessen können.

Zum nun zweiten Mal an diesem Abend begann sie damit, auch ihn ein wenig in ihre Vergangenheit blicken zu lassen. Er war jedoch so krampfhaft damit beschäftigt, seinen Blick nicht nach unten abgleiten zu lassen, dass nicht mehr als ein paar Wortfetzen bei ihm ankamen. In diesem Moment fühlte er sich wieder in die Zeit zurückversetzt, in der er von der Akademie abgegangen war und verfluchte sich innerlich für derartige Gedanken, dennoch fühlte es sich auf eine zwar falsche, aber schöne Art und Weise gut an.

Er wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatten, als sie mit einem leicht ironischen Kopfschütteln abbrach, es konnte jedoch nicht allzu lange gewesen sein, denn weder von ihrem noch von seinem Bier fehlte etwas, seitdem sie angefangen hatte. Ihre Stimme wurde zu einem leisen Flüstern, worum er ihr in diesem Moment sehr dankbar war. „Abgesehen davon, dass ich deinen Anstand wirklich nobel finde, ist es dir mehr als deutlich anzusehen, wie krampfhaft du mich ansiehst.

In deinem Fall wäre es glaube ich unauffälliger, wenn du es einfach lassen würdest…“

Es gab Momente, da würde man am liebsten im Boden versinken, in diesem Moment jedoch hielt er ernsthaft nach einem Dolch oder ähnlichem Ausschau, um diese Folter endlich beenden zu können. Es war nicht genug damit, dass er es nicht schaffte, seine Triebe im Zaum zu halten, sondern sie wies ihn auch noch voller Schadenfreude darauf hin.

Vielleicht wäre es wirklich einfacher, er würde, jedenfalls was das betraf, nachgeben, doch irgendetwas in ihm sperrte sich noch dagegen.

Daria war die erste Frau seit Jahren die ihm so etwas wie Vertrauen schenkte und die Tatsache, dass er einer Waldläuferin gegenübersaß, durfte er auch nicht außer Acht lassen. Er durfte, wollte sie nicht durch seine banalen Gedanken wieder in die Flucht schlagen, wollte, dass sie länger als nur für eine halbherzige Nacht bei ihm blieb, die mehr in ihm zerstören würde, als er verkraften würde.

Sie war zu einer Freundin geworden, der er mehr erzählt hatte, als er vorgehabt hatte, nun wollte er sie nicht als Geliebte für eine Nacht in Erinnerung behalten müssen.

„Bevor du noch auf die Idee kommst dich möglichst schnell von mir zu entfernen, sollte ich mich glaube ich bei dir entschuldigen, ich wollte dich nicht unter Druck setzen. “ Ihr Tonfall hatte wieder eine normale Lautstärke angenommen, allerdings glaubte er in ihren Worten mehr mitschwingen zu hören, als sie aussprach, wahrscheinlich entsprang dies jedoch nur seinem Wunschdenken.

Mit einem großen Schluck aus seinem Krug versuchte er seine Gedanken wieder klar zu bekommen, das Gefühl jedoch blieb.

„Ich weiß nicht wie viel du letztendlich mitbekommen hast, aber als ich gesagt habe, dass unsere Vergangenheit gar nicht so verschieden ist, habe ich das ernst gemeint und… dass ich ähnlich wie du schon mehr Leben auf dem Gewissen habe als ich zählen kann leider auch. Ich kann jedoch niemanden vorweisen, den ich geheilt hätte, bis auf mich selber, um weitere Leben zu nehmen.

“ Sie ließ eine kurze Pause, zuletzt hatte ihre Stimme einen leicht traurigen und schweren Unterton bekommen, den sie aber sofort wieder verschwinden ließ.

„Ich glaube es wäre fair, wenn ich einfach für Fragen offen bin, oder?“ „Was macht eine Waldläuferin wie … wie du in einer Taverne wie dieser hier?“, platzte es ihm ziemlich direkt heraus, eine Frage die ihn schon die ganze Zeit beschäftigte. Egal wie viel Vertrauen er mittlerweile zu ihr geschöpft hatte, dieser Umstand entzog sich nach wie vor seiner Logik.

Bei ihrer Antwort schien ihre Stimme wie getragen, sie bemühte sich sichtlich um einen normalen Tonfall, konnte jedoch ihre wahren Gefühle nicht ganz verbergen. „Reicht es, wenn ich einfach sage ich bin hier? Nein, es wäre nicht gerecht, ich weiß…“ Er setzte zu einem leichten Kopfschütteln an, wollte sie auf keinen Fall zu irgendetwas gegen ihren Willen drängen, doch sie fuhr ungerührt, aber im selben schwermütigen Tonfall fort.

„Die Waldläuferinnen die du getroffen hast, waren wahrscheinlich ohne Ausnahme angesehene Frauen, die den ihnen gebührenden Respekt auch eingefordert haben.

Es waren wahrscheinlich Frauen, die innerhalb meines Volkes eine höhere, also offizielle Position bekleidet haben. Der Rest bleibt normalerweise unter sich, innerhalb ihres Stammes. „

Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie ließ einige Atemzüge verstreichen, bevor sie fortfuhr. „Genau genommen könntest du mich wahrscheinlich sogar als Stammesführerin betrachten. “ Sie sah, wie er leicht zusammenzuckte, was ihr bitteres Lächeln, welche sie wie eine Maske aufgelegt haben zu schien, noch eine Spur tiefer werden ließ.

„Eigentlich habe ich jedoch keinen Stamm mehr, den ich führen könnte. Ich bin die letzte … Jedenfalls aus meiner Familie, meinem ehemaligen Stamm. „

„Oh…Tut mir leid…“. Zu einer anderen Reaktion war er im Moment nicht fähig. Er unterhielt sich mit einer Stammesführerin der Waldläuferinnen als wäre sie eine der Söldnerinnen aus seiner Kompanie, sogar noch um einiges tiefgängiger, und fragte sie über ihre Vergangenheit aus. Es gab wirklich Dinge, die waren unwahrscheinlich und widerfuhren ihm trotzdem regelmäßig, aber das…

„Muss es nicht, es ist meine Vergangenheit und nur ich allein muss damit fertig werden, kein Anderer.

Du würdest mir einen Gefallen tun, wenn du mich nicht wie eine Königin bedauern würdest, die gerade ihren Sohn verloren hat, sondern einfach so weiterredest wie bisher, vielleicht noch ein wenig offener… Behandele mich einfach wie eine normale Frau, die du in einer Taverne triffst. Bitte. “ „Nein!“, widersprach er vehement. Einen Moment überlegte er, wie er es formulieren sollte, dann entschied er sich dafür, ihr gegenüber genauso offen zu sein, wie sie ihm.

„Ich werde deinen … Stand meinetwegen außer Acht lassen, wenn du es willst, aber ich werde dich nicht wie eine normale Frau behandeln, die ich in der Taverne getroffen habe, weil…“ Beinahe hätte er ihr gesagt, dass sie dafür zu bereits zu viel wusste, entschied sich dann aber gerade noch für eine bessere Formulierung, jedoch nicht ohne vorher noch einmal tief durchzuatmen. „Weil du die erste bist, der ich so viel erzählt habe.

Weil … ich durch dich wieder etwas gespürt habe, was ich seit Jahren ignoriert habe. Weil … bei allen Göttern die ich kenne, weil ich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder weiß, was Vertrauen heißt…“

Er wusste, dass er sich eben höchstwahrscheinlich um Kopf und Kragen geredet hatte und wie unglaubwürdig es klingen musste, wenn man eine quasi-Liebeserklärung von jemandem erhält, den man erst seit gut zwei Stunden kennt, aber er konnte nicht mehr.

Sie hatte ihm mehr Vertrauen geschenkt, als er je von einer Person bekommen hatte und … er fühlte sich aus seinem tiefsten Inneren heraus geborgen, wenn sie ihn ansah, ihn einfach nur mit einem Blick behütete, der sämtliche Stellen seines Körpers zu erreichen schien.

Zum ersten Mal an diesem Abend war nun Daria diejenige, die sichtlich Probleme hatte, das eben gehörte richtig einzuordnen. Ihr beruhigender Blick war einem beinahe erschrockenem gewichen, ihn direkt fixierend.

Sie hatte ihre Augen für den Bruchteil einer Sekunde weit aufgerissen, besann sich jedoch schnell darauf, dass eine derartige Reaktion sehr leicht missverstanden werden könnte.

„Weißt du, was du eben damit gesagt hast?“, fragte sie mit einem Gesichtsausdruck, der sehr genau vermuten ließ, was gerade in ihr vorging, auch wenn er nicht erkennen konnte, ob diese Gedanken ihm wohlgesonnen waren oder nicht. „Ja…ich sollte jetzt glaube ich gehen. „, antwortete er mit tonloser Stimme, sich darüber im Klaren, dass er seine Grenze überschritten hatte.

*****

Mit einer etwas zu schwungvollen Bewegung stand er auf und blieb mit seinem Bein am Tisch hängen. Ein blitzartiger Schmerz durchzuckte seinen gesamten Körper und ließ ihn beinahe wieder zurücksinken. „Ich wünsche euch einen angenehmen Abend. „, brachte er gepresst hervor, der Schmerz in seinem Bein ließ sich jedoch nicht ganz verstecken. Ohne sie noch einmal anzusehen machte er sich auf den Weg in Richtung Tür, sich innerlich beinahe für seine Fähigkeit beglückwünschend, ein Gespräch so effektiv völlig zu ruinieren.

Auf halber Strecke spürte er, wie ihn eine Hand an der Schulter festhielt. In der Erwartung, es handele sich um einen betrunkenen Gast, versuchte er genervt die Hand abzuschütteln, hatte jedoch keinen Erfolg. Mit einem missmutigen Gesichtsausdruck und ein paar scharfen Worten auf der Zunge drehte er sich um, bereit sich gegen einen dieser Trinker zu wehren, die anscheinend jeden Abend eine Schlägerei anzuzetteln versuchten, dabei zum Glück aber nur selten von Erfolg beschieden waren.

Der Anblick von Darias Gesicht kam dermaßen unerwartet, dass sämtliche Reaktionen, die er sich bereit gelegt hatte mit einem Schlag ehrlicher Überraschung wichen. Ihre Lippen formten das Wort „Bleib“ und er ließ sich völlig überrumpelt von dieser Situation ohne ein Wort wieder zu dem Tisch zurückziehen, an dem sie gesessen hatten. Er hatte vielleicht damit gerechnet, dass sie ihn mit einem ordentlichen Schlag ins Gesicht verabschiedete, aber bestimmt nicht damit, dass sie ihn dazu aufforderte zu bleiben.

Dass sie sich nicht wie vorher gegenüber hinsetzte, sondern neben ihm auf der Bank platznahm registrierte er nur noch am Rande.

Erst als sie einen Arm um seine Schultern legte, begann sein Verstand wieder zu arbeiten, schrie ihn jedoch lautstark an, dass er so viel Glück definitiv nicht verdient hatte. „Warum…?“ war das einzige Wort, was er mit ein wenig Konzentration herausbrachte.

„Weil du der erste bist, der wirklich ehrlich zu mir war.

Und weil du eine besondere Gabe hast, die du nicht einfach ignorieren solltest: Verständnis. Ich bin in den Augen der meisten Menschen eine Ausgestoßene ohne Volk, eine Mörderin, aber du verurteilst mich nicht sondern gibst mir etwas, was auch ich sehr lange nicht mehr erleben durfte. Dein Vertrauen bedeutet mir mehr als du dir vielleicht vorstellen kannst. Du…wir sind uns auf eine groteske Weise ähnlich, bitte…“ Ihre Worte schienen zu schweben, und legten sich ganz sanft um ihn.

Sie sagte die Wahrheit, das wusste er.

Jedes weitere Wort hätte die Magie des Augenblicks zerstört, die sie im Moment wie ein Umhang umgab. Also blieb er einfach still und versuchte eine logische oder wenigstens nachvollziehbare Erklärung dafür zu finden, was in den letzten beiden Stunden passiert war. Einerseits war es viel zu schnell gegangen, andererseits konnte er nicht genug bekommen und sie hatte ihn mehrmals dazu bewegt weiter zu gehen, als er zu hoffen gewagt hatte.

Er sah sie nicht an, als er sprach, dafür hätte er im Moment nicht die Kraft gehabt.

„Meinst du wirklich, es ist richtig, wenn wir…“ Der Satz benötigte keine Fortführung, es war auch so eindeutig, worüber er sprach. „Was richtig oder falsch ist weiß ich schon lange nicht mehr…“ Sie ließ ihm keine ernsthafte Möglichkeit zu antworten, Daria hatte sich so zu ihm gedreht, dass ihre Lippen sich nur noch Millimeter vor seinen befanden, beinahe ungeduldig auf sein Einverständnis wartend.

Er zögerte einen kurzen Moment, ihr Angebot anzunehmen. Noch immer hatte er sich nicht entschieden, ob es klug war, sich voll und ganz auf Daria einzulassen und was genau hatte sie damit gemeint, als sie gesagt hatte, sie wüsste schon lange nicht mehr, was richtig oder falsch sei? Dennoch, der Schrei seiner Seele sich endlich zu öffnen war stärker als sein innerer Widerstand, mehr als enttäuscht werden konnte er nicht und wenn er mit einem Dolch in der Brust aufwachen würde, müsste er sich darum auch keine Gedanken mehr machen.

Sie hatte ihn die ganze Zeit genauestens beobachtet und als er seinen Blick hob und ihr in die Augen sah, interpretierte sie das folgerichtig als sein Einverständnis. Zum ersten Mal seit Jahren küsste er eine Frau wieder, weil sie ihm etwas bedeutete, nicht nur weil er mit ihr schlafen wollte.

Vorsichtig trafen sich ihre Lippen, erkundeten scheu den Anderen. Ihre Lippen waren ein wenig rau, und dennoch war ihre Berührung sanfter als alles andere.

Er spürte ihren Arm in seinem Rücken, der ihn immer fester zu umklammern schien, ihr heißer Atem in seinem Gesicht umhüllte ihn und hob ihn in eine andere Welt, in der nur sie und er existierten.

In einem Winkel seines Verstandes fragte er sich immer noch, ob es nicht nur ein weiterer Traum war, eine Wahnvorstellung, die ihn in der echten Welt einfach nur mit einem leeren Blick in sein Bierglas starren lies.

Wünschte er sich diese Situation einfach nur stark genug herbei, sodass es wie die Wirklichkeit erschien? Er hatte schon von Krankheiten gehört, bei denen sich Leute nicht existente Dinge vorstellten, auch wenn es beinahe unmöglich war, dass sie dies wirklich erlebt hatten. Er hatte jedoch nie derartige Halluzinationen gehabt, es war also unwahrscheinlich, dass sie gerade jetzt auftraten.

Ihre Zunge bat zärtlich um Einlass, welchen er ihr diesmal ohne Zögern gewährte.

Sie schien um seine Lippen und seine eigene Zunge herumzutanzen und ließ ihm keine andere Wahl, als sich ihr vollkommen hinzugeben. Sie umspielten einander wie zwei junge Hunde dies tun würden: Ein wenig unbeholfen aber liebevoll und voller Leidenschaft.

Behutsam löste er den Kuss nachdem ihm immer weniger bewusst war, wie viel Zeit vergangen war. Es war beinahe schmerzhaft mit einem Mal wieder die Umgebung auf sich einstürzen zu spüren, nachdem er sich wie auf einer Wolke im Himmel schwebend gefühlt hatte, doch hier war nicht der richtige Ort, um weiter zu gehen.

Die Frage nach der richtigen Zeit hatte er mittlerweile beantworte: Sie war gekommen, solange sie bei ihm war gab es keine falsche Zeit, nicht mehr.
„Ich glaube nicht, dass wir hier…“, sprach er seine Bedenken aus, ohne dabei jedoch seinen Blick von ihren Augen zu entfernen. Wieder stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen, nun schien es aber von Grund auf anders als die wenigen Male davor. Es hatte keinen bitteren oder belustigten Unterton, dieses Lächeln war allein ihm gewidmet, niemand anderem.

In ihre Augen war ein glasiger Schimmer getreten, diesmal jedoch nicht aus Traurigkeit, sondern vor Freude und ein wenig Verwunderung über das eigene Schicksal, welches genau in diesem Moment zeigte, dass es nicht nur schlechte Nachrichten, Leid und schwere Entscheidungen bringen konnte.

*****

„Hast du etwas gesagt? Hier ist es etwas laut…“ Der Klang ihrer Stimme war wie ein Hammer, der ihn ungebremst am Hinterkopf traf. In seinem Kopf schien etwas zu explodieren, es fiel ihm sichtlich schwer, aufrecht sitzen zu bleiben.

Seine Wünsche und Gedanken fühlten sich mit der Zeit an, als wollten sie seinen Tod.

Sein Kopf fühlte sich an wie nach einer durchzechten Nacht, in der es deutlich zu viel starkes Bier gegeben hatte. Es dauerte eine scheinbare Ewigkeit, bis sein Blick wieder klar wurde. Er tastete nach der Stelle am Bein, an der er sich beim Aufstehen gestoßen hatte und als er sie erreichte, durchzuckte ihn ein kurzer Schmerz.

Wenigstens dies hatte er sich nicht nur eingebildet.

Sein Blick suchte Daria, einen Augenblick wunderte er sich, dass sie nicht mehr gegenüber von ihm saß, bis ihm wieder einfiel, dass sie sich neben ihm gesetzt hatte. Auch dieser Teil war demnach nicht seiner Fantasie entsprungen. Alles hatte sich so real angefühlt, dass er sich mit all seinen Sinnen gewünscht hatte, es wäre es, nun wusste er nicht einmal, was wirklich real gewesen war.

Das meiste war definitiv jedoch nur ein Wunschtraum, eine Einbildung gewesen, sonst würde sie nicht so regieren, sonst würde sich sein Kopf nicht schwerer als der Rest seines Körpers anfühlen. Nein, sie war nach wie vor unnahbar, eine stolze Waldläuferin, die man nicht wie eine Barbekanntschaft erobern konnte.

„Ist alles in Ordnung? Es tut mir leid, wenn ich die falschen Erinnerungen geweckt habe, als ich… dir gesagt habe, du würdest mich verstehen.

Ich fürchte, das tust du besser, als ich wollte…“ Sie klang ehrlich besorgt, erst jetzt bemerkte er, dass sie einen Arm um seine Schulter gelegt hatte, an welchen er sich gelehnt hatte, um nicht umzufallen.

„Nein, nein, schon gut. Ihr…du kannst nichts dafür. “ Langsam war er wieder vollkommen bei klarem Verstand, es dauerte jedoch immer länger, bis er dies schaffte, je länger er bei ihr blieb. Es waren Dämonen seiner Gedanken, die ihn immer mehr beherrschten.

Er musste gehen, um sie endlich aus seinem Kopf verbannen zu können, bevor er entweder ihr oder sich selbst etwas antat.

„Auch wenn ich lange Zeit alleine verbracht habe, merke ich, wenn jemand auf so subtile Art und Weise lügt. Ich tu dir nichts, also sag einfach was los ist. “ Egal wie überzeugend sie dies gesagt hätte, er hätte ihr immer noch nicht geglaubt. Die Tatsache, dass sie dies sogar betonte, erregte bei ihm nur noch größeres Misstrauen.

Es gab Dinge, die erzählte man nicht. Nicht, wenn einem an seinem Gegenüber etwas lag.

„Sagen wir einfach es ist unwichtig, in Ordnung?“ Er wusste, dass dieser Versuch, das Gespräch wieder auf eine andere Ebene zu bringen, mehr als kläglich war und nicht wirklich mit einer Aussicht auf Erfolg beschieden war. Warum nur konnte er seine Gedanken nicht bei sich behalten?

Ihr Lächeln war entwaffnend und gab ihm die direkte Antwort auf seine Frage.

Dagegen würde er sich niemals verschließen können, das einzige, was ihm daran weh tat war die Gewissheit, dass er sie nach diesem Abend nie mehr wieder sehen würde. Er würde weiterziehen, genau wie sie. Vielleicht war es auch besser so.

„Eins hast du mir noch nicht erklärt: Wenn du die letzten Jahre mit deiner Kompanie umhergezogen bist, wo ist diese beziehungsweise was machst du hier?“ Sie zog das letzte Wort lang und für einen kurzen Moment meinte er wieder eine hochnäsige Waldläuferin in ihr zu erkennen, die mit einem abfälligen Gesichtsausdruck eine Taverne wie diese betrat.

Dann jedoch wurde ihm bewusst, dass sie ehrlich verwundert über sein Schicksal war, für sie musste die Tatsache, einen einsamen Heiler mit Kriegsbewaffnung zu treffen, mindestens ebenso verstörend sein, wie für ihn, als er sie gesehen hatte.

Innerlich verbeugte er sich vor ihr, dafür dankbar, dass sie das vorherige Thema wirklich ohne weiter nachzufragen fallen gelassen hatte. „Deine erste Frage kann ich dir beantworten, die zweite nicht wirklich“, begann er schließlich und versuchte sich auf seine Erzählung zu konzentrieren.

„Fakt ist einfach, dass es die Söldnerkompanie nicht mehr gibt. Sie ist sozusagen ausgelöscht worden, jedoch leben die meisten meine ehemaligen Kameraden zum Glück noch. Ich habe schon angedeutet, dass der Hauptmann ein außergewöhnlicher Mann war, er war es auch, der die Truppe mit seiner Weisheit zusammenhielt. Seine Autorität war unumstritten, genauso wie die Frage nach seiner Führungsqualität.

Ein Hinterhalt hat diese Zeit vor ein paar Monaten für uns alle beendet.

Ich möchte nicht zu sehr auf Details eingehen, das Ergebnis einer kurzen aber brutalen Schlacht waren 150 Tote und ein paar Verletzte auf unserer Seite und etwa 100 auf der anderen. Unter unseren Verlusten befand sich der Hauptmann, der direkt bei der ersten Angriffswelle einen gegnerischen Pfeil nicht mehr abwehren konnte.

Danach zerfiel unsere Kompanie, denn niemand fühlte sich in der Lage, den Posten unseres Anführers zu füllen. Er war etwas wirklich Besonderes gewesen, für uns hätte man ihn glaube ich mit einem Halbgott gleichsetzten können.

Vielleicht war er das auch…

Jedenfalls haben wir uns ironischerweise in Vinsalt, der Stadt in der für mich alles begann, getrennt, mit dem Versprechen, dass wir uns vielleicht irgendwann wiedersehen würden, wenn wir einen würdigen Nachfolger gefunden hätten. Dann würden wir dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten.

Jeder bekam ausgehändigt, was er benötigte, der Truppenbesitz wurde verkauft und der Erlös aufgeteilt. Damit konnte ich meine Schulden an der Akademie fast vollständig begleichen.

Nun bin ich ein arbeitsloser Heiler, der zum Töten ausgebildet wurde. Mit meinen Fähigkeiten kann ich jedoch einige Gelegenheitsaufträge annehmen und will nicht behaupten, dass ich nicht überleben könnte.

Ich bin zu dem geworden, was die meisten wohl als Abenteurer bezeichnen würden: Ein einsamer Reisender mit einigen sonderbaren Fertigkeiten und einem seltsamen Charakter, ich habe mehr von der Welt gesehen, als ich je gewollt habe. „

Sie hatte wieder einfach nur ruhig zugehört, obwohl er immer wieder scheinbar endlose Pausen gelassen hatte, sodass er sich jedes Mal wunderte, dass sie überhaupt noch hinhörte, als er weitersprach.

Bei seinen letzten Worten jedoch war ein merkwürdiger Ausdruck in ihre Augen getreten, sie schienen zu glänzen und gleichzeitig sämtliches Licht der Umgebung zu absorbieren.

„Es ist nicht gerade ungefährlich alleine zu reisen. Jeder muss einmal schlafen und die Wildnis ist gefährlicher, als man vermutet. “ Es war keine Frage gewesen, dennoch fühlte er sich dazu verpflichtet zu antworten. Er war ihr nichts schuldig, trotzdem fühlte er sich so. „Ich komme zurecht… Selbst wenn ich sterben sollte, wer würde mich vermissen? Eigentlich ist es egal, und genau nach diesem Grundsatz lebe ich.

Wie lange noch, kann ich nicht sagen. „

Immer noch konnte er den Ausdruck in ihren Augen nicht wirklich zuordnen. Sie wollte auf irgendetwas hinaus, er konnte sich jedoch nicht vorstellen, was dies sein könnte. „Ich würde dich vermissen…“ Ihre Stimme war mit einem Mal so leise geworden, dass er sich wieder zu fragen begann, ob er sich ihre Worte nicht nur eingebildet hatte. Bevor er jedoch nachhaken konnte, fuhr sie fort.

„Ich weiß, dass mein Angebot eigentlich komplett naiv ist, aber wenn ich schon mal hier bin: Ich hoffe du hast im Moment kein besonderes Ziel auf deiner Reise?“ „Was für ein Angebot? Nein, im Moment habe ich keinen Auftrag…“ Dieser Ausdruck in ihren Augen… Würde sie nicht hin und wieder Blinzeln, würde er sich ohne Frage darin verlieren.

Trotz der lauten Kulisse hörte er, wie sie tief durchatmete, beinahe wäre sein Blick dabei wieder an ihren Brüsten hängengeblieben, die sich dabei sichtbar hoben.

„Das ist gut. Ich suche noch jemanden, der mich auf dem Weg nach Lanan begleitet, wärt ihr bereit…?“

Diese Intention hätte er sich eigentlich denken können. Das einzige, was Frauen ihres Standes in einer Taverne taten, war die Rekrutierung von billigem Begleitschutz. Sie hatte ihre Rolle gut gespielt, das musste er ihr zugestehen, aber warum hatte er daran nicht gedacht? „Ich nehme eigentlich keine Aufträge als Begleitschutz an. „, antwortete er deshalb, sein gerade wieder erwachtes Misstrauen nicht wirklich versteckend.

Es gab einen Teil in ihm, der Daria noch nicht aufgegeben hatte, der sich weiter wie ein trotziges Kind an das Bein seiner Mutter klammerte, in seinen Gedanken festsetzte und eine abstrakte Möglichkeit sah, dass sie wirklich Verständnis für ihn hatte. Im Moment war jedoch die Vernunft zum ersten Mal wieder stärker. Sie senkte den Kopf und entzog so ihre Augen seinem Blick, die bei seiner Antwort jeglichen Glanz verloren hatten.

„So war es auch nicht gemeint. Ich habe kein Geld, mit dem ich euch bezahlen könnte. Es war mehr die Hoffnung auf einen… Gefährten. „

Die Vernunft verabschiedete sich wieder und das Gefühl, dass sie ihn verstand, wurde beinahe übermächtig. Ein einziges Mal noch meldete sich der rationale Teil seines Denkens, um ihn eindringlich zu warnen, dass es definitiv nicht seiner Gesundheit förderlich wäre, wenn er täglich mit ihr allein wäre und er seine Fantasien nicht endlich verwerfen würde, das Verlangen siegte jedoch deutlich.

„Ich begleite euch“, war das Einzige, was er noch klar formulieren konnte, bevor er sich mit all seiner Kraft darauf konzentrieren musste, mit seinen Gedanken in der Gegenwart zu bleiben. Auch wenn es sich so richtig angehört hatte, das Abgleiten in das respektvollere IHR machte es ihm ein wenig leichter, die Distanz zu wahren. Vielleicht benutze man es auch deshalb so häufig, um eben jene Aussetzer zu verhindern, die ihn immer wieder an einen anderen Ort geführt hatten.

Ihr erleichtertes und dankbares Nicken verlangte ihm genug Konzentration ab.

„Danke. Dann sehen wir uns morgen am nördlichen Dorfausgang?“ Er nickte zur Bestätigung, beinahe froh darüber, dass sie aufstand und die Taverne verließ. So hatte er wenigstens einen Moment für sich, um das eben Geschehene zu verarbeiten, auch wenn er wusste, dass ihm dies nicht auf der Reise an sich helfen würde. Egal wie sehr er versucht hatte, sich abzulenken, seine Gedanken waren immer wieder abgeglitten.

Es würde definitiv nicht leichter werden, wenn er sie begleitete, beim Gedanken daran, dass er sich wahrscheinlich sogar das Zelt mit ihr teilen würde, um die nächtliche Kälte ertragbarer zu machen, musste er sich bereits jetzt schon stark zusammenreißen.

Dennoch, er hatte ihr Angebot annehmen müssen, egal wie unvernünftig es war. Die Gelegenheit, eine Stammesführerin der Waldläuferinnen begleiten zu dürfen, würde nicht noch einmal kommen. Es war eine einmalige Chance.

Egal wie unwahrscheinlich es war, dass seine Hoffnung auf mehr als nur einen gemeinsamen Weg in Erfüllung gehen würde, diese Gelegenheit war noch unwahrscheinlicher, es wäre mehr als fahrlässig, sie einfach verstreichen zu lassen. Selbst wenn er dabei sterben würde, den Rest seines Lebens hätte er auf jeden Fall sinnvoller verbracht, als es im Moment der Fall war.

Der letzte Schluck aus seinem Bierkrug fiel schließlich diesen Gedanken zum Opfer und auch Quinn machte sich auf den Weg zu seinem Zimmer.

Für mindestens eine Woche würde es das letzte Mal sein, dass er die Gelegenheit bekam, in einem Bett zu schlafen. Die nächste Woche würde anstrengend werden. Mental und körperlich.

III.

Die Nacht war unruhig gewesen, er hatte länger als gewöhnlich gebraucht, um endlich Schlaf zu finden. Daria war zu sehr in seinen Gedanken präsent, als dass er sie hätte verdrängen können. Trotz diesen Gedanken Schlaf zu finden und sie zu akzeptieren war ihm schwer gefallen.

Nun stand er mit einem mehr schlecht als recht gepackten großen Lederrucksack, an dessen Seiten noch einige Gegenstände hingen, die nicht mehr hinein gepasst hatten und seinem Umhang am nördlichen Dorfausgang in Richtung Lanan. War das letzte, was er vom gestrigen Abend in Erinnerung behalten hatte ebenso ein Traum gewesen, wie auch einige andere Dinge? Nein, seine Vorstellungen waren stets idealisiert gewesen, die Absprache sich hier zu treffen war es nicht.

Sie würde kommen, das wusste er.

Langsam zeigten sich die ersten Lichtstrahlen am Horizont und tauchten den Weg in ein rötliches Licht. Einige Nebelschwaden über den Feldern wurden sichtbar, alles schien unter einer weichen Decke zu liegen. Er liebte Sonnenaufgänge in dieser Jahreszeit, sie hatten etwas Magisches und hinterließen einen Eindruck des Friedens.

„Guten Morgen!“, begrüßte ihn Daria, als sie am Tor ankam, „Ich hatte damit gerechnet die Erste zu sein…“ Im Gegensatz zu ihm wirkte sie ausgeruht und voller Tatendrang, ein Gefühl, was er schon vor langer Zeit aufgegeben hatte.

„Ich sehe mir gerne den Sonnenaufgang hier an… Er beruhigt die Seele. “ Dies sagte er, ohne sich ihr zuzuwenden, er blieb einfach mit dem Blick in Richtung Horizont stehen. Erst als sie ihn leicht am Arm streifte, wandte er sich um.

Sie hatte ihren Bogen am Rücken festgeschnallt, so dass er über ihrem Rucksack hing, der wie seiner deutlich überfüllt schien. Sie trug eine grob gearbeitete Stoffhose, den Umständen einer längeren Reise angemessen.

Röcke oder Kleider waren in ihrem Volk unüblich, da sie in der Wildnis nur hinderlich waren. Über das dunkelgrüne Oberteil vom Vortag hatte sie eine Jacke aus Tierleder zum Schutz vor der Kälte gezogen, an ihrer rechten Seite ließ sich ein gut gefüllter Köcher am Gürtel vermuten.

„Wir sollten uns auf den Weg machen, es ist weit bis Lanan“, sagte er schließlich und erntete ein zustimmendes Nicken. „Stimmt, aber deshalb macht es auch keinen großen Unterschied, ob wir etwas schneller oder langsamer voran kommen.

Wir werden die nächsten Nächte sowieso im Wald verbringen müssen, ein Tag mehr oder weniger ist letztendlich egal. „

Dabei starteten sie dennoch ihre Reise, auf dem Weg würde es mehr als genug Zeit zum Reden geben. Quinn war froh, sich durch das Laufen ein wenig ablenken zu können und so liefen sie die erste Stunde schweigend nebeneinander her und genossen die Stille des Morgens.

Wenn man pünktlich mit der Sonne aufbrach, hatte man den Vorteil nicht auf zu viele Bauern oder andere Leute zu treffen, die dem mehr oder weniger geschäftigen Dorfleben nachgingen.

Je weniger Leute er traf, desto weniger misstrauische Fragen nach seinem Beruf musste er beantworten und die wären in Begleitung einer Waldläuferin bestimmt nicht weniger geworden. Er hatte sich noch nie mit einem geregelten bürgerlichen Leben abfinden können, er liebte die Einsamkeit und deren Stille.

Es war lange her, seit er auf seinen Reisen eine Begleiterin gehabt hatte. Sah man von seiner Zeit in der Söldnerkompanie ab, war dies eigentlich nur einmal vorgekommen, doch er hatte sie nur für zwei Tage in die nächste Stadt begleitet.

Sie war damals mehr als doppelt so alt wie er gewesen und ihre Gespräche hatten sich auf eine rein rationale Basis beschränkt.

Daria war anders, er hatte ihr an einem Abend mehr erzählt, als Anderen über einige Monate hinweg. Es hatte Wochen gedauert, bis er zu seinen Kameraden in der Kompanie genug Vertrauen geschöpft hatte, um ihnen die Geschichte seiner Herkunft zu erzählen, sie hingegen hatte es geschafft, dieses Vertrauen an einem einzigen Abend zu gewinnen.

Das Merkwürdige daran war, dass er sich nicht schlecht fühlte, er bereute kein Stück seiner Erzählung. Er fühlte, dass sie würdig war, dies alles zu erfahren. Ihre Nähe tat ihm gut, sie vertrieb das Gefühl der Einsamkeit, welches ihn immer auf Reisen dieser Art umfing. Sie musste nichts tun, außer einfach da sein, das war genug, um sich geborgen zu fühlen.

Eine weitere Stunde verstrich, ohne dass einer von ihnen die Stille zerstörte.

Schließlich trafen sie auf die erste fremde Person, bis hierhin war alles menschenleer gewesen. Es war ein Händler mit einem großen Wagen, sodass sie vom Weg herunter mussten, um ihm auszuweichen. Er nickte ihnen freundlich zu und trieb seine beiden Zugpferde an, sich nicht bewusst, dass er die Stille nachhaltig zerstört hatte.

Als sie wieder auf den Weg zurückkehrten fühlte er sich unbehaglich, das Schweigen war nicht mehr beruhigend sondern bedrohlich.

Einen Moment dachte er über ein passendes Gesprächsthema nach, bis er sich schließlich für das Unverfänglichste von allen entschied.

„Warum wollt ihr nach Lanan?“, fragte er, sich erst im Nachhinein bewusst werdend, dass er sie schon wieder förmlich ansprach und sie sich definitiv wieder darüber lustig machen würde. Es bot aber immerhin einen lockeren Anfang.

Ihr kurzes Lachen bestätigte dies und mit einer hellen und wundervoll offenen Stimme antworte sie: „Ich habe doch schon gestern erklärt, dass ich diese Respektsbekundungen überflüssig finde.

Gewöhn es dir mir gegenüber gar nicht an, in Ordnung?

Zur Frage, was ich in Lanan will: Ich habe herausgefunden, dass dort wahrscheinlich ein Bruder von mir, ein Sohn meiner leiblichen Eltern, wohnt. Ich habe ihn noch nie gesehen, von daher könnte die Suche schwierig werden, aber ich habe niemanden mehr. Die Suche nach meiner echten Familie gibt mir so etwas wie eine Aufgabe. Wie sieht es mit dir aus? Was hat dich hierher geführt?“

„Ein Auftrag.

„, antwortete er knapp, dies war eigentlich eins der Themen gewesen, die er vermeiden wollte. Ein kurzer Blick von ihr zeigte jedoch, dass sie mit seiner Antwort nicht zufrieden war. Er seufzte, sie würde in der nächsten Zeit wahrscheinlich so wie so mehr erfahren, als ihm lieb war, dann konnte er auch sofort damit anfangen.

„Die Aufträge, die ich annehme, sind nicht gerade das, was man als ruhmreich bezeichnen würde.

Glaubst du an das Schicksal? Ich habe es lange Zeit verleugnet, doch die Zeit hat mich eines Besseren belehrt. “ „Das Schicksal ist das, was man selbst verursacht hat. Nichts ist vorherbestimmt, alles unterliegt dem eigenen Willen“, antwortete sie mit fester Stimme. Sie klang überzeugt, jedoch unsicher, was seine Erklärung bereithalten würde.

Eine Zeit lang schwieg er und fuhr schließlich mit einem Nicken fort. „Der Meinung war ich auch lange.

Aber zurück zu meinem ehemaligen Auftrag. Ich bekam die Aufgabe, den Sohn eines Händlers zu … überzeugen, sich dem Geschäft seines Vaters anzuschließen und das Dorfleben aufzugeben. Er bezahlte gut, also machte ich mich auf den Weg hierher.

Der Sohn war mittlerweile verlobt … mit einer Bauerstochter und dachte nicht daran zurückzukehren. Ich versuchte ihn zu überreden, hatte jedoch keinen Erfolg. Stattdessen überredete der Sohn mich, seinem Vater glaubhaft zu versichern, er sei tot.

Er würde mir nichts zahlen können, da er nichts außer seinem kleinen Hof besitze, aber ich hätte ja das Geld von seinem Vater.

Ihre Liebe war … echt, natürlich. Ich konnte sie nicht zerstören. Ich machte mich also wieder auf den Weg in die Stadt. Zwei Stunden vor dem Stadttor wurde ich Zeuge eines Raubüberfalls, von der Sorte wie sie zu hunderten auf der Straße vorkommen. Es waren zwei Räuber, die einen Händlerkarren überfielen, brutal und effektiv.

Ich weiß nicht warum, aber ich stand einfach daneben und tat nichts, obwohl ich die Möglichkeit gehabt hätte einzugreifen.

Die Räuber flüchteten als, sie mich sahen, nicht ohne vorher jedoch den zughörigen Händler zu töten und die wertvollsten Waren mitzunehmen. Dieser Händler war der Vater, von dem ich den Auftrag bekommen hatte, seinen Sohn zu ihm zu bringen. Ich wollte ihn über den Tod seines Sohnes anlügen und nun war er selber tot.

Ob er ein guter Vater war, der eigentlich nur seinem Sohn ein gutes Leben bescheren wollte weiß ich nicht, genauso wenig warum er alleine vor der Stadt unterwegs war. Das Einzige, das mir noch übrig blieb, war wieder in das Dorf des Sohnes zurückzukehren und ihm von dem Schicksal seines Vaters zu erzählen.
War es Schicksal? Ich habe mich an den Gütern eines Toten bereichert, denn der Sohn bestand darauf, dass ich einen Teil des ehemaligen Besitzes seines Vaters behalte.

Ich hätte ihm schließlich ein freies Leben geschenkt. Wahrscheinlich hält er mich für den Mörder seines Vaters und hat mich dafür bezahlt und ich unternahm nichts um diesem Eindruck entgegen zu wirken.

Ein ausgelöschtes Leben für das Glück von zwei anderen. Ist das Gerechtigkeit?“

„Nein. „, beschied sie, ihre Stimme hatte jedoch einen traurigen Unterton und er verfluchte sich bereits dafür, ihr dies erzählt zu haben. Es war genug, wenn er mit diesen Problemen zu kämpfen hatte, sie hatte mit all dem nichts zu tun.

Sie wünschte sich bestimmt einen Gefährten, der sie glücklich machte, der ihr die Freude des Lebens zeigen konnte, ihr das geben konnte, was ihr gebührte. Er hingegen tat nichts weiter als Geschichten aus seinem ohnehin bereits verwirkten Leben zu erzählen. Das Einzige, wozu er im Moment die Möglichkeit hatte, war sie zum Lächeln zu bringen, ihre Reise erträglich zu machen. Sein erster Versuch war gründlich misslungen.

„Nein, es ist nicht gerecht.

Es ist aber der Lauf des Lebens, den sich der tote Händler ausgesucht hat, ob nun freiwillig oder nicht. Wir können Vergangenes nicht rückgängig machen. Du musst nur vor dir selbst Rechenschaft ablegen, der Tod des Händlers wurde nicht durch deine Hand verursacht. Gerechtigkeit existiert nur dort, wo wir sie uns wünschen und alles Andere vergessen. „

Sie sah ihn mit einem müden Lächeln an. Ohne dass er etwas getan hätte, verschwand jedoch der müde Unterton und wurde zu einem fröhlichen.

„Akzeptiere die Gegenwart wie sie ist und sieh das Schöne in ihr, die Vergangenheit sollte auch vergangen bleiben. „

Ihr Selbstvertrauen war bewundernswert. Sie hatte davon gesprochen beinahe jeden verloren zu haben, schaffte es aber dennoch dem vor ihr liegenden mit Hoffnung entgegen zu treten. Diese Kraft hätte er auch gerne gehabt, doch im Gegensatz zu ihr brachte er es nicht fertig, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Sie verfolgte ihn Tag und Nacht, bei Gelegenheit würde er sie vielleicht fragen, woher sie ihre Selbstsicherheit nahm.

Für den Moment aber war es wahrscheinlich besser das Thema auf sich beruhen zu lassen.

Ihm fiel ein, dass er immer noch nicht viel Genaueres über Darias Vergangenheit wusste, außer dass sie ebenso wie er viel getötete hatte und das sie nun auf der Suche nach ihrem Bruder war. Er musste sich jedoch eingestehen, dass es nicht ihre Schuld war, dass er so wenig wusste, am Vorabend hatte sein Verstand einige Aussetzer gehabt.

Auch er hatte ein wichtiges Detail ausgelassen, als er ihr seine Vergangenheit erzählt hatte, obwohl sie allein dadurch, dass er auf einer Akademie den Beruf des Heilers gelernt hatte eventuell eine Ahnung habe könnte. Er würde es ihr nicht auf die Nase binden, es war im Laufe der Reise aber vermutlich unvermeidlich, dass sie davon erfuhr. Früher oder später würde es notwendig werden.

Bei dem Gedanken daran, wie sie wohl die erste Nacht verbringen würden begann sein Herz ein wenig schneller zu schlagen, obwohl seine Hoffnungen unbegründet waren.

Wahrscheinlich würde jeweils einer Wache halten, während der andere im Zelt schlief, dies wäre das Sicherste für beide und würde einen ruhigen Nachtschlaf bedeuten. Jedenfalls für sie, ob er würde schlafen können, wusste er nicht.

Wie lange es wohl dauern würde, bis sie in Lanan eintrafen? Sofern sie weiter den Weg zu Fuß bestreiten wollten, würden mehrere Wochen ins Land ziehen, bevor sie ihr Ziel erreichten. Er hatte schon früher lange Reisen unternommen, im Prinzip war sein ganzes Leben nach dem Akademieabschluss eine einzige Reise, dabei war er jedoch entweder in Begleitung der Söldnerkompanie gewesen oder war immer mal wieder für ein paar Tage bis hin zu einigen Wochen an einem Ort geblieben, sofern es dort genug Möglichkeiten gab, um Geld zu verdienen.

Die Sonne war beinahe am Zenit angekommen und durch den anstrengenden Marsch begann sich langsam ein Hungergefühl in ihm auszubreiten, es war so wie so Zeit für eine Pause. Wenn sie ununterbrochen ohne angemessene Pausen laufen würden, könnten sie spätestens nach einer Woche keinen Schritt mehr laufen, also hielt er nach einer Stelle Ausschau, an der sie für die Zeit der Rast von der Straße nicht zu sehen waren. Aus seiner Erfahrung wusste er, dass es nie praktisch war, während seines Mittagsmahles einen Händler oder ähnliches zu treffen, diese Leute hielten einen nur auf und sorgten allenfalls dafür, dass man ihnen etwas abkaufte um sie wieder loszuwerden.

Ein Stück entfernt lief ein kleiner Fluss entlang, der von einer kleinen Baumgruppe umgeben war, das musste reichen, außerdem war die Möglichkeit auf frisches Wasser immer ein Vorteil. Mit einem Arm deutete er in die Richtung, bevor er etwas sagen konnte nickte Daria und lenkte ihre Schritt herunter vom Weg zu der Baumgruppe.

„Wie ich sehe bist du es gewohnt, einen Marsch wie diesen zu absolvieren.

Eine kleine Pause sollte helfen, dass wir unser Tempo auch in den nächsten Tagen halten können. “ Ihre Stimme bekam einen spöttischen Unterton. „Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass du mit mir mithältst. Ich bin es gewohnt lange Strecken zu laufen, die meisten machen nach zwei oder drei Stunden schlapp, aber du scheinst beinahe als wären wir gerade eben erst aufgebrochen. “

„Ich bin mehrere Jahre in kompletter Rüstung marschiert und habe zusätzlich zu meiner eigenen Ausrüstung noch einen Teil des Truppenbesitzes tragen müssen.

Über die Zeit bekommt man eine gewisse Disziplin anerzogen…“ Dass sein wirklich außergewöhnlich leichtfüßiger Gang noch andere Gründe hatte, verschwieg er.

Ebenso wie sie hatte er damit gerechnet, dass sie deutlich schneller und ausdauernder wäre wie sie, jedoch aufgrund der Annahme, sie hätte nicht viel Gepäck außer ihrem Bogen und einem kleinen Rucksack, der jedoch zu seinem Erstaunen dieselbe Größe hatte wie seiner. Seine Annahme war jedoch noch auf der Basis von Erinnerungen getroffen worden und er sah ein, dass es unmöglich war, eine längere Reise ohne die nötige Ausrüstung anzutreten.

Deshalb hatte er auch am Morgen noch einige Vorbereitungen getroffen, es hatte sich jedoch herausgestellt, dass sie größtenteils unnötig gewesen waren und nun war er dementsprechend ausgeruht.

Mit einem herausfordernden Lächeln blickte er sie an, während sie sich nach einer provisorischen Sitzmöglichkeit am Flussbett umsahen. Nein, er würde ihr nicht den wahren Grund seiner Leichtfüßigkeit verraten, sie würde es früh genug erfahren, außerdem tat es gut, dass auch er gegen sie eine Art Trumpf hatte, gegen ihn reichte schon ihre bloße Anwesenheit.

Immerhin hatte er es geschafft, bisher nicht zu abgelenkt allzu wirken.

Schließlich hatte sie einen größeren trockenen Stein gefunden, der Zugang zum Wasser bot. Trotz allem erleichtert, wenigstens für einen Moment die Last seines Rucksacks loszuwerden, ließ er sich darauf sinken und kramte in einer der vorderen Taschen nach ein wenig Brot und einem Becher, mit dem man Wasser aus dem Fluss holen konnte. Der Wasserschlauch war noch voll und blieb am besten so, solange sie die Möglichkeit hatten, Wasser aus einem Fluss zu holen.

Als er den Becher gefunden hatte stieg er hinunter zum Wasser, direkt hinter Daria, sodass er die Möglichkeit hatte jede ihrer Bewegungen genau zu studieren. Egal wie sehr er sich anstrengte, sie schien seinen Blick wie ein Magnet anzuziehen und er schaffte es nicht, seinen Blick von ihr zu lösen, auch nicht, als er sich schließlich bückte, um ein wenig Wasser aus dem Fluss zu schöpfen.

Ob es nun Glück war oder nicht, jedenfalls sah er so, dass sie auf einem glatten Stein ausrutschte, als sie sich gerade wieder aufrichten wollte.

Geistesgegenwärtig hielt er sie mit seiner linken Hand, in der er keinen Becher hielt am Oberarm fest, schaffte es jedoch nicht mehr ihren Fall zu bremsen und wurde selbst mit umgerissen, da auch er nur auf einem kleinen Kiesstück stand, welches keinen sonderlich guten Halt bot. Er selbst konnte sich abfangen, sie sich jedoch nicht mehr, da er ja einen Arm von ihr festgehalten hatte.

In ihr Gesicht trat ein schmerzverzerrter Ausdruck, als sie sich auf ihrer rechten Hand abstützte um aufzustehen und sie strafte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick.

„Einer Frau in Not hilft man auf, oder lernt man so etwas auf der Akademie nicht?“ Sie versuchte hörbar anklagend zu klingen, konnte einen leicht belustigten Unterton jedoch nicht verbergen. „Wenn es für eine Belehrung reicht, kann die Frau nicht zu sehr in Not sein…“, entgegnete er im selben Tonfall, zog sie jedoch gehorsam auf die Beine, als er aufgestanden war. Dabei versuchte sie sich erneut auf ihrer Hand abzustützen, unterließ es aber sofort, als es sichtlich schmerzte.

„Was ist mit der Hand? Lass mich das am Ufer bitte einmal genauer ansehen. “ Bei den meisten Menschen, hätte er wahrscheinlich nicht so besorgt reagiert, sie war eben auf die Hand gefallen, da war es ganz natürlich, dass sie ein wenig schmerzte und in ein bis zwei Stunden würde sich das wahrscheinlich wieder gelegt haben. Bei ihr fühlte er sich jedoch irgendwie verantwortlich. Eine einigermaßen rationale Erklärung dafür war vielleicht, dass er es nicht geschafft hatte, sie aufzufangen, er wusste jedoch, dass seine Fürsorge andere Gründe hatte.

„Ist nicht schlimm“ , winkte sie ab und ging die paar wenigen Schritte zu ihrem Rastplatz. Auch wenn er sich damit nicht zufrieden geben wollte, schwieg er für den Moment und folgte ihr, nicht dass sie ebenfalls bemerkte, dass seine Fürsorge nicht nur rein rationalen Ursprungs war.

Eine Zeit lang saßen sie schweigend nebeneinander und aßen ihre jeweilige Essensration. Sie ärgerte sich offensichtlich über sich selbst, dass sie sich so unvorsichtig angestellt hatte und schien das Brot in ihrer Hand beinahe mit Blicken töten wollen.

Ihm fiel auf, dass sie zum Essen ausschließlich die linke Hand benutzte, es schmerzte demnach mehr, als sie zugab.

Nachdem er mit seiner Portion fertig war, starte er einen neuen Versuch, wieder ein lockeres Gespräch in Gang zu bringen, wurde jedoch bei dem ersten Laut, der aus seinem Mund kam unterbrochen. „Ich habe mich angestellt wie ein kleines Mädchen, so etwas ist mir seit meiner Kindheit nicht mehr passiert!“ „Und deshalb will ich mir auch deine Hand einmal kurz ansehen.

Ich kenne mich damit aus und will ebenso wie du nicht, dass es dir Unannehmlichkeiten bereitet. „

„Ich will aber nicht, dass ich irgendeinen Verband oder Ähnliches angelegt bekomme, ich bin Verletzungen gewohnt, deutlich schlimmere als ein schmerzendes Handgelenk. Außerdem habe ich dich nicht gebeten mitzukommen, damit du dich um jede kleine Wunde kümmern musst. “ Bei ihren Worten musste er beinahe lachen, sie klang wie ein trotziges Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte.

„Bitte“, versuchte er möglichst ernst zu bleiben, scheiterte dabei jedoch.

Zum Glück stimmte sie nun doch mit einem ergebenen Nicken zu, ansonsten hätte er nicht mehr gewusst, wie er ihr verständlich machen konnte, dass er sich um sie sorgte. Er legte vorsichtig eine Hand auf ihren rechten Unterarm und zog ihn so zu sich, dass ihre Hand knapp über seinem Knie zum liegen kam. Vorsichtig strich er mit seinen Fingern über ihr Handgelenk, dabei bemerkte er, dass es leicht angeschwollen war.

Als er auf der Rückseite über den Knochen strich, zuckte sie kurz zusammen.

Sie sah ihn mit einem fragenden Blick an, er ließ sich jedoch nicht beirren und tastete leicht den Bereich darum ab, es schien jedoch längst nicht so schmerzhaft zu sein. Ein leichter Seufzer verließ seine Kehle, das vergessene Detail bei seiner Erzählung kam schneller zum Einsatz, als er gehofft hatte. Er konnte nicht beurteilen, ob der Knochen wirklich gebrochen war, dafür war eine weitergehender Untersuchung vonnöten, es handelte sich dennoch ohne Frage um eine Verletzung an diesem oder einem der zentralen Muskel, welche in den nächsten Tagen nicht ohne Schmerzen bleiben würde.

„Mach die Augen zu. „, sagte er ruhig und blickte ihr fest in die Augen. „Warum?“ Sie verstand offensichtlich nicht, woher auch? Er unterband einen halbherzigen Versuch, ihren Arm wegzuziehen und ließ seinen Blick auf ihr ruhen. „Tu es einfach, Fragen kannst du danach stellen. “ Sie sah ihn weiter verständnislos an und schien nicht gewillt, sich ihm einfach so auszuliefern. Sein Blick wurde flehend und seine Stimme bekam einen leicht verzweifelten Unterton: „Ich will dir wirklich nichts Böses, dafür hätte schon viel bessere Gelegenheiten gehabt.

Bitte vertrau mir. „

Wieder hatte er Glück, dass sie seiner Aufforderung schließlich doch nachkam, auch wenn er noch nicht genau wusste, wie er es nachher erklären sollte. Trotzdem zufrieden begann er mit der Arbeit.

Vorsichtig umschloss er mit beiden Händen die verletzte Stelle und suchte ihren Puls. Er machte ihren Rhythmus zu seinem, ließ sich vollständig auf den Fluss ihres Lebens ein. Er fühlte das Blut in ihren Adern, wie es durch die Venen gepumpt wurde, verfolgte dessen Verlauf, bis er die verletzte Stelle auf diesem Weg gefunden hatte.

Uralte Worte kamen über seine Zunge, Worte der Wahrheit und der Magie. Sie waren der Ursprung allen Lebens, sie waren der Kern dieser Welt. Er spürte, wie das Pulsieren in ihren Adern stärker wurde, er übertrug die Kraft des Lebens in ihren Körper. Zielgerichtet schien vor seinen Augen ein Lichtstrom aus purer Energie die gebrochene Stelle zu umschließen, sammelte sich dort und begann nun selbst im Rhythmus ihres Herzschlages zu pulsieren.

Als das Licht wieder schwächer wurde enthüllte es eine vollkommen gesunde Stelle, langsam verschwand das Licht und ihr Puls nahm wieder ein normales Maß an. Vorsichtig zog er seine Gedanken zurück und überließ die geheilte Hand wieder ihrer Kontrolle. Langsam löste er seinen Griff und entspannte sich. Eine gebrochene Hand zu heilen war nichts außergewöhnlich Schwieriges, doch egal was er tat verlangte es dennoch ein hohes Maß an Konzentration.

Nun wusste Daria ohne Frage, dass er kein gewöhnlicher Heiler war, sondern einer mit magischen Fähigkeiten.

Magier waren in den meisten Teilen dieser Welt selten und ihnen gegenüber wurde ein großes Maß an Misstrauen entgegen gebracht, da diejenigen, die im gemeinen Volk bekannt waren, über überaus mächtige Kräfte verfügten. Dennoch wusste er, dass er das Richtige getan hatte, eine gebrochene Hand, wie er nun gesehen hatte, hätte ihr zweifelsohne über Wochen Probleme bereitet. Gespannt auf ihre Reaktion legte er ihre Hand wieder auf ihren Schoß zurück, als Zeichen, dass er fertig war.

„Sie sollte nun wieder zu gebrauchen sein“, sagte er, als er sich langsam zurückzog. „Du solltest sie trotzdem vorerst nicht zu sehr belasten, dein Körper muss sich erst daran gewöhnen. “ Vorsichtig öffnete sie ihre Augen, in ihnen lag wieder ein besonderer Glanz, der sie zu etwas ganz Besonderem machte.

„Schon gut, es ist nicht das erste Mal…“ Seine Überraschung war ihm wohl ins Gesicht geschrieben, denn sie fügte hinzu: „Ein einziges Mal… Damals wäre ich jedoch beinahe gestorben.

Nur durch die Hilfe der Magie habe ich überlebt, du brauchst dir keine Sorgen machen, ich würde dir nun nur noch mit Misstrauen begegnen. Auch wenn ich nicht damit gerechnet hätte, jemals wieder einem Magier zu begegnen, der sich nicht nur der Beeinflussung oder dem Töten verschrieben hat, sondern der Heilkunst. Warum hast du es die ganze Zeit über verschwiegen?“

Ein verlegenes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, er hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass sie so ruhig regieren würde.

„Vertrauen ist nicht unbedingt die erste Eigenschaft, die Magiern entgegen gebracht wird. Ich habe gelernt, meine Gabe solange geheim zu halten wie möglich, es hat sich schon oft als klug herausgestellt. “ Vor allem hatte er nicht gewollt, dass sie ihn wie alle anderen auch als Erstes als gefährlich und schlecht ansah. Er hatte es verschwiegen, weil er ihr Vertrauen, nicht einfach verschwinden sehen wollte, er wollte sie nicht verlieren. Dies blieb jedoch unausgesprochen.

Mit einem verständnisvollen Blick sah sie ihn an, dies war genau der Ausdruck, den er unter keinen Umständen aufs Spiel setzen wollte. „Ich muss zugeben, dass du deine Rolle gut gespielt hast, auch wenn so natürlich erst die lange Ausbildung Sinn ergibt. Früher oder später hätte ich es herausgefunden, aber ich verstehe deine Beweggründe…“

Ihre Stimme war unglaublich sanft, immer wieder schaffte sie es, ihm Wärme zu schenken.

Beinahe hätte er sie geküsst, formte seine Lippen dann aber noch rechtzeitig zu einem „Danke“. Lange Zeit war er ziellos gewesen, sie gab ihm wieder eines. Er wollte sie an sich drücken, ihre Nähe spüren und gehalten werden, ihren Duft einatmen können, in der Gewissheit, dass er geborgen war.

Es wirkte wie eine Droge, die ihn alles um sich herum vergessen und nur noch Platz für sie ließ. Für ihr Vertrauen, ihr Verständnis und nicht zuletzt ihre fast magische Anziehungskraft.

Während er sie geheilt hatte, hatte er sie spüren können, so intensiv wie eine Geliebte, wenn auch auf eine andere Art.

Der Vorgang des Heilens auf magische Weise funktionierte über den Grundsatz des Lebens, die Verbindung zwischen allen Lebewesen. Der Zauber verstärkte diese Verbindung zwischen zwei Individuen und ließ die Kraft des einen in den anderen übergehen. Das Gefühl der Nähe war etwas Besonderes, es war jedoch schwer, aus diesem immer wieder herausgerissen zu werden, mit der Gewissheit, diesem Menschen wahrscheinlich nie mehr wieder so nahe sein zu dürfen.

Auf dieselbe Art und Weise hatte er sie gespürt, ihr Pulsschlag hallte noch immer in ihm nach, wie ein Ton, der niemals vergeht. Der Vorgang des Heilens hinterließ etwas, das die Meisten wahrscheinlich als Sehnsucht, vielleicht auch Wahnsinn bezeichnen würden. Er selbst hatte kein Wort dafür, er kannte nichts, was seinen Zustand angemessen beschrieben hätte. Mit jedem Mal schien es schlimmer zu werden. Diesmal, als er Daria geheilt hatte, füllte es beinahe sein ganzes Wesen aus, Schmerz, die Sehnsucht nach Liebe und Leidenschaft begleiteten jeden seiner Schritte.

Ein einziges Mal wollte er sie an sich spüren, nur um für einen Moment dieses Gefühl vergessen zu können. Sie vollkommen spüren zu können, ihre Nähe erfahren zu dürfen schien wie der Himmel. In seiner Sehnsucht konnte er sie beinahe so sehen, wie sie sich an ihn schmiegte, ihre weichen Lippen auf seinen, für alle Zeiten eine Verbindung schmiedend. Ihre Brust, die sich an seine presste und die Augen, die mit einer klaren Botschaft auf ihn gerichtet waren: „Ich will dich!“

Im Traum fuhr er mit seinen Händen über ihren kräftigen Rücken, fühlte nach jedem einzelnen Muskel und Knochen, der sich dort befand, bis er langsam seine Hände tiefer wandern ließ.

Vorsichtig tastete er nach ihren Hüftknochen und fuhr ihre Kontur nach. Seine linke Hand streifte ihre Bauchdecke, die sich in einem ungleichmäßigen Rhythmus bewegte.

Die Berührung hinterließ eine weitere Ahnung ihres trainierten Körpers und der ausgebildeten Muskeln, der Takt ihrer Atmung jedoch schien ein klein wenig schneller zu werden, als seine rechte Hand über ihren Oberschenkel streichelte. Immer noch hielten sie den Kuss aufrecht, nichts hätte sie in diesem Moment trennen können.

Seine Hände wanderten wieder ein wenig höher, stoppten kurz vor dem Ansatz ihres Gewands, um dessen Kante ausmachen zu können. Behutsam hob er es ein klein wenig an, um Platz für seine Hand zu haben, die er nun darunter wieder an ihrem Rücken entlang nach oben wandern ließ.

Als er an ihrem Nacken angekommen war, fuhr er mit den Fingern über ihre Schultern wieder nach unten, bis er ihren Brustansatz berührte.

Ihre Brüste lagen vollkommen frei, er hätte nun einfach seine so lange angestauten Begierden befriedigen können, wie er es sonst auch immer getan hatte. Doch diesmal war es anders, er beließ es bei der Möglichkeit, sie zu berühren und strich mit seinen Handflächen wieder über die Schultern zu ihrem Nacken.
Ein durch den nicht enden wollenden Kuss unterdrücktes, kurzes enttäuschtes Schnauben war zu hören, worauf seine Augen für einen noch kürzeren Moment aufblitzten.

Er hatte lange auf diesen Moment warten müssen, nun musste sie ebenfalls warten, jedenfalls noch ein wenig. Er wusste, dass sie seine Erregung spürte, welche überdeutlich an sie gepresst war, doch sie dachte nicht daran, ihren Griff zu lockern. Mit jedem Atemzug rieb sie sich ein klein wenig daran, sodass seine Erwartung unerträglich zu werden schien.

An seiner Brust spürte er ihre mit zwei mittlerweile deutlich aufgerichteten Knospen. Wie zwei ungeschliffene Diamanten schmiegten sie sich an ihn, ein unschätzbarer Wert, der für die Meisten nicht erkennbar war.

Für ihn hingegen waren sie der Beweis für einen niemals zu erfüllenden Traum.

All dies schien beinahe unmöglich. Allein der Umstand, dass er sie begleiten durfte grenzte an ein Wunder, er sollte seine Möglichkeiten nicht überstrapazieren. Für sie war er ein Gefährte, nicht und nicht weniger. Wie lange würde es wohl dauern, bis er sich endlich damit abfinden würde?

*****

„Wir sollten uns wieder auf den Weg machen, wenn wir bis zum Sonnenuntergang noch ein paar Meilen schaffen wollen.

“ Er hatte das Gefühl, dass sie dies beinahe bedauerte, als ob sie hier den Rest des Tages bleiben wollte. Er hatte Zeit, es gab niemanden, der auf ihn wartete, aber sie wollte ihren Bruder suchen. Wahrscheinlich war es nur Einbildung gewesen.

Langsam hob er seinen Rucksack wieder vom Boden auf und zog ihn über die Schulter. Sie tat es ihm gleich und war nun ebenfalls bereit, den Weg fortzusetzen.

Nach ein paar Schritten drehte er sich nach ihr um, weil er keine Geräusche hinter sich gehört hatte. Mit einem verlorenen Blick starrte sie zum Himmel, etwas Unsichtbares beobachtend. Sie musste gespürt haben, dass er sie fragend angesehen hatte, ruckartig löste sie ihren Blick und folgte ihm. Fast hätte er sie gefragt, woran sie gedacht hatte, unterließ es dann aber. Seine neue Position auszunutzen war das Letzte, was ihm in den Sinn gekommen wäre.

Sie war dankbar, dass er sie geheilt hatte, mehr war nicht zu erwarten gewesen und das war alles, was er sich hatte erhoffen dürfen.

Wieder breitete sich ein Schweigen während ihres Weges zwischen ihnen aus, aber es war ein angenehmes Schweigen, eines von der Sorte, in dem die bloße Anwesenheit des Anderen vollkommen ausreicht. Auch wenn sie noch nicht einmal einen Tag lang zusammen reisten, sie kannten sich noch nicht einmal einen ganzen Sonnenzyklus, war ihm ihre Gesellschaft überaus angenehm.

Es war ganz anders als auf den vielen Reisen, auf denen er alleine unterwegs war. Sie als Gefährtin zu haben gab ihm Sicherheit.

Um diese Tageszeit trafen sie ein paar mehr Händler und andere Reisende, als noch am Morgen, doch es blieb stets bei einem freundlichen Nicken, bevor man einander passiert hatte. Jeder wollte bis zum Sonnenuntergang noch eine möglichst große Wegstrecke zurücklegen, es gab nur wenige, die sich ebenso wie sie auf einer größeren Reise befanden und nur mit einem Rucksack der all ihren Besitz beinhaltete unterwegs waren.

Die meisten waren Händler mit ihrem Begleitschutz oder größere Gruppen Reisender mit einem Wagen.

Mit der Zeit waren einige kleinere Wolken aufgezogen, die immer öfter die sich dem Horizont nähernde Sonne verdeckten. Unzählige Schatten huschten über den Boden, jedes Tier hinterließ ein riesenhaftes Abbild, welches in dem abgedeckten Licht der untergehenden Sonne beinahe echt wirkte. Ohne große Eile begann er sich nach einem Lagerplatz für die Nacht umzusehen, er war erfahren genug, auch im Dunkeln eine geeignete Stelle zu finden.

Bevor er jedoch etwas Vielversprechendes entdeckt hatte, bog Daria vor ihm vom Weg ab in eine Richtung, die nichts außer einer großen Wiese zu bieten schien. Ihre Schritte waren zielgerichtet und sie hielt ihr konstantes Tempo, also folgte er ihr ohne sie nach dem Grund zu fragen. Trotz allem war sie die Führerin auf dieser Reise, sie würde wissen, was sie tat.

Etwa zehn Minuten liefen sie durch das hohe Gras und er musste aufpassen, nicht mit dem Fuß eine Tierhöhle oder Ähnliches zu erwischen, ansonsten erwies sich die Wiese jedoch als einigermaßen trittfest.

Daria folgte unbeirrt weiter dem unsichtbaren Weg, bis sie schließlich überraschend anhielt.

Vor ihnen befand sich eine Art Mulde, die etwa 30 Schritte im Durchmesser maß. In ihrer Mitte war sie wohl zwischen ein und zwei Mannshöhen tief. Über die gleichmäßige Wiese war sie nicht zu erkennen, bis man sich direkt davor befand, der ideale Lagerplatz. Er sah sie mit einem anerkennenden Blick an, konnte sich jedoch nicht erklären, wie sie diese Stelle hatte finden können.

Sie erwiderte seinen Blick mit einem wissenden Lächeln und setzte den kurzen noch verbliebenen Weg bis in die Mitte der Mulde fort, wo sie schließlich anhielt und ihren Rucksack absetzte. „Ich war in diesem Gebiet cvor ein paar Jahren schon einmal, Orte wie diesen hier merke ich mir“, erklärte sie schließlich, da er sie weiterhin fragend angesehen hatte. Auch er ließ seinen Rucksack von den Schultern gleiten und begann damit, seinen Schlafsack vom Rucksack zu lösen.

„Wie kannst du einen Ort, den du vor Jahren einmal gesehen hast, so genau in Erinnerung behalten? Mir gelingt dies bereits schon nicht mehr an Plätzen, die ich vor wenigen Monaten oder Wochen gesehen habe. “ Sie schmunzelte leicht und begann ebenfalls damit, ihre Ausrüstung vom Rucksack zu lösen. „Kann ich nicht, es gibt hier mehr als eine dieser Mulden…“

„Das heißt, es war reiner Zufall, dass du so genau auf eine von ihnen zugesteuert hast?“, fragte er nun doch etwas ungläubig.

An ihrem Gesichtsausdruck sah er, dass seine Frage eigentlich mit einem „Ja“ hätte beantwortet müssen, aber er konnte ihr Schweigen nachvollziehen. Sie sah aus wie ein bei einer Dummheit ertapptes Kind, welches nun versuchte zu beteuern, dass es nicht wusste, was es angerichtet hatte.

Es war einer dieser Reaktionen, die er an ihr mochte. Sie war natürlich und ehrlich, zugleich aber verlieh es ihr Menschlichkeit und ein klein bisschen von dem, was ihm teilweise wie das verlorene Spiegelbild seiner selbst vorkam.

Sie hatte schreckliche Dinge erleben müssen, im Gegensatz zu ihm hatte sie es jedoch geschafft, die Traurigkeit und die Melancholie soweit zu verdrängen oder zu akzeptieren, dass sie das Geschenk des Lebens weiter zu schätzen wusste.

„Müssen wir hier Wache halten?“, fragte er, um ihr ein wenig aus der etwas unbequemen Situation herauszuhelfen. Er freute sich, dass sie ihm nicht so weit überlegen war, wie er zuerst angenommen hatte, wollte sie jedoch nicht in Bedrängnis bringen.

Sein kleiner Erfolg war gut, noch wichtiger war es jedoch, ihre Verbindung weiter zu stärken. Egal wie unwahrscheinlich es war, noch hatte er die Hoffnung nicht aufgegeben.

„Es wäre wahrscheinlich besser. Auch wenn dieser Platz relativ versteckt liegt, ich will nicht schon in der ersten Nacht nur noch mit dem aufwachen, was ich am Leib trage oder von dem hungrigen Knurren eines Wolfes geweckt werden. “ „In Ordnung, dann reicht es, wenn wir einen Schlafplatz aufbauen.

“ Wieder lächelte sie und schaffte es diesmal sogar, ihn anzustecken, auch wenn er versuchte, ihr dies nicht zu zeigen. Ihre Ausstrahlung war etwas ganz Besonderes, das wurde ihm immer deutlicher.

„Darum geht es dir also, du hast keine Lust, dein Zelt aufzubauen und morgen dann wieder einpacken zu müssen. Ist schon in Ordnung, ich weiß wie aufwändig es ist, alles so zusammenzupacken, dass man damit noch laufen kann. Hilf mir wenigstens.

“ Nun musste er doch lachen, daran hatte er wirklich nicht gedacht, konnte den Vorteil jedoch nicht leugnen. Ergeben half er ihr, das kleine Zelt aus ihrem Rucksack zu befreien und es so im Boden zu verankern, dass es einen sicheren Schutz vor Wind und Kälte bieten würde.

Dabei ließ es sich nicht vermeiden, dass er ab und zu ihren Arm streifte, bei jedem Mal schien ein kleiner Blitz durch seinen Körper zu fahren.

Sie schien von alledem keine Notiz zu nehmen, für ihn wurde es jedoch zunehmend schwerer, noch genug Konzentration für den Zeltaufbau aufzubringen.

„Übernimmst du die erste oder die zweite Wache?“, fragte er um sich ein wenig abzulenken. „Die Erste, wenn du nichts dagegen hast. So kann ich mich noch ein wenig um meinen Bogen kümmern, das habe ich in den letzten Tagen etwas vernachlässigt. “ Er nickte zur Bestätigung und war froh, dass sie endlich fertig waren, ihren Lagerplatz herzurichten.

Im Schlaf würde er hoffentlich auf ein paar andere Gedanken kommen.

Sie setzten sich vor den Zelteingang auf den Boden, um ihr kaltes Abendmahl einzunehmen. Hier gab es keine Möglichkeit, ein wenig Feuerholz aufzutreiben, so blieb ihnen nichts anderes übrig. Es bereite ihm keine Probleme, es war nur das endgültige Signal, dass er für die nächsten ein bis zwei Monate ein anderes Leben führen würde, als er es in letzter Zeit getan hatte.

„Leg dich schlafen, ich wecke dich zur Hälfte der Nacht“, sagte sie, als er gerade geendet hatte und unterband damit jede Möglichkeit auf ein Gespräch. Er sah aber ein, dass es vernünftig war, denn die Nacht war nicht allzu lang, wenn man die Wache unter zwei Personen aufteilte. Mit einem auffordernden Blick schickte sie ihn in ihr Zelt, während sie sich ihren Bogen auf den Schoß legte und vorsichtig die Sehne entspannte.

Ob er würde schlafen können, wusste er nicht, trotzdem legte er sich hinein und schloss versuchsweise die Augen. Einige Atemzüge später hatte ihn der Schlaf eingefangen.

IV.

Zum x-ten Mal strich sie über das Holz ihres perfekt geschliffenen Bogens, gedankenverloren fuhr sie sie feinen Gravuren nach, die sich geheimnisvoll über die ganze Länge erstreckten. Diese Waffe hatte eine magische Ausstrahlung für sie, wenn sie ihn benutzte schien sie wie durch Magie gelenkt.

Es war ihre persönliche Waffe, jene, die sie schon ihr ganzes Leben begleitete. Jede einzelne Scharte hatte ihre eigene Geschichte, in diesem Bogen verbarg sich ihre gesamte Erinnerung.

Der Vorwand, dass sie sich um ihren Bogen kümmern musste, weil er in den letzten Tagen vernachlässigt worden war, war falsch gewesen, das wusste sie. Es gab nichts auf der Welt, was sie sorgfältiger und mit mehr Hingabe behandelte, in Wahrheit hatte sie nur einen Moment für sich gebraucht, einen Moment in dem sie nachdenken konnte.

Wusste sie eigentlich, was sie hier tat? Sie hatte Quinn gebeten, sie auf der langen Reise nach Lanan zu begleiten, um die Einsamkeit der letzten Wochen zu bekämpfen. Nichts war verheerender als die Gewissheit, dass es niemanden auf der Welt gab, dem man wichtig war, niemanden zu haben, der sich überhaupt für einen interessierte.

Interessierte sich Quinn für sie, was waren seine Motive sie zu begleiten? Obwohl er erst abgelehnt hatte, war seine Zustimmung danach unerwartet plötzlich gekommen.

Tief in ihrem Herzen hoffte sie darauf, dass er vielleicht zu mehr als nur einem einfachen Begleiter werden könnte, doch dies war unrealistisch.

Dieser Mann hatte Schreckliches erlebt und die Narben seines Lebens hatten ihn gezeichnet, ob nun sichtbar oder unsichtbar in seinem Inneren verborgen. Seine Persönlichkeit war ungewöhnlich, für viele wirkte er wahrscheinlich merkwürdig, doch deshalb interessierte sie sich für ihn und seine Geschichte. Er war keiner der Trinker, die sich jeden Abend in der Taverne vergnügten.

Seine Vergangenheit hatte etwas Einzigartiges aus ihm gemacht und die Tatsache, dass er ein Magier war, vervollständigte ihr Bild von ihm, es war genau der Teil, der ihr nach der Erzählung am letzten Abend gefehlt hatte. Er hatte unzählige kleine Geheimnisse, immer wieder enthüllte er einen weiteren bisher unerkannten Aspekt seiner Persönlichkeit.

Seine Motivation, sie als ihr Gefährte zu begleiten, war ihr noch nicht vollkommen klar. Auf ihrer Reise hatten sie beide lange Zeit geschwiegen, die ganze Zeit über hatte sie darauf gehofft, dass er ein Gespräch anfangen würde.

Es hatte lange gedauert, aber sie hatte ihn nicht stören wollen, wahrscheinlich kämpfte er mit der Last seiner Erinnerungen.

Als er schließlich nach dem Grund für ihr Ziel gefragt hatte, hatte sie gelacht. Sie hatte gelacht, weil er mit dem wohl neutralsten Thema von allen angefangen hatte und sich dabei erwischt, dass sie auf etwas Persönlicheres gehofft hatte. Sie konnte es ihm aber nicht zur Last legen, es war natürlich, dass er sich für die Umstände ihrer Reise interessierte, bei allem anderen hätte sie wahrscheinlich überrascht reagiert.

Eine andere Frage wäre zu viel verlangt gewesen.

Ihr war ebenfalls nicht entgangen, dass er wieder diese Distanz zwischen ihnen schuf, indem er sie wieder mit einem höflichen SIE ansprach. Ihm gegenüber hatte sie sich amüsiert gezeigt, hatte versucht, ein lockeres Gespräch in Gang zu bringen. Wie gut sie diese Rolle gespielt hatte wusste sie nicht, doch er hatte sich jedenfalls nichts anmerken lassen.

In ihrem Inneren aber war sie enttäuscht gewesen, immer wieder versuchte sie möglichst unverfänglich ein wenig mehr Nähe zwischen ihnen zu schaffen.

Dass er dem immer wieder entgegen wirkte versetzte ihr einen kleinen Stich, nach außen hin versteckte sie ihn jedoch unter einem Lächeln.

Immer wieder hatte sie sich eingeredet, dass sie stark war, ihr Schicksal lag allein in ihrer Hand. Sie spielte stets die selbstbewusste Frau, die sie sein wollte, aber nie gewesen war. In Wahrheit war sie schwach und nun begann alles auf sie einzustürzen.

Sie blickte zum Himmel hinauf zu den Sternen, die nicht durch die Wolken verdeckt waren.

Sie spendeten nahezu kein Licht, der Mond war ebenfalls verdeckt. Sie hatte gelernt, auch in der Nacht zu sehen, so legte sich die Dunkelheit wie eine schützende Decke um sie und hüllte sie ein, alleine und einsam.

Wie lang war es her, dass sie das letzte Mal eine halbe Nacht lang Wache gehalten hatte? Es mussten Jahre sein. Die letzten Monate war sie allein gewesen, jede Nacht war ein Spiel mit dem Tod gewesen.

Obwohl sie sich im Wald gut zurechtfand, das Risiko entdeckt zu werden war allgegenwärtig.

Ihren eigenen Atem anhaltend horchte sie nach den Atemzügen von Quinn, sie gingen gleichmäßig und ruhig, er hatte demnach Schlaf gefunden. Sie hoffte, dass ihr dies ebenfalls gelingen würde, obwohl ihre Müdigkeit wahrscheinlich nicht zu verbergen war. Ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um ihre Reise und vor allem um ihn.

Was würde diese Reise bringen, was würde geschehen, wenn sie sich in Lanan schließlich wieder trennten? Das Gefühl, jemanden bei sich zu haben war unbeschreiblich schön, auch wenn es die meisten Menschen wahrscheinlich nicht nachvollziehen konnten.

Sie sahen die unbegrenzte Freiheit, wenn man alleine war, nur man selbst war wichtig. Die Unabhängigkeit war größer wie nirgendwo sonst, die Zeit richtete sich nach einem selbst.

Sie selbst hatte ebenfalls gelehrt bekommen, dass die Freiheit, die Möglichkeit nur seinem eigenen Gewissen folgen zu müssen, etwas war, für das man kämpfen musste und es um jeden Preis zu verteidigen hatte. Über die Zeit jedoch hatte sie gelernt, dass unbegrenzte Freiheit auch unendliche Einsamkeit bedeutete, die Monate, in denen sie alleine durch das Land gereist war, waren immer unerträglicher geworden.

Gestern hatte sie auf einmal die Möglichkeit gesehen, ihre Einsamkeit jedenfalls für einen Abend zu beenden, deshalb hatte sie sich für eine interessante Geschichte zu Quinn gesetzt. Dabei war ihr bewusst geworden, dass er in einigen Teilen gar nicht so unähnlich von ihr war und hatte eine kleine Chance gesehen, mehr aus der Situation zu herauszuholen, als diese eigentlich hergab. Deswegen hatte sie ihn gefragt, ob er sie begleitete, ohne sich jedoch große Hoffnungen zu machen.

Dass er zugesagt hatte, war unerwartet gewesen, eine Hoffung auf mehr war nach wie vor naiv.

Wie es an den nächsten Tagen weitergehen sollte, wusste sie nicht. Eigentlich war sie stets alleine zurechtgekommen, doch nachdem Quinn ihre Hand geheilt hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie einen Gefährten nötiger hatte, als sie bisher angenommen hatte. Nicht, dass ein leicht schmerzendes Handgelenk sie sonderlich behindert hätte, wahrscheinlich war es nur ein wenig geprellt gewesen, trotzdem war sie ihm dankbarer, als sie gezeigt hatte.

Eine schwerwiegendere Verletzung in der Schusshand bedeutete, dass sie in der nächsten Zeit nicht hätte jagen können, sich zu verteidigen wäre ebenfalls deutlich risikoreicher. Sie hatte ihn fragen wollen, was sie sich wirklich verletzt hatte, es jedoch dann vergessen, weil sie sich geborgen gefühlt hatte. Das Gefühl von ihm geheilt zu werden war im ersten Moment ungewohnt gewesen, dann jedoch hatte sie die innere Nähe zugelassen, die er ihr aufdrängte.

Es war, als wäre ihr gesamter Körper von einer übernatürlichen Kraft erfüllt gewesen, in dem Moment der Heilung wurde nicht nur die Hand geheilt, sondern eine unzählige Anzahl weiterer Wunden in ihrem Inneren. Als er schließlich seine Arbeit beendet hatte, hatte sie sie sich mit einem Mal leer gefühlt, als fehlte etwas Selbstverständliches. Erst später war ihr bewusst geworden, dass es seine Nähe war, die ihr fehlte. Seine Berührung war wirklich magisch gewesen, auf mehrere Arten.

Wieder erwischte sie sich dabei, wie sie den Atem anhielt und nach seinen Atemgeräuschen horchte, als wollte sie sich versichern, dass er noch da war. Mit leerem Blick starrte sie in die Dunkelheit, noch nicht mal ein Tier war zu sehen. Nur ein leichter Wind strich durch das hohe Gras und zeichnete unheimliche Figuren. Egal wie sehr sie sich einen Gefährten wünschte, tatsächlich war sie genauso einsam wie zuvor.

Bedächtig wanderte der Mond über das Firmament, jeder einzelne Atemzug brachte ihn ein Stück weiter voran.

Ihre Herzschläge gaben einen unaufhörlichen Takt vor, in dem sie die Zeit verstreichen ließ. Bis auf zwei Vögel hatte sie kein Lebewesen bemerkt, nun war es beinahe so weit, bis sie die Wache wechseln konnte.

Die Wolken am Himmel waren dichter geworden, morgen würde es Regen geben. Als sie aufstand, um zu ihrem Zelt zu gehen, zeigte sie für die Dauer eines Lidschlages ein bitteres Lächeln. In ihrer Kindheit hatte sie den Regen gemocht, sie hatte sich immer frei gefühlt, wenn der Regen ihre Kleidung durchtränkte.

Das Wasser wusch die Sorgen jedenfalls für einen Moment davon und hinterließ Reinheit, die Reinheit einer unbedarften Kinderseele.

Obwohl sie wusste, dass sie müde war, fühlte sie sich nicht so. Sie benötigte keinen Schlaf, um Ruhe zu finden, sondern einen Ausweg aus der mit jedem Abend schwerer wiegenden Einsamkeit. Sie war die letzte aus ihrem Stamm und genau so fühlte sie sich, die letzte Verbliebene, dazu verdammt, ihrem Ende völlig auf sich gestellt entgegen zu treten.

Mit diesen Gedanken beschäftig schlug sie vorsichtig den Eingang des Zeltes auf. Kurz dachte sie daran, dass es wahrscheinlich besser wäre, in den nächsten Tagen stets nur ein Zelt aufzubauen, es würde ihnen ein Feuer ersparen, allerdings konnten die Nächte sehr kalt werden. Sie verwarf diesen Gedanken jedoch wieder, trotz allem waren sie einfache Gefährten und es war nicht sehr bequem, sich zu zweit in ein Zelt dieser Größe zu legen, besonders weil sie beide versuchen würden, dem anderen möglichst viel Platz zu geben und außerdem war Quinn ein einfacher Wegbegleiter, die Nähe, die sie während der Heilung gespürt hatte und nicht mehr vergessen konnte war durch Magie verursacht, es war nichts.

Als sie schließlich einen Blick in das Zelt hinein warf, war sie beinahe überrascht in zwei offene Augen zu blicken. „Ich habe Schritte gehört und wusste nicht sofort, ob es deine sind“, erklärte er ihr und beantworte damit ihre unausgesprochene Frage. „Ist irgendetwas passiert?“

„Nein, bis auf ein paar Vögel gab es keine Besucher. Du bist dran mit der Wache. “ Er nickte, stand jedoch nicht sofort auf.

„Meinst du, es ist wirklich notwendig? Der Heilzauber hat mich mehr Energie gekostet, als ich gedacht hatte, ich würde den morgigen Tag gerne ausgeruht angehen…“
„Wir haben nur dieses Zelt aufgebaut…“ Ihre Stimme war leise geworden, beinahe zögerlich. Ihr Herz schrie danach, ihre Sehnsucht zu erfüllen, am liebsten hätte sie sich auf der Stelle zu ihm gelegt, nur um seine Wärme spüren zu können, um ihre eigene Kälte zu vertreiben.

Sie spürte, wie sich eine kleine Träne aus ihrem rechten Auge löste und eine kühle Spur über ihre Wange zog.

War nicht genau diese Gelegenheit das, was sie sich gewünscht hatte? Warum konnte sie sich nicht einfach treiben lassen, für einen Moment dem Schrei ihrer Seele zuhören? Doch ihr Verstand schien ihr tonnenschwere Steine in den Weg zu legen, dessen Logik war unbestreitbar. Quinn war ein Reisegefährte, nicht mehr und nicht weniger, dafür sollte sie sich glücklich schätzen. Würde sie dies jemals akzeptieren können?

„Alles in Ordnung?“, hörte sie seine besorgte Stimme, er hatte wohl ihre Träne gesehen.

„Nein, nichts ist in Ordnung!“, wollte sie ihm entgegen schreien, sah er nicht, wie sehr sie litt? Nein, natürlich nicht, beantwortete sie sich ihre Frage. Wie auch? Sie tat alles, um sich nichts anmerken zu lassen, auch jetzt nickte sie nur und antworte mit einem gelogenen „Natürlich. „

In seinen Augen blitze kurz ein ungläubiger Ausdruck auf, doch als sie genauer hinsah, war er jedoch einem vollkommen ausdruckslosen gewichen. War sie ihm dankbar, dass er nun endlich aufstand und aus dem Zelt kroch, um ihr Platz zu machen? Sie wusste es selber nicht.

Wie in Trance schloss sie den Zelteingang und ordnete sich ihren Schlafplatz, der Bogen lehnte nun an der Innenwand, er war ihr einziger Begleiter.

Vorsichtig schloss sie die Augen, sie schienen wie glühende Kohlen zu brennen. Sie war eine Verlorene, das Schicksal hatte es so entschieden. Akzeptanz war das einzige, das ihr noch übrig blieb. Zum ersten Mal seit Jahren weinte sie, stumm und alleine. Die Tränen zogen feuchte Spuren über ihr Gesicht, als sie langsam versiegten, spürte sie ihre verklebten Wimpern, die sie in einen unruhigen Schlaf zwangen.

*****

Sie drehte sich auf die Seite, wie man es im Schlaf hin und wieder tut. Doch diesmal war etwas anders: Bevor sie unbewusst ihre gewünschte Position erreicht hatte, wurde sie von irgendetwas aufgehalten. Sie war alleine im Zelt, normalerweise hätte sie alarmiert hochschrecken müssen, doch das tat sie nicht. Das, was sie aufhielt war nicht bedrohlich, es war sanft und warm.

Es war eine einzelne Hand, woher sie kam war im Moment nicht wichtig, wichtig war nur, dass sie bei ihr war.

Sie umschloss ihr Herz und hielt es geborgen, wie eine stummer Begleiter, der ihr sagte: „Ich beschütze dich!“ Sanft legte sie sich um den Ursprung ihres Lebens und hielt sie einfach nur fest, um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war. In dieser Berührung konnte sie alles teilen, ohne dass sie etwas fürchten musste, sie musste sich nicht verstecken, da der andere sowieso bereits alles über sie wusste.

Stumm schmiegte sie sich an die Hand, bewegte sich ein paar Millimeter in die Richtung, aus der sie kam.

Sie spürte einen sanften Luftzug an ihrem Körper, der sie dazu veranlasste, noch ein wenig weiter in seine Richtung zu rücken, bis sie beinahe überrascht stoppte.

Hatte sie sich nicht vollkommen bekleidet schlafen gelegt, zum Schutz vor der Kälte? Nun spürte sie, wie ihre entblößte Brust mit den Spitzen einen anderen Körper berührte. Erwartungsvoll streckten sich die kleinen Erhebungen dem Anderen entgegen, dessen weiche Haut sie bei jedem ihrer Atemzüge streichelte.

Sanft drückte sie sich ihm noch ein wenig weiter entgegen, bis ihre Brust an ihn gepresst war. Seine Berührung war kühl und dennoch wurde sie dadurch aus irgendeinem Grund spürbar erregt. Ihre Atemzüge sorgten nun dafür, dass sie sich immer wieder ein wenig an seinem Körper bewegte, erwartungsvoll spürte sie, wie der Körper des anderen kaum oder nur sehr flach atmete, seine kräftige Brust bewegte sich kaum merklich, doch das war nicht wichtig.

Ihr Verstand schien auszusetzen, als sie sich erregt an seiner Brust zu reiben begann, immer kräftiger und immer schneller, seine sanfte Haut bot einen weichen Widerstand, den sie ohne zu fragen benutzte. Unbewusst war eine ihrer Hände an ihre Brüste gewandert, mit dieser nahm sie denselben Rhythmus auf, den ihr mittlerweile deutlich schnellerer Atem vorgab.

Der Andere war das, was sie lange gesucht und nie gefunden, er beschützte sie und erlaubte ihr zu leben, gleichzeitig gab er ihr ein Geschenk, das sie seit sehr langer Zeit nicht mehr erhalten hatte, so lange, dass sie sich nicht einmal mehr genau erinnern konnte wann genau das letzte Mal gewesen war.

Erinnerungen — auch sie waren jetzt nicht wichtig, alles was zählte, war das Hier und Jetzt. „Lebe den Moment!“, hatte ihr einmal jemand gesagt, nun spürte sie mit all ihren Sinnen, was es bedeutete. Sie spürte, sie roch, sie schmeckte ihre eigene Erregung, wie war ebenfalls nicht wichtig. Alles in ihr streckte sich jenem besonderen Moment entgegen, den sie lange vermisst hatte.

Ein unerwarteter aber intensiver Schauer durchfuhr ihren gesamten Körper, als sie etwas an ihrem Heiligtum berührte, ja, dieses Wort passte.

Es war das Tor zum Himmel, der Eingang in die Welt der Träume. Ein kurzer Luftzug strich darüber und brachte einen weiteren Schauer mit sich. Obwohl sie nichts sehen konnte, spürte sie, wie ihr Eingang zum Himmel im Mondlicht wie ein heller Stern erstrahlte, sie war bereit für alles, was geschehen konnte.

Kurz darauf kam die lang ersehnte Erlösung, ein kräftiger Luftzug verließ ihre Lungen, als sie etwas dort berührte, wo es den größtmöglichen Effekt hatte.

Es bewegte sich nicht, sondern lag einfach nur mit sanftem Druck darüber, es genügte um eine unzählige Anzahl von Wellen durch sie hindurch zu schicken.

Gerade, als sie sich fast daran gewöhnt hatte, drang etwas in sie ein, unbeirrt, aber unglaublich sanft, wie sie es noch nie erlebt hatte. Nach einem kurzen Stück stoppte es, sie spürte seine Berührung ganz tief in ihr. Weitere Wellen durchliefen ihren Körper, ihr Atem ging nur noch stoßweise.

Etwas in ihrem Kopf explodierte, als die Berührung auf und in ihrem Heiligtum erst langsam, dann schneller begann sich zu bewegen. Sie hörte sich selbst schreien, als sie einen unendlich intensiven Höhepunkte erlebte, es war egal, wer sie hörte. Nur ihre Lust zählte, die Erlösung, die sie wie ein Gewittersturm überrollte.

*****

Schwer atmend öffnete sie die Augen, sie lag auf ihrer rechten Seite, fest an eine Seite der Zeltwand gepresst.

Ihre linke Hand befand sich immer noch in ihr, sie fühlte wie sie von ihrer eigenen Nässe getränkt wurde. Es war ein Traum gewesen, es gab keinen behütenden Anderen, nur sie selbst.

Draußen hörte sie schnelle Schritte und wie jemand hastig den Zelteingang zurückschlug. Das Einzige, was ihr übrig blieb, war ihre Hände möglichst schnell wieder in eine neutrale Lage zu bringen, ihr Gewand jedoch war durcheinander und verbarg durch ihre vorangegangenen Tätigkeiten nichts, jedenfalls fühlte sie sich so.

„Was ist los? Was ist passiert?“, hörte sie aufgeregte und besorgte Rufe, sie kamen von Quinn, wie ihr erst jetzt bewusst wurde. In einer blitzschnellen Bewegung verbarg sie ihre Blöße, als er sie mit einem besorgten Blick ansah. Sie hoffte inständig, dass er nicht ahnte, was gerade eben passiert war, sie wusste selbst nicht genau, wie es dazu gekommen war. Gefangen in einem Traum aus einer Welt der Wünsche, das Erwachen daraus ließ jedoch Zweifel daran, ob es das wert gewesen war.

„Nichts, es ist alles in Ordnung…“ versuchte sie möglichst glaubhaft zu versichern, doch ihre Stimme zitterte und ihre Atmung ging nach wie vor nur stoßweise. Er konnte ihr nicht glauben, das wusste sie. Sein Blick drückte auch aus, dass er ihr kein Wort glaubte, zu ihrer Überraschung sagte er jedoch nichts. Ob sie ihm dafür dankbar war, wusste sie nicht, tief in ihr sehnte sie sich danach, dass er sich zu ihr setzten würde und das wiederholen würde, was sie eben geträumt hatte.

Er sah sie einfach weiter an und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Sie hatte es gerade noch rechtzeitig geschaffte, ihr Gewand wieder in eine Position zu bringen, die ihre Brüste und ihre freigelegte Mitte bedeckte, nun hoffte sie, dass man die Nässe darunter nicht durch das Gewand sah.

Der Gedanke, sich nicht vor ihm zum blamieren hielt sie wenigstens davon ab, darüber nachzudenken, wie verzweifelt ihr Traum eigentlich gewesen war.

Es war eine unerfüllbare Fantasie gewesen, nur ihrem Wunschdenken entsprungen und ohne Bezug zur Wirklichkeit. Wurde sie verrückt? Vielleicht, aber einen Ausweg gab es nicht.

Sie folgte seinem Blick, beobachtete ihn dabei, wie er sie betrachtete. Es dauerte nicht lange, doch für sie zogen sich Sekunden zu Stunden, und als sein Blick ihre Mitte streifte und dort einen kaum merklichen Augenblick verweilte schien ihr Herz für einen Moment auszusetzen. Kurz fragte sie sich, wo die behütende Hand hingegangen war.

Dann jedoch erinnerte sie sich wieder, dass auch diese nur ein Produkt ihrer Wahnvorstellungen gewesen war, nichts von alledem existierte wirklich. Leere, unendliche Leere machte sich in ihrem Inneren breit, niemand war in der Lage sie zu beschützen. Sie selbst wehrte sich gegen alles, was dies vermochte, den Preis dafür bezahlte sie nun.

Wieder löste sich eine einzige Träne aus ihrem Auge und hinterließ eine glänzende Spur.

Wieder schloss sie die Augen, um sich nach Außen hin abzuschotten, um ihm ihre Gefühle nicht zeigen zu müssen. Es war schon so schwer genug, sie musste seinen unwissenden, bedauernden Blick nicht sehen.

Auf ihrer Schulter spürte sie auf einmal, wie sich sanft eine Hand darauf legte. Sie tat nichts, lag einfach nur da. Mit einem Schütteln warf sie sie ab, es war wieder nur ein Wunschtraum, eine unerfüllte Sehnsucht, die sie Dinge spüren ließ, die nicht existierten.

In einer Art Schutzreflex drehte sie sich wie ein kleines Mädchen von Quinn weg, den sie immer noch im Zelteingang stehend glaubte, rollte sich zusammen, um nichts mehr spüren zu müssen. Niemals war der Schmerz so stark gewesen, er machte ihn unerträglich, doch sie gab ihm keine Schuld. Sie allein war die Schuldige, die nun immer mehr innerlich zerfiel. Das Einzige, was sie bedauerte war, dass er dies mit ansehen musste, er hatte es nicht verdient.

Sie spürte, wie ihr jemand mit einer sanften Bewegung die Haare aus dem Gesicht strich und ihr sacht über die Wange streichelte. Diesmal drehte sie sich nicht wieder weg, sondern ließ es über sich ergehen und wünschte sich, dass sie entweder sterben oder aber sie aus diesem Alptraum entfliehen würde. Doch es war real, es gab keinen Traum, aus dem sie aufwachen konnte.

In ihrem Hinterkopf hörte sie Worte, eine leise, warme Stimme, die vorsichtig auf sie einredete.

Sie verstand ihren Sinn nicht, alles schien verschwommen und verzerrt. Doch sie spürte, dass diese Stimme ihr gut tat, hoffte, dass sie nicht aufhören würde. Sie heilte jedenfalls oberflächlich die tiefen Wunden, die sie an den Rand des Wahnsinns gebracht hatten.

Versuchsweise öffnete sie die Augen, sah nur die glatte Zeltwand vor sich. Die Stimme redete weiter beruhigend auf sie ein, also entspannte sie vorsichtig ihre verkrampften Muskeln. Was war mit ihr passiert, zu was war sie geworden? Zu einem seelischen Wrack.

Sie würde Quinn bitten, die Reise alleine fortzusetzen, er musste ihren Tod nicht mit ansehen. So sah also das Ende aus.

Bilder von der toten Heilerin in ihren Armen schossen ihr in den Kopf, war ihr Tod ebenso schmerzhaft gewesen? Sie hatte das Leben aus ihr heraus weichen sehen, hatte gesehen, wie ihre Augen von einem leblosen grauen Schimmer überzogen wurden. Es schien ihr, als würde sie den Schmerz der Vergangenheit noch einmal durchleben, dies war ihr wirkliches Ende gewesen.

Sie war nicht mehr als eine leere Hülle geworden, die auf ihren Tod wartete.

Sie wollte aufstehen, sich von der stetig über ihre Wange streichelnden Hand befreien. Sie tat ihr gut, doch aus diesem Grund wurde sie unangenehm. Früher oder später würde sie von alleine verschwinden, jetzt war sie wenigstens darauf vorbereitet. Doch als sie sich wegdrehen wollte, hielt sie die Hand sanft fest. Es war nur eine leichte Berührung, wie alles, was sie tat, aber es ließ sie wieder auf den Boden zurücksinken.

Wieder begann die Stimme auf sie einzureden, sie strengte sich an, ihren Sinn zu erfassen. Es schien beinahe unmöglich, nur einzelne Wortfetzen drangen bis zu ihr durch. Beinahe hätte sie aufgegeben, dann jedoch hörte sie etwas, was es ihr verbot, ihre Bemühungen aufzugeben: „…du…ich…Leben…Liebe…“

Sie strengte sich an, weitere Worte zu verstehen, doch die Bruchstücke die sie verstand, waren längst nicht mehr so eingängig wie die vorigen.

Vorsichtig versuchte sie ihren Kopf zu drehen, um die Quelle der Worte sehen zu können. Während der Bewegung verschwand die Hand kurz, ein unverständliches Stöhnen entwich ihr. Sie durfte nicht weg sein, nicht jetzt, sie brauchte sie!

Sie seufzte dankbar, als die Hand wieder auf ihrer Stirn auftauchte und ihr über den Haaransatz strich. Ihre Augen waren wieder geschlossen, zu schön war das Gefühl, einfach nur die Berührung spüren zu können, zu spüren, dass sie nicht alleine war.

Mehrere Minuten lag sie einfach nur so da und hinter ihren geschlossenen Liedern tauchten wieder Bilder aus ihrer Vergangenheit auf, Erinnerungen aus der Zeit, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war und nicht ahnte, was sie würde miterleben müssen.

*****

Sie stand auf einer Lichtung, um sie herum war saftig-grünes Gras, unzählige kleine Blumen wurden von noch mehr kleinen Insekten umschwirrt, am Himmel zog ein Greifvogel seine Bahn, aufmerksam nach einer Maus oder ähnlichem Ausschau haltend.

Ihre Füße waren nackt, sie fühlte deutlich den kühlen Waldboden unter sich, das Leben, welches dieser beherbergte. Dies war ihr Zuhause, ihre Kindheit. Am Rand der Lichtung sah sie eine Frau, sie hatte wahrscheinlich um die 30 Winter hinter sich. Bei ihr war sie aufgenommen worden, sie nannte sie Mutter, weil sie das für ihr kindliches Empfinden war. Dass nicht sie es war, die sie geboren hatte, zählte in jenen Tagen nicht.

In ihre Nase stieg der Duft von frischen Kräutern, gepaart mit dem unverwechselbaren Geruch des Waldes. Er war alt und egal wo sie war, begleite er sie. An verschiedenen Orten war er mal ein wenig strenger, dann wieder ein wenig süßlicher, über alles erstreckte sich die unendliche Weisheit der Bäume.

Es zauberte ihr ein kaum merkbares Lächeln auf die Lippen, auf dieser Wiese fühlte sie sich geborgen.

Doch es waren nichts weiter als Erinnerungen, die ihr Verstand ihr vorhielt und sie verfluchte sich dafür, gerade jetzt aus diesem kurzen Traum herausgeworfen zu werden.

Ihr Lächeln verschwand genauso schnell, wie es gekommen war, was die sie streichelnde Hand falsch interpretierte. Mit dem Verschwinden ihres Lächelns hörte sie sofort auf, über sie zu streifen, entfernte sich sogar ein wenig von ihr, sodass sie nur einige noch Fingerspitzen berührten.

„Nein…“, brachte sie über die Lippen, sie durfte nicht aufhören.

Wieder interpretierte die Hand dies falsch und beendete die für sie so lebenswichtige Berührung. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass die Hand höchstwahrscheinlich zu einem Körper gehörte, sie musste ihn nur dazu bringen, weiter zu machen. Sie realisierte, dass die Stimme ebenfalls verschwunden war, für einen Moment fühlte sie sich wieder vollkommen alleine.

Ein wenig wütend öffnete sie die Augen, warum wurde sie jetzt wieder alleine gelassen? Über sich sah sie nichts, erst als sie ihren Kopf ein wenig zur Seite legte, erkannte sie eine Gestalt, sie hockte geduckt neben ihr, das Zelt reichte gerade aus, dass sie nicht über ihr lehnte.

Es war ein Mann mit einer kräftigen Gestalt und wettergegerbtem Gesicht — Quinn.

Mit beiden Armen griff sie nach seiner rechten Hand, ergriff sie und wollte sie wieder zu sich ziehen, doch er bot ihr Widerstand. Langsam wurde ihr Verstand wieder klarer, erlaubte ihr Worte zu formulieren. „Hilf mir!“ flehte sie ihn an, doch er blieb nach wie vor unbeweglich.

Sie sah, wie er den Kopf ein wenig zur Seite neigte, sein Gesichtsausdruck bekam etwas leicht Verwundertes, Fragendes.

„Wobei? Ich kann dir nicht helfen,… ich habe es nie gekonnt. “ Sie wollte ihn anschreien, ihm etwas entgegensetzten, doch ihr Mund blieb geschlossen, als sie nur stumme Gedanken formulierte: „Du bist der Einzige, der mich retten kann!“

*****

Er hatte ihre Schreie gehört und war zum Zelt gerannt, er hatte gesehen, wie sie sich ängstlich vor eetwas Unsichtbaren versteckte, in sich zusammengerollt, als stünde der Tod direkt vor ihr.

Er fragte sie was los sei, doch sie log ihn an. Er hatte nichts weiter tun können, als sie zu betrachten, er konnte ihr nicht helfen. Sie hatte die Augen zusammengekniffen, doch sie konnten ihre Tränen nicht verbergen. Ihr Anblick hatte irgendetwas in ihm ausgelöst, er kannte sie als eine starke und selbstbewusste Waldläuferin. Was war geschehen, dass sie in diesem Zustand zurückblieb?

Aus einem Impuls heraus hatte er eine Hand auf ihre Schulter gelegt, er wusste selbst nicht warum er das tat, aber er hatte sie vorsichtig gestreichelt.

Er hatte oft gesehen, wie Mütter ihre weinenden Kinder streichelten, um ihnen Trost zu spenden, es schien ihm irgendwie das Richtige zu sein. Er hatte völlig außer Acht gelassen, dass er nach wie vor nichts weiter als ein einfacher Reisegefährte war, doch es schien einfach nicht wichtig. Sie brauchte jetzt seine Berührung, das spürte er.

Für einen kurzen Moment lang schien es, als hätte sie sich beruhig, dann jedoch hatte sie sich gegen seine Berührung gewehrt, erschrocken hatte er seine Berührung relativ schnell beendet.

Dazu war er nicht berechtigt, er kannte sie kaum, wie kam er darauf, dass er ihr so nahe kommen durfte?

Nein, er konnte ihr nicht helfen, hatte es nie gekonnt. Sie schien so weit weg wie nie zuvor, sein Wunsch sie einfach in die Arme schließen zu können, war dafür umso größer. Sie würde ihre Tränen an seiner Schulter trocknen können, er würde sie einfach nur halten, sie beschützen vor den Dämonen, gegen die sie kämpfte.

Doch das durfte er nicht, konnte er nicht. Sie empfand nichts für ihn, woher auch? Nein, er durfte sich nicht seinen eigenen Dämonen hingeben, es war besser, erst gar keine Hoffnung aufkommen zu lassen, es war nichts weiter als eine Illusion.

Vorsichtig bewegte er sich ein wenig nach hinten, wieder aus dem engen Zelt heraus, entwand seinen rechten Arm aus ihrem Griff. Sie stammelte etwas, doch er konnte den Sinn nicht verstehen, wollte ihn nicht verstehen.

Die Sonne schickte ihre ersten Lichtstrahlen, doch für ihn schien alles dunkler als zuvor. So dunkel wie sein Herz.

******

Nun war sie wieder alleine, alleine mit ihrer Sehnsucht. Er hatte sie einfach alleine gelassen, hatte ihr Flehen ignoriert und war wieder gegangen. Für einen Moment war sie ihm näher gewesen, als sie es je für realistisch gehalten hatte, für einen Moment lang hatte sie die Hoffnung gehabt, dass er sie wirklich verstand, ihre Sehnsucht sah.

Doch sie war in weniger als einem Augenblick wieder zerstört worden, als er sich ihr entzogen hatte. Für sie gab es keine Rettung.

Eins hatte er jedoch bewirkt: Er hatte sie vor dem Wahnsinn bewahrt, dafür war sie ihm dankbar, auch wenn der Schmerz nicht weniger geworden war. Sie war nun wieder da angelangt, wo sie die letzte Zeit gewesen war. Am Rand zwischen Leben und Tod, zwischen Wahnsinn und messerscharfem Verstand.

Um sich abzulenken ordnete sie ihre Kleidung, so dass sie sich fähig fühlte, aus ihrem schützenden Zelt herauszutreten. Automatisch nahm sie ihren Bogen mit der Sehne mit hinaus und begann direkt damit, ihn wieder einsatzbereit zu machen. Ohne nach Quinn zu sehen begann sie damit, sich reisefertig auszurüsten, sie befestigte ihren Köcher wieder am Gürtel, reinigte soweit es eben ging ihren Schlafsack von der Erde und verstaute ihn im Rucksack.

Als sie damit beginnen wollte, auch das Zelt wieder abzubauen, spürte sie auf einmal einen warmen Luftzug in ihrem Nacken. Alarmiert drehte sie sich herum und erblickte eine Handbreit vor sich Quinn. „Es tut mir leid…“, sagte er leise, beinahe flüsternd. Sein Gesichtsausdruck bewies, wie ehrlich er dies meinte.

Beinahe brach sie zusammen, hatte sie sich zu früh aufgegeben? Wie automatisch breitete sie die Arme aus, wollte ihn umarmen, ohne zu merken, dass er das Gegenteil gemeint hatte.

Hoffnungsvolll stand sie da, erwartete seine Berührung, doch sie kam nicht. Er ließ sie einfach stehen und machte sich am Zelt zu schaffen.

Dies versetzte ihr den finalen Schlag, kraftlos sank sie einfach auf den Boden, der Rucksack, den sie eben noch hochheben wollte glitt ihr aus den Fingern. Quinn bekam davon nichts mit, fachmännisch legte er den Stoff zusammen und rollte ihn dann mit den Stangen zu einem Bündel, um ihn im Rucksack verstauen zu können.

Erst als er sich umdrehte, um ihr das zusammengepackte Zelt zu übergeben, erblickte er ihre zusammengesunkene Gestalt. Es schien beinahe höhnisch, wie er das Zelt langsam am Boden ablegte und einige Schritte auf sie zukam, jedoch nur soweit, dass sie ihn nicht erreichen konnte. „Was ist los? Ich kann dir nicht helfen…“ Seine Stimme war erst stark gewesen, wurde jedoch mit jedem Wort weicher.

„…nicht, wenn du mir nichts sagen willst.

“ Fügte er leise hinzu, als ob er die Hoffnung hätte, etwas zu finden, was sie selbst nicht sah. Sie konnte ihm jedoch nichts sagen, er würde sie wahrscheinlich auslachen und dann für immer alleine lasse mit dem Gefühl, nichts wert zu sein, für niemanden. Sie war so naiv, aber was sollte sie dagegen tun?

„Ich will dich nicht so sehen müssen, bitte…“ Hatte er das gerade eben gesagt, oder war es ihre Einbildung gewesen? Sie versuchte ihren Verstand zu reaktivieren, darüber nachzudenken, doch es gelang ihr nicht, zu sehr wünschte sie sich, dass die Worte wahr waren.

Sie musste diesen Zustand beenden, denn je länger er bei ihr blieb, desto schlimmer wurde es. Es tat weh, doch sie hatte sich ihre Worte lange überlegt, es war besser so. „Es ist glaube ich besser, wenn sich unsere Wege hier trennen. “ Sie versuchte so selbstsicher wie nur möglich zu klingen, während sie dies sagte musste sie jedoch mehrmals Schlucken, damit sie nicht in Tränen ausbrach. Immer wieder hielt sie sich vor Augen, dass sie stark war, auch dies würde sie überleben.

Mehr konnte sie nicht tun. Überleben für ein sinnloses Leben.

Er nickte, ließ seinen Kopf jedoch hängen und vermied den Blickkontakt, den sie sich als Letztes von ihm in Erinnerung behalten wollte. „Wenn das dein Wunsch ist…“, brachte er hörbar gepresst hervor, sie konnte den Grund dafür jedoch nicht erkennen.

Mit einer ruckartigen Bewegung drehte er sich um, hob, die Zeltrolle vom Boden auf und reichte sie ihr, ohne ihr dabei jedoch in die Augen zu sehen.

Sie nahm sie an, versuchte seine Gedanken erkennen zu können, doch er drehte sich weg. „Viel Glück“, murmelte er, die letzten Worte ihrer gescheiterten Reise.

Warum endete alles auf diese Weise? Weil sie nichts weiter als ein naives Mädchen war, beantwortete sie sich ihre Frage. Sie hatte nach etwas gesucht, was sie nicht finden konnte, es musste so kommen. Es war von Anfang an klar gewesen, nur sie hatte es nicht sehen wollen.

Am Ende war sie nur wieder die letzte Verbliebene. Sie war verbannt worden, beschied sie, verbannt aus ihrer Seele. Wie die Verurteilte damals wünschte sie sich nun den Tod, den sie sich selbst nicht geben konnte.

V.

So war nun alles zu einem Ende gekommen, sie hatte sich von ihm getrennt. Dieses Märchen hatte kein gutes Ende. Er hatte einen Fehler gemacht, der nicht wieder auszugleichen war, er war ihr zu nahe gekommen, viel zu nahe.

Er hatte etwas in sich zugelassen, was für immer im Verborgenen hatte bleiben sollen, nun endete alles schneller, als er gewollt hatte.

Er konnte nicht weiter gehen, als ob nichts geschehen wäre, außerdem hatte er kein Ziel. Er würde ihr ein bis zwei Stunden Vorsprung geben. Dies sollte reichen, um ihr nicht zufällig erneut zu begegnen. Bilder überfluteten seine Gedanken, unerfüllte Träume und Wünsche, die ihn einfach an Ort und Stelle stehen bleiben ließen.

Er versuchte sie abzuschütteln, scheiterte jedoch dabei und spürte, wie groß ihr Verlust war. Er hatte nie eine Chance gehabt, das wusste er, aber dennoch tat ihm das frühe Ende ihrer gemeinsamen Reise mehr weh, als alles andere, was er bisher erlebt hatte.

Fast alles. Die Erinnerung an Aileen drängte sich wieder in den Vordergrund. Warum ausgerechnet jetzt? Er hatte genug mit sich zu kämpfen, doch er konnte es nicht verhindern, dass ihr letzter gemeinsamer Tag wie eine Folter noch einmal vor seinem inneren Auge ablief, jener Tag, an dem er sie das letzte Mal gesehen hatte, der Tag, an dem er das letzte Mal geliebt hatte…:

Vor einer Woche hatte er sein Abschlusszeugnis bekommen, es enthielt Bestnoten.

Natürlich, er war zweieinhalb Jahre früher fertig, als die Meisten hier. Dies hier würde seine letzte Nacht in dem Bett sein, dass er beinahe zwei Jahrzehnte lang belegt hatte.

Wie jeden Morgen wollte er sich schwungvoll aus dem Bett rollen, doch ein Arm hielt ihn fest und ergeben sank er zurück. Als er zur Seite blickte, sah er in ihr fröhliches Gesicht, es lachte ihn an und gab ihm das schönste Gefühl dieser Welt.

Doch heute schaffte sie es nicht, ihn mit ihrer Fröhlichkeit anzustecken, in seinen Augen hatte sie keinen Grund fröhlich zu sein.

Sie hatten oft darüber gesprochen, wie es werden würde, wenn er gehen müsste und nun war der Tag gekommen. Sie waren sich einig gewesen, dass ihre Beziehung keinen Bestand haben könne, die Jahre zusammen waren wunderschön gewesen, doch sie hatten zu Ende gehen müssen, das war ihnen beiden klar gewesen.

Ihr Kuss vertrieb für einen Moment all die schweren Gedanken an Abschied, doch als sie sich wieder lösten, kamen sie zurück. Er spürte, dass er müde war, ihre letzte gemeinsame Nacht hatten sie solange es ging eng beieinander verbracht. Wenigstens dieser Gedanke ließ ihn leicht schmunzeln. Alles an ihr war wunderbar, ihr Duft, das Geschenk in ihren Armen liegen zu dürfen schien wie Magie.

„Ich muss mich fertig machen, es ist schon alles vorbereitet.

“ Seine Stimme war wie immer beherrscht und klar, zum ersten Mal seit sie ihre Liebe zueinander entdeckt hatten, fiel es ihm schwer. Er klammerte sich an seinen normalen Tagesablauf, um seine Zeit hier so lange wie nur möglich genießen zu können.

Wie so oft in den letzten Tagen war sie gemeinsam mit ihm aufgestanden, wie so oft stand sie nun völlig entblößt vor ihm. Es fiel ihm an diesem Morgen besonders schwer, seinen Blick von ihr zu lösen, sie war ein Engel und ihr Licht strahlte bis weit in den Himmel, dessen war er sich sicher.

Ein neuer Umhang lag bereit, er war das letzte Geschenk der Akademie, in ihm würde er sie für immer verlassen. Akribisch überprüfte er jeden Teil seiner Ausrüstung, alles, was er heute zurückließ würde er für immer verlieren. Wieder und wieder streifte sein Blick Aileen, sie stand nach wie vor einfach nur da und lächelte ihn an. Nach einer Viertelstunde schließlich war er der Meinung, alles reisefertig eingepackt zu haben, ein großer Lederrucksack enthielt seinen gesamten Besitz.

Nur eines musste er hier lassen, dies konnte er nicht einfach einpacken und mitnehmen.

Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn jedoch wieder, da ihm keine passenden Worte einfielen. Es gab nichts, was diesem Moment angemessen gewesen wäre. Stumm ging er auf sie zu und zog sie in seine Arme, drückte sie mit aller Kraft an sich. Er spürte, wie schwer es ihr fiel, nicht in Tränen auszubrechen und hielt sie einfach bei sich.

Ihre Nähe war alles, was er brauchte um glücklich zu sein, nun sollte er es zurücklassen. Doch es war sinnlos, sie hatten gewusst, dass es so enden würde.

Minutenlang standen sie einfach nur da, während hinter ihm im Fenster die Sonne vorsichtig ihre Reise über den Himmel antrat Er fühlte ihren Atem, wie er die feinen Haare in seinem Nacken streifte. Er trug die Wärme ihrer Seele mit sich, jeden Luftzug prägte er sich ein, es würde einer der letzten Momente mit ihr sein.

„Ich muss gehen, der Sonnenaufgang ist beinahe vorbei…“ Es schien so unpassend, doch er konnte seine Gefühle nicht in Worte fassen, also blieb es dabei. Er wusste, dass sie ihn verstand, ihre Lippen fanden sich zu einem letzten Kuss. Ein letztes Mal wurde er in eine andere Welt gehoben, ein letztes Mal schien er fliegen zu können, bis sie sich widerwillig von ihm löste.

Ihre letzten Worte hallten in seinem Inneren wieder.

Leise geflüsterte Worte, es war alles, was ihm von ihr geblieben war. „Ich liebe dich…“

Daria stand immer noch hinter ihm, das spürte er. Er hoffte für sie, dass sie die geflüsterten Worte nicht verstanden hatte, es würde ihr nur weh tun. „Es tut mir leid,…“ flüsterte er, diesmal waren seine Worte an sie gerichtet. Es war nicht gerecht, in die Gedanken von Anderen einzudringen und er war nicht sonderlich gut darin, sodass er normalerweise gerade erkennen konnte ob ihm die betrachtete Person eher wohlgesonnen war oder nicht, und das nur mit mäßiger Sicherheit, aber ihn plagte die Frage, warum sie ihn weggeschickt hatte.

War es wirklich nicht sein Fehler gewesen?

*****

Er rechnete wahrscheinlich nicht damit, dass sie immer noch einfach nur dastand und die Umgebung betrachtete. In Wirklichkeit betrachtete sie auch nicht die Umgebung, es gab ihr nur einen Vorwand nicht laufen zu müssen. Sie hätte vor den letzten Stunden davonlaufen können, doch noch nicht einmal dazu fühlte sie sich in der Lage.

So wurden seine geflüsterten Worte ungewollt zu ihr getragen, ließen sie blitzartig herumfahren, erblickte dabei aber nur in einigen Schritten Entfernung seine von ihr abgewendete Gestalt.

Er schien über irgendetwas nachzudenken.

Sie hatte ihm nicht weh tun wollen und doch hatte sie es getan, tiefer und endgültiger, als sie sich vorgestellt hatte. Aus Angst, sich selber weh zu tun, hatte sie ihn verletzt. So jedenfalls entsprang es ihrer Vorstellung, ihrem Wunschtraum, der entgegen ihrer Hoffnung nicht einfach damit endete, dass sie die gemeinsame Reise für beendet erklärt hatte.

„Ich liebe dich…“, hatte er geflüstert, wen hatte er gemeint? Sie bestimmt nicht, es blieb nur noch jemand, den sie nicht kannte und von dem er nichts erzählt hatte.

Sie hatte seine Geschichte geglaubt, dass er alleine war, gab es eventuell doch jemanden? Wahrscheinlich war sie tot, beschied sie, es würde passen. Und es würde erklären, warum er sie immer wieder abgewehrt hatte.

Interessiert betrachtete sie, wie Quinn seinen Umhang glattzog, seine Muskeln durchdrückte und nun aus ihrem Leben verschwinden würde, endgültig und für immer. Der Weg lag von seiner Position aus vor ihm, er würde sich auf den Weg machen und sie nie mehr wieder sehen.

Gespannt wartete sie darauf, dass er gehen würde, doch das tat er nicht. Er stand weiter einfach nur da, seinen Blick in Richtung der Straße gerichtet. Vielleicht versuchte er sie auszumachen, vielleicht wollte er sich vergewissern, dass er ihr nicht über den Weg lief. Ihr, einer ausgestoßenen Waldläuferin, die nichts weiter getan hatte, außer ihm einen Tag Lebenszeit zu rauben.

Sie hörte das Wispern des Windes, wie er über die Wiese zog und alles davon wehte.

Früher hatte sie oft dem Wind gelauscht, er beruhigte die Seele, der Wind hatte keine Sorgen. Das Wispern schien sich langsam zu Worten zu formen, als wollte es ihr eine Botschaft vermitteln. Sie konnte nicht verstehen welche, doch sie war sich sicher, dass er ihr Trost spenden wollte.

Er — meinte sie damit den Wind oder Quinn? Es war der Wind, und doch hörte es sich nach seiner mittlerweile auf eine bestimmte Weise vertrauten Stimme an.

Sie betrachte ihn wieder aus der Entfernung, mehr als ein wenig von der Seite seines Gesichts konnte sie nicht erkennen, doch er schien wirklich mit jemandem zu reden. Sie erschrak, als er sich auf einmal umdrehte und ihr direkt in die Augen sah. Sah er darin die Reue, die sie überkam? Sah er endlich, was sie antrieb, immer weiter zu leben, warum sie nicht ausbrechen konnte? Was sie sich wünschte, wusste sie nicht.

„Was machst du noch hier? Ich dachte, du … ihr seid längst wieder auf dem Weg nach Lanan.

“ Sie erwachte aus der Starre, in die sie gefallen war, als er wieder das DU abgelegt hatte. Auf seine Frage konnte sie nur mit einem vorsichtigen, scheuen Kopfschütteln antworten, sie wusste die Antwort selbst nicht.

„Habe ich euch so sehr verletzt?“, hörte sie ihn leise flüstern, wahrscheinlich waren seine Worte nicht für sie bestimmt gewesen. Dennoch antworte sie, ebenso leise, aber es war nicht fair, ihn in dem Glauben zu lassen, es wäre sein Fehler gewesen.

„Du hast nichts getan, was falsch wäre. Nur ich habe etwas falsch gemacht. „

„Was kann so schlimm sein, dass ihr eure Lebensfreude verliert? Unsere Wege trennen sich hier, deshalb lasst mir ein paar letzte Worte: Ihr seid etwas ganz Besonderes, egal was auch geschehen mag, lasst euch dies niemals ausreden. Ich habe noch nie eine so starke und zugleich verständnisvolle Frau getroffen, wie ihr es seid. Zerstört nicht eurer eigenes Leben, denn es ist etwas Wunderbares.

Lebt wohl, Daria. „

Sie wartete darauf, dass er sich nun umdrehen und gehen würde, doch wieder blieb er einfach stehen und sah sie mit seinem durchdringenden Blick an. Er hatte von der Freude des Lebens gesprochen, wo war sie jetzt? Sie schloss die Augen und wartete darauf, dass es vorbei gehen würde.

Leise Schritte waren zu hören, doch sie bewegten sich nicht von ihr weg. Sie kamen direkt auf sie zu, unaufhaltsam.

Das nächste, was sie sah, war, dass er nur noch eine Armlänge von ihr entfernt stand. Ruckartig blieb er stehen, als er bemerkte, dass sie die Augen wieder geöffnet hatte.

Egal, was er vorgehabt hatte, irgendwann war einem alles egal. Sie hätte es viel früher tun sollen, noch mehr konnte sie nicht verlieren. Egal wie er reagieren würde, selbst wenn sie jetzt sterben sollte, wäre es nicht mehr so schmerzhaft, so qualvoll.

Es gab nur noch das Hier und Jetzt.

*****

Er war einfach stehen geblieben, weil ihn irgendetwas in ihm anschrie, dass er nicht gehen durfte. Irgendetwas in ihm zwang ihn dazu, einfach still zu bleiben, auch wenn ihr Anblick immer schmerzhafter zu werden schien. Als er sich wieder auf den Weg machen wollte, hatte es sich genauso angefühlt wie damals, als er Aileen das letzte Mal gesehen hatte.

Diese Zeit war Vergangenheit, aber Daria war real.

Durch seinen durch Magie geschärften Blick hatte er einen kurzen Eindruck von ihren Gedanken bekommen. Es war nicht mehr als ein kurzes Aufblitzen gewesen, doch er hatte darin zu erkennen geglaubt, dass sie nicht meinte, was sie gesagt hatte. Allerdings hatte er sich schon mehr als einmal geirrt, es war der einzige Bereich gewesen, in der er auf der Akademie nur durchschnittliche Resultate erzielt hatte.

Er musste einen schnellen Schritt nach hinten machen, als sie auf ihn zustürzte, sie warf sich ihm mit ihrem ganzen Körper entgegen, klammerte sich an ihn, dass er sich nicht hätte abfangen können. Ihre Umarmung war stürmisch, verzweifelt, aber sie schien die meterdicke Blockade in seinem Geist einfach zu sprengen.

Er hatte keine andere Möglichkeit, als sich darauf einzulassen, er hätte sich aber auch unter keinen Umständen gewehrt.

Von einem Moment auf den anderen lag sie in seinen Armen, er hielt sie an sich, wie er es damals bei Aileen getan hatte. Es gab nur einen großen Unterschied: Dies hier war kein Abschied, es war ein wunderbarer Neuanfang.

Sein Verstand schien auszusetzten, doch er wehrte sich nicht dagegen. Sein Herz musste ab hier übernehmen. Es rief nach Erlösung und Erfüllung. All seine Träume, all seine Wünsche gingen in Erfüllung.

Er hatte keine Ahnung, warum es ausgerechnet jetzt geschah, warum sie auf einmal seine Nähe suchte, doch sie fand sie bedingungslos.

Mit beiden Händen umfasste er ihren Kopf, er wollte ihr in die Augen sehen können, wollte wissen, was sie fühlte. Ein wenig zu kraftvoll drückte er ihn nach oben, sodass sich ihre Blicke nur kurz streiften. Ihre Augen waren feucht und glänzten wie zwei Sterne, nur noch viel heller.

Sie wollte etwas sagen, doch er erstickte ihre Worte, indem er seine Lippen auf ihre presste. Es war Jahre her, dass er jemanden so geküsst hatte, viel zu viel Zeit hatte er alleine verbracht. In diesen Sekunden fragte er sich, wie er so lange ohne eine Frau an seiner Seite hatte Leben können, doch er verwarf die Frage sofort wieder. Er hatte viel zu lange gezögert, die Zeit der Zweifel war vorbei.

Aus irgendeinem Grund war er nicht überrascht, dass sie seinen Kuss widerstandlos akzeptierte, ihn sogar erwiderte. Endlich hatte er sie gefunden, wie unwahrscheinlich es auch sein mochte, dass ausgerechnet sie seine Liebe erwiderte. Warum hatte er es nicht schon früher gesehen?

Ihr Kuss war heiß, leidenschaftlich, er schien ihn beinahe zu verbrennen. Doch es war ein wundervoller Brand, ein Feuer, das sich auf sein Herz übertrug und sich dort einnistete.

Die Flammen schienen ihn zu umschlingen und er nahm sie bereitwillig an.

Langsam erwachte auch der Rest seines Körpers wieder, das Blut schoss in alle Enden und ließ ihn glühen. Er begann über ihren Nacken zu streicheln, fuhr langsam mit seinen Händen ihren kräftigen Rücken hinunter, wie er es bereits im Traum getan hatte. Doch dies hier war kein Traum, es war so real wie er und Daria selbst.

Allein durch diese Gedanken wurde seine Atmung schneller, sein Brustkorb begann zu beben und drückte sich fest an sie.

Er wollte sie jetzt spüren, ihr das größte Geschenk dieser Erde übergeben. Wie viel seine Gedanken noch mit Liebe zu tun hatten, wusste er nicht, im Moment spürte er einfach nur pure Lust.

Es konzentrierte sich jedoch nicht auf ihn, sondern vielmehr auf Daria, sie war eine Gestalt des Himmels, die es zu verwöhnen galt. Druckvoll ließ er seine Hände über ihre Hüften nach oben gleiten, stoppte kurz vor ihrem Brustansatz und fuhr an ihrem Rücken wieder nach unten.

Seine Hände fuhren unter ihr Gewand und nahmen es mit nach oben. Wieder wollte er kurz vor ihrem Brustansatz umkehren, doch sie vollendete seine Bewegung, indem sie es von sich aus über ihre Schultern und schließlich über ihren Kopf hob. Langsam zog sie ihn zu Boden, sodass er neben ihr auf dem Gras zum Liegen kam.

Sie hatten ihren Kuss erst unterbrochen, als sie sich ihr Gewand abgestreift hatte, er nutze diese Gelegenheit, um tiefer wandern zu können.

Mit seinen Armen umschlang er sie, zog sie zu sich, jedoch so, dass er ihren Hals erreichen konnte. Vorsichtig küsste er sie darauf, spürte den Strang ihres Lebens darunter.

Er entfernte sich ein Stück und küsste nun die Mitte zwischen ihren beiden Brüsten. Ihre Haut war weich und einladend, es war als küsste er eine Wolke des Himmels, nur dass sie sich hob und senkte, sich ihm erwartungsvoll entgegen reckte und ihn nun leise anflehte, dort zu bleiben.

Lächelnd sah er sie an, sie hatte die Augen weit aufgerissen und starrte in ihn an. Er würde dafür sorgen, dass sie diesen Moment ebenso genoss wie er, wenn möglich sogar noch viel mehr. Immer noch lächelte er, als er sich wieder zu ihr beugte und ihr einen kurzen, aber leidenschaftlichen Kuss gab, wieder protestierte sie, als er sich ihr entzog.

Sein Kopf senkte sich wieder über ihrer linken Brust, jedoch nur so weit, dass er sie nicht berührte.

Nur sein heißer Atem strich über die steil aufragende Erhebung. Er ließ einen warmen Atemzug darüber gleiten, gerade als er sich der rechten Brust widmen wollte, vereitelte sie jedoch seinen Plan.

Sie streckte ihm ihre Brust entgegen, sodass seine Lippen diese berührten und einen feuchten Abdruck hinterließen, als sie sich wieder bei einem scharfen Atemzug ihrerseits senkte. Vorsichtig kam er diesmal ihrem Wunsch direkt nach und bedeckte sie mit heißen Küssen, seine linke Hand fuhr indessen über ihre rechte Seite nach oben, bis sie ebenfalls ihre Brust erreicht hatte.

Vorsichtig umfuhr er sie, wie eine leicht zerstörbare Blume. Sie blühte nur für ihn, ein leicht zerbrechliches Kunstwerk, von den Meistern persönlich geschaffen. Das unaufhörliche Schlagen ihres Herzens war die Musik des Himmels, unaufhaltsam und erwartungsvoll trug sie sie beide immer höher, das wiegende Gras um sie herum wurde zu einem streicheln der Wolken, der Wind zum Hauch der Erlösung.

Seine Lippen zogen eine heiße Spur, wanderten wieder über ihren Hals, bis er sie wieder auf ihre presste.

Immer wieder lösten sie ihren Kuss für einen Moment, nur um sich noch intensiver wieder zu vereinigen. Ihre Zungen umschlangen einander, wurden immer wieder getrennt und trafen sich dann umso erwartungsvoller. Es war ein Tanz der Sinne, für etwas anderes gab es keinen Platz mehr.

Er konnte sich nicht erinnern, wie sie es geschafft hatte, jedenfalls spürte er ihre weichen Brüste an seinem Oberkörper, direkt und ohne ein weiteres Hindernis.

Sein Glied klopfte an ihre warme Pforte, der Tür in die Welt der Träume. Auf eine Reaktion von ihr wartend strich er mit seinen Händen von ihren Brüsten aus über ihre bebende Bauchdecke, bis er kurz vor ihrem Heiligtum angelangt war. Sie hatte die Augen geschlossen, doch ihr Blick schien die Lider zu durchdringen. Er wusste, wie sehr sie sich nach seiner Berührung dort sehnte, doch er würde ihr den Wunsch noch nicht erfüllen.

Mit tiefer werdenden Atemzügen inhalierte er ihren Duft, sie umhüllte ihn mit dem Geruch der Verführung. Von Anfang an war sie die Versuchung gewesen, jetzt, wo er beinahe am Ziel seiner Wünsche angelangt war, wollte er diesen Eindruck nicht zerstören.

Von Engeln nahm man sich nicht einfach, was man wollte, man bot ihnen Geschenke dar und hoffte darauf, dass sie einen ebenso beschenken würden. Genau nach diesem Grundsatz handelte er: Wenn er sie beschenkte, bestand eine kleine Chance, dass sie zu seiner Erfüllung wurde.

Sanft fuhr er wieder nach oben, darauf achtend, dass sie seine Erregung nicht zu spüren bekam. Sie sollte sich einfach fallen lassen können und genießen, er wollte ihre Aufmerksamkeit nur auf seinen Händen wissen. Er hatte anscheinend Erfolg, denn auf seinem Rückweg, versuchte sie ihm ihr Becken entgegen zu strecken, doch er drückte sie wieder zurück, einen kleinen Moment musste sie noch warten.

Sanft gab er ihr einen Kuss auf beide Brüste, bevor er wieder damit begann, sie mit seinen Händen zu umschmeicheln.

Beinahe ohne jeden Druck fuhr er über sie, er hob seine Hände sogar leicht an, sodass sie die ganze Zeit nichts weiter als einen leichten Hauch spüren konnte. All ihre Versuche, ihm entgegen zu kommen, wehrte er ab.

Zeit konnte er nicht mehr abschätzen, nur noch die Anzahl ihrer Herzschläge war wichtig. So trieb er dieses Spiel eine unzählige Anzahl an Schlägen mit ihr, bis sie endlich erlöst werden sollte.

In den letzten Momenten brauchte er deutlich Kraft, um sie noch am Boden zu halten, es war Zeit, weiter zu gehen.

Langsam ließ er von ihrer mit kleinen Schweißperlen bedeckten Brust ab und streichelte mit seinen Händen hinunter zu ihren Hüftknochen, um an diesen entlang zu fahren. Die Seiten stetig wechselnd küsste er jede Stelle, über die er gekommen war, jedoch ähnlich wie seine Berührung nur so, dass sie den warmen Hauch seines Atems spürte, und nur eine Ahnung von seinen feuchten Lippen entstand.

Als sie nun ihr Becken anhob und sich ihm zu ihm streckte, wehrte er sie nicht mehr ab, umfasste ihr Hüfte mit beiden Armen und zog sie noch ein Stück zu sich. Ihr intensiver Duft schien ihn beinahe zu betäuben, er musste seine ganze Willenskraft aufbringen, um nicht sofort seine eigene Lust zu befriedigen, dass sie seine Erregung allzu deutlich an sich spürte, war nicht mehr zu verhindern. Beinahe schmerzhaft schien sie mehr Blut in sie schießen zu wollen, als es irgendwie möglich war, doch er schaffte es, nicht die Kontrolle zu verlieren.

Sich der Magie des Augenblicks bewusst küsste er vorsichtig ihren Eingang, entfernte sich einen Fingerbreit, um ebenso ihren Kitzler zu küssen. Er zitterte fast ein wenig, als seine Lippen vorsichtig auf ihre Perle trafen, zu lange war es her, dass er jemandem auf diese Weise seine Liebe gezeigt hatte, viel zu lange. Der Moment der Berührung war für ihn beinahe intensiver als für sie, obwohl sie hörbar nach Atem rang.

In seiner Erinnerung war es stets nur eine Art Vorbereitung gewesen, hier war es bereits stärker als alles bisher gekannte.

Um sie nicht zu sehr zu überreizen ging er wieder ein wenig tiefer, seine Lippen berührten nun wieder ihre nach außen gewölbten Schamlippen. Seicht wie ein Luftzug versuchte er sie mit seiner Zunge zu teilen, doch diesmal konnte er seine eigene Erwartung nicht so effektiv zurückhalten. Es war dennoch nicht weiter schlimm, denn sie kam ihm soweit es ihr möglich war entgegen, sodass seine Zungenspitze unweigerlich ein Stück in sie eindrang.

Seine Vorarbeit hatte mehr Wirkung gezeigt, als er erwartete hatte, ihre Säfte überschwemmten ihn wie ein Sturzbach, er konnte sich nicht zurückhalten einen Teil regelrecht zu trinken. Es war das Elixier ihres Lebens, es wurde zu seinem.

Er zog sich aus ihr zurück, doch ihr Brunnen lud ihn ein erneut einzutauchen. Wieder küsste er sanft ihre Perle, beinahe wäre er zurückgezuckt, als sie sich beinahe aus seinem Griff zu winden schien, doch er hielt sie fest an sich.

Ihr Körper schien zu rebellieren, jegliche Muskeln zogen sich ruckartig zusammen, beinahe fürchtete er darum, dass sie nicht wieder anfangen würde normal Luft zu holen.

Gerade als er sich von ihr lösen wollte, kehrte sie wieder in die Wirklichkeit zurück und überließ es nun vollkommen ihm, sie zu halten. Zufrieden hob er seinen Kopf an und sah in ihr vor Anstrengung zitterndes Gesicht. Er hatte sein Ziel erreicht, auch wenn er nicht damit gerechnet hatte, dass es so schnell geschehen würde.

Es dauerte eine scheinbare Ewigkeit, bis sie wieder vollkommen zu sich kam, ein Gedanke verirrte sich in die Richtung, ob sie wohl ebenso lange wie er von Enthaltsamkeit hatte leben müssen. Nein, es war kein echtes Leben gewesen, eben war ihm wieder klar geworden, was mit der Magie des Lebens gemeint war: Liebe.

Liebte sie ihn, oder war sie von Lust getrieben worden, hatte er sich eventuell doch einfach nur genommen, was er wollte? Nach ihrer stürmischen Umarmung hatte er nicht gefragt, sie zu keiner Zeit um ihr Einverständnis gebeten.

Er hatte sie einfach geküsst, ihr vielleicht mehr genommen, als er gegeben hatte. Zweifel dieser Art hatten sein bisheriges Leben zerstört, nur hatte er sich immer vorher gefragt, ob es richtig war. Nun kamen die Fragen danach, sie waren durchdringender und ernster als alles Vorherige. Dennoch hatte es ihr eindeutig gefallen, jedenfalls ihrem Körper, doch was war mit ihrem Geist?

Mit diesen Gedanken geplagt löste er langsam den Griff um ihre Hüfte, den er die ganze Zeit über gehalten hatte und ließ sie in das weiche Gras gleiten.

Auf einmal schien alles so unvollständig, kaum hatte er ihre direkte Nähe verlassen, fühlte es sich an, als ob etwas fehlte.

Er hatte nicht gemerkt, dass er seine Augen geschlossen hatte, so traf ihn ihr Kuss völlig unvorbereitet. Sollte er doch etwas richtig gemacht haben? „Wie konnte ich das nur übersehen?“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Lufthauch, nur eine kleine Änderung des Windes, ihre Worte waren mehr Gedanken als gesprochen, doch in seinen Ohren waren sie deutlicher als wenn sie normal gesprochen hätte.

Es gab ihnen eine Melodie, der er sich nicht entziehen konnte, ihre Worte waren mehr als jede Liebeserklärung der Welt. Sie drückten keinen Zustand aus, sondern echte Gefühle, es war nicht die Sprache der Gedanken sondern des Herzens.

Sie drückte ihn sanft auf die kühle der Wiese, ähnlich, wie er es mit ihr zuvor getan hatte. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie sich verführerisch so in Position brachte, dass zu jedem Zeitpunkt ihre Beine gespreizt blieben und jeweils ein Bein rechts beziehungsweise links von ihm lag.

Sie beugte ihren Oberkörper so nach unten, dass die Spitzen ihrer Brüste jeweils über seinen Oberkörper strichen und so abwechselnd heiße und kalte Wellen durch seinen Körper sandten. Ihre Hände waren unaufhörlich damit beschäftigt, entweder ihre Bewegung zu unterstützen und seine Brust und Bauchmuskeln entlangzufahren oder seinen Kopf so zu zentrieren, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als ihrem Treiben genauestens zuzusehen.

Er war unfähig in irgendeiner Form angemessen zu reagieren, sie umschmeichelte ihn, dass er nichts anderes zu tun wusste, als es zu genießen.

Ein einziges Mal unternahm er den Versuch, etwas zu sagen, sie zu fragen, womit er das verdient hatte. Sie reagierte jedoch schneller als es seine eigenen Gedanken hätten tun können und unterband seinen Versuch mit einem blitzschnellen Kuss, der ihn eindeutig anwies, nichts zu tun.

Je länger sie dies tat, desto deutlicher schien sich seine Erregung dem Himmel entgegen zu strecken, mehr als die scheinbar zufälligen Berührungen ließ sie seinem besten Stück jedoch nicht zukommen und aus irgendeinem Grund schaffte sie es jedes Mal die Pause so abzupassen, dass er schon vermutete, sie hätte es vergessen.

Kaum strich sie jedoch wieder scheinbar beiläufig darüber, entwich ihm ein immer tieferes Stöhnen.

Seinem eigenen Höhepunkt kam er kein Stück näher, die Erwartung darauf wurde jedoch beinahe zur seelischen Folter für ihn, einer süßen Folter der Liebe. Sie veränderte ihre Bewegungen nur minimal, doch es erzielte ohne Frage die erwünschte Wirkung. In ihm entstand der kaum noch zu beherrschende Wunsch, sie endlich an sich ziehen zu können, endlich die mittlerweile von ihm mit all seinen Gedanken herbeigewünschte Vereinigung vollziehen zu können.

Sie verwehrte es ihm, sie wirklich spüren zu können, all ihre Handlungen waren nie mehr als ein sanftes Herüberfahren oder ein liebevolles Kitzeln seiner empfindlichen Punkte. Es war noch deutlich schwieriger sich zu beherrschen, als in den Minuten, in der er sie verwöhnt hatte. Das einzige, das ihm genug Kraft gab, war ihr grenzenloses Vertrauen.

Sie sah ihm ohne Zweifel an, wie schwer es ihm fiel, doch sie unternahm absolut Garnichts um ihn in seiner Position zu fixieren oder festzuhalten, bis auf ein gelegentliches Zurechtdrehen seines Kopfes für einen Kuss.

Zu jedem Zeitpunkt hätte er sich den nächsten Schritt einfach nehmen können, doch sie vertraute bedingungslos darauf, dass er dies nicht tat.

Dieses Wissen war beinahe schöner, als jede Empfindung, die von seinem Körper ausgehen konnte. Vertrauen und Verständnis in diesem Maße hatte er noch nie erlebt, zum ersten Mal gab er sich im Prinzip selbst auf und überließ alles ihr, er würde erst wieder aktiv werden, wenn sie dies wollte.

Daria hatte sich dieses Vertrauen verdient, indem sie ihm vertraut hatte. Trotzdem registrierte er erleichtert, dass sie dazu übergegangen war, ihren Oberkörper ein wenig weiter zu senken und so immer wieder ein paar Sekunden einfach auf ihm verharrte, ein wenig später spürte er sogar, dass sie erst noch vorsichtig, dann immer häufiger anstatt ihrer Hände ihr Becken so über seine Eichel streichen ließ, dass sie jeweils für einen kurzen Moment ihren Kitzler berührte, nur kürzer als die Dauer eines Augenblicks, doch es fühlte sich an, als würden sich Blitze in ihm entladen und seinen ganzen Körper erzittern lassen.

Ihr schien diese neue Art der Befriedigung offensichtlich ebenfalls gut zu gefallen, es fiel ihr sichtlich immer schwerer ihr „Programm“ weiterhin durchzuhalten, immer häufiger wurden die kurzen Berührungen, die ihre Augen jedes Mal Funken sprühen ließen.

Alles in ihm schrie nur noch nach Erlösung, er versuchte sie möglichst flehend anzusehen, er war mehr als bereit. Ein kaum merkbares Nicken ihres Kopfes, erlaubte ihm schließlich, ebenfalls wieder etwas tun zu dürfen.

Zeitgleich rutsche sie ein wenig nach oben, sodass ihre Mitte nun nicht ganz eine Handbreit über seiner aufragenden Erregung schwebte, so nah und doch immer noch unerreichbar.

Seiner erste Handlung war, sie endlich zu sich zu ziehen, nicht so, dass sie sich vereinigten, sondern nur so, dass er endlich ihre vollen Brüste an seinem Oberkörper spürte. Er drängte sie sanft dazu, sich auf ihn zu legen, bis er ihre Lippen zu einem diesmal sehr lange andauernden Kuss erreichte.

Auch wenn es ihm im Nachhinein wahrscheinlich lächerlich vorkommen würde, versuchte er dennoch, echte Liebe in seinen Kuss hineinzulegen, ihr zu zeigen, wie sehr er sie brauchte. Sie war mehr als nur eine platonische Erfüllung seiner primitiven Wünsche, sie schenkte ihm Erfüllung seiner Seele. Er war nicht mehr längerer ein verlorener Abenteurer, sie hatte ihm in den letzten Minuten ein neues Lebensziel gegeben.

Er konnte sich nicht erklären wie, dennoch fühlte er irgendwie, dass sie ihn verstand und ihr Verhalten bestätigte ihm, dass es ihr ähnlich ging.

Im Gegensatz zum ersten Mal, alssie sich geküsst hatten, schien dieser Kuss nicht verbrennen zu wollen, er war nicht stürmisch, sondern sanft und lang. Von ihm ging nicht jenes heiße Verlangen aus, welches er beim ersten Mal gefühlt hatte, sondern es war eine stetige Wärmequelle, die sein ganzes Ich in einen Teil von ihr verwandelte.

Nur ein wenig widerwillig gab er schließlich ihrer stummen Aufforderung nach, den Kuss zu beenden, wurde dafür jedoch mehr als angemessen entschädigt.

Sie hatte sich ein wenig aufgerichtet und eine Hand um seinen Schaft gelegt, mit dem sie ihn so hielt, dass er geradewegs in ihre weit geöffnete Pforte eindrang.

Keine seiner Erinnerungen konnte es mit diesem Gefühl auch nur ansatzweise aufnehmen, es war förmlich wie ein Eintauchen in den Himmel, den Himmel der Lust. Er hörte nichts, doch es fühlte sich an, als ob ein Urschrei seine Kehle verließ, zu intensiv war das Gefühl, sie so spüren zu können.

Ihre Vorbereitung war jedoch so gut gewesen, dass er nicht lange durchhalten würde. Langsam drang er immer weiter in sie ein, ohne eine einzige Unterbrechung glitt er durch ihre nasse Höhle. Als sich ihre Schamlippen auf seinen Unterleib pressten, stöhnten sie beide ein weiteres Mal laut auf, an dem Ausdruck, der in ihren Augen lag, erkannte er, dass auch sie wohl nicht mehr allzu weit von ihrem zweiten Höhepunkt entfernt sein konnte.

Vielleicht eine Fingerbreit hob sie ihr Becken nun wieder an, um sich sogleich von Neuem auf ihn fallen zu lassen. Das allein genügte bereits, um seine Empfindungen beinahe explodieren zu lassen, schnell fanden sie jedoch einen gemeinsamen Rhythmus, mit dem sie beide dem Ziel beinahe entgegenflogen.

Seine Hände suchten ihre Brüste und fanden sie, im entgegengesetzten Takt ein wenig nach oben und unten wippend. Es fiel ihm nicht schwer sie so zu massieren, dass er wieder spürte, wie ihre Atmung hörbar schneller wurde.

Parallel erhöhte er die Strecke ihrer Bewegungen, sodass er sie sich nur knapp nicht aus ihr entfernte.

Bei jeder Bewegung fuhr so sein Lustkopf durch ihren mittlerweile wieder ein wenig vor Nässe auslaufendenden Eingang. Kurz bevor er jedoch den Höhepunkt erreichte, hielt er sie mit einer kurzen, aber bestimmten Bewegung fest, während sein Glied gerade vollkommen in ihr war. Der nächste Stoß würde ihn in eine andere Dimension befördern, ein klein wenig musste er jedoch noch aushalten.

Sie sollte vor ihm, im Idealfall mit ihm, die Klippe überschreiten, zu diesem Zweck veränderte er ihre Position so, dass sie nun seitlich nebeneinander auf dem Gras lagen, ohne dabei jedoch ihre Becken auch nur einen Zentimeter wieder auseinander zu bewegen.

Diese neue Position hatte nun den Vorteil, dass er mit einer Hand problemlos ihren Kitzler erreichen konnte, während er sich in ihr bewegte. Einen kurzen Moment ließ er vorsichtig nur seine Hand um ihre Perle kreisen, bis er sich in der Lage fühlte, ihnen ein gemeinsames Erlebnis zu bescheren.

Darias Atem ging mittlerweile so schwer, dass sie wieder klang wie kurz vor dem Erstickungstod, es war so weit. Er drückte seinen Daumen vorsichtig genau auf ihren hervorstehenden Lustknopf während er sie mit einem kräftigen Stoß zu ihrem zweiten Orgasmus trieb. Beinahe noch stärker als zuvor schien sie von tausenden Stromschlägen gepeitscht zu werden, diesmal jedoch spürte er noch zusätzlich jedes Zucken ihrer Beckenmuskulatur.

Allein ihr Anblick hätte ihn wahrscheinlich ebenfalls den Höhepunkt erreichen lassen, ihren Orgasmus in ihr miterleben zu dürfen, schickte ihn jedoch förmlich in eine andere Welt.

Ihre beiden Säfte strömten aus ihr heraus, als sie sich langsam voneinander trennten, es war das Zeugnis ihrer gemeinsamen Liebe.

*****

Eine scheinbare Ewigkeit blieben sie eng umschlungen einfach im hohen Gras liegen, unwillig sich voneinander zu trennen. Es hatte viel zu lange gedauert, bis sie sich gefunden hatten, es wäre purer Hohn gewesen, wenn sie sich wie eigentlich geplant für die Reise fertig gemacht hätten.

Immer wieder trafen sich ihre Lippen zu heißen Küssen, nie waren sie vollständig voneinander getrennt.

Erst als er bemerkte, dass sie im kühlen Wind leicht zu frösteln begann, löste er sich schweren Herzens von ihr und zog sich selbst ebenfalls wieder an, der kühle Wind konnte schnell eine Krankheit mit sich bringen.

„Ich hoffe doch, wir setzten die Reise nach Lanan gemeinsam fort?“, fragte er schließlich, immerhin hatte sie ihn gebeten gehabt, alleine bleiben zu dürfen, auch wenn dies beinahe Jahrzehnte her zu sein schien.

Er würde ihr überall hin folgen, solange er nur bei ihr sein konnte, das Einzige, was ihn davon abhalten könnte, wäre ihr ausdrücklicher Wunsch.

„Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Paar getrennte Wege in dieselbe Richtung geht, jedenfalls nicht wenn es sich um einen Weg im räumlichen Sinn handelt… Ich würde es nicht akzeptieren, wenn du mich nun noch verlässt. “ Sie lächelte, einen Ausdruck, den er am liebsten für die Ewigkeit auf ihr Gesicht bannen würde.

Ihre Stimme war wieder selbstbewusst und kräftig, ihren Humor hatte sie auch wieder gefunden. Was gab es also noch zu verlieren?

Wie und warum sich die Umstände so entwickelt hatten, wie sie es getan hatten, war ihm nach wie vor nicht klar, auf dem Weg würde er sie danach fragen. Doch nun hatte sie ihre Lebensfreude wiedergefunden, die er kurzzeitig verloren geglaubt hatte, und sie färbte definitiv auf ihn ab.

Wenn sie glücklich war, war er glücklich. Der Rest der Reise würde magisch werden, in nächster Zeit würden sie hoffentlich öfter ihr Lager teilen.

Seine unerwartet erwiderte Liebe und sein wiedererweckter Sinn des Lebens schienen ihn beinahe schweben zu lassen, erfüllten ihn mit Selbstvertrauen. Seine Gedanken kreisten um ihre Zärtlichkeit, in seiner Fantasie gab es nur noch eine unbeschwerliche Reise angereichert mit ihrer gegenseitigen Liebe. Die reinen Gedanken eines Unwissenden….

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