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Assassins‘ Sins Ch. 02

Dies ist er also, der zweite Teil zu Assassins‘ sins. Alle, die in erster Linie eine erotische Geschichte lesen wollen, bitte ich einfach bei Kapitel 2 anzufangen, ich hoffe es ist eine gelungene Fortsetzung.

An alle, die auch das erste Kapitel lesen wollen, ein kurzes Vorwort: Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Teil überhaupt veröffentliche, da er weder eine erotische Geschichte ist und außerdem ein Thema anspricht, welches eigentlich nicht in die Erotik gehört, für mich aber trotzdem eine starke Verbindung zu dieser Geschichte hat, die Sünden eines Assassinen.

Ich bitte darum, es als die Fantasy-Geschichte zu sehen, die sie ist, und Meinungen und Aussagen der handelnden Figuren nicht für meine eigenen zu halten. Es geht um den Wert von Leben, inwiefern Morde, die Cora und Credan verüben, moralisch vertretbar sind aber auch um die Probleme, damit umzugehen. Ich hoffe, euch die Gefühlswelt der Figuren, besonders der von Credan, ein wenig verdeutlichen zu können und zu zeigen, wie eng Tod, Leben und Liebe eigentlich verbunden ist.

Egal, für was ihr euch entscheidet: Lasst bitte wieder Kommentare und Rückmeldungen, sie waren es, die mich dazu motiviert haben, doch noch eine Fortsetzung zu schreiben, obwohl ich es eigentlich als abgeschlossene Kurzgeschichte geschrieben hatte. Nochmal vielen, vielen Dank dafür!

KAPITEL 1: Zweifel

Die Nacht war kühl und beinahe furchteinflößend still. Nicht ein einziger Vogel war zu hören, nur ein entferntes leises, weit entferntes Gemurmel ließ sich vernehmen.

Der Himmel war fast wolkenlos, das diffuse Licht des Mondes überzog alles mit einem silbernen Schimmer.

Mit genauso lautlosen Schritten wie die Nacht eilte Credan durch die Gassen, zwischen engen Häuserschluchten hindurch, die Straßen meidend. Er wusste, dass Cora ihm mühelos würde folgen können, auch wenn sie ihre Anwesenheit durch nichts verriet. Wie immer blieb sie etwa 50 Schritte hinter ihm, unsichtbar wie ein Schatten.

Er machte einen vorsorglichen Umweg um die Taverne ‚Zum goldenen Wildschwein‘, auch wenn sie

um diese Zeit längst geschlossen war.

Man konnte nie vorsichtig genug sein, zu jeder Zeit konnte noch ein Betrunkener herausgeworfen werden und diese sorgten bei einem Treffen für gewöhnlich für so viel Lärm, dass man die Aufmerksamkeit in einem nicht allzu kleinen Umkreis auf sich zog, nicht gerade das, was er gebrauchen konnte.

Ein zweifacher Eulenruf zerbrach die Stille, ruckartig blieb er stehen und drehte sich um. Zwei Sekunden später sah er Cora mit gezogenem Dolch auftauchen, zehn weitere Sekunden später war sie bei ihm.

Sie hatte knapp mit dem Kopf geschüttelt, das Signal war nicht von ihr gekommen.

In der Stadt gab es nahezu keine Eulen, ihr Ruf war dementsprechend selten, aber für den Großteil der Bevölkerung nichts alarmierendes, sie hielten es für einen normalen Vogelruf. Für eine Handvoll andere Personen jedoch, vorzüglich den Assassinen, war dieser Ruf aus diesen Gründen zu einem praktischen Alarmzeichen geworden, für die meisten unauffällig und dennoch eindeutig.

Weder er noch Cora hatten ihn diesmal benutzt, er kam also höchstwahrscheinlich von einem anderen Assassinen.

Das Gildenhaus, ein unauffälliges Bürgerhaus, welches trotzdem recht zentral gelegen war, befand sich ganz in der Nähe. Einer unausgesprochenen Absprache folgend, rannten sie direkt dorthin, diesmal nebeneinander mit gezogenen Dolchen, jedoch so, dass man sie sofort wieder unauffällig verschwinden lassen konnte.

Die Fenster waren dunkel, sah man jedoch genau hin, konnte man einen leichten Lichtschimmer am jeweils oberen Rand erkennen. Um nicht aufzufallen, waren alle Fenster verdunkelt, diese Tatsache war also nichts Ungewöhnliches.

Blitzschnell sah er sich um, beinahe hätte man meinen können, alles wäre normal. Beinahe. Ein langer, nicht in das Schattenbild des Mondes passender dunkler Fleck war auf dem Hausdach zur linken des Gildenhauses auszumachen, genau gegenüber von ihnen.

Die Person beherrschte ihre Kunst, sie hatte nur Pech, dass er und Cora genau gegenüber von ihm aufgetaucht waren, so dass er für seine geübten Augen auffiel. Er spürte wie Coras Hand ihn am Arm berührte, sie wollte ihn auf den Fremden auf dem Hausdach aufmerksam machen.

Noch durch den Anfang der Nacht etwas durcheinander, drehte er sich instinktiv zu ihr, um ihr zu sagen, dass er ihn auch gesehen hatte, jedoch keinen Moment zu früh. Er sah ein kurzes Aufblitzen einer Klinge, die auf ihren Rücken zuflog, reflexartig parierte er sie, einem Panther gleich, der sich blitzartig auf seine Beute stürzt.

Das Klirren, als die beiden Klingen sich trafen zerriss beinahe ohrenbetäubend die Stille, auch wenn es nicht lauter als ein normaler Schritt war.

Cora duckte sich instinktiv und drehte sich in einer einzelnen fließenden Bewegung. Wieder standen sie beide eng nebeneinander, sie jedoch diesmal in geduckter Stellung. Kaum vernehmbare Schritte entfernten sich, es war jedoch nichts zu sehen.

Al er sich erneut in Richtung Gildenhaus umdrehte, sah er, wie sich die Person auf dem gegenüberliegenden Dach aufgerichtet hatte und eine schussbereite Armbrust in beiden Händen hielt, die auf die Stelle gerichtet war, an der er stand.

Weder er noch der andere bewegte sich, beide schienen in die von der Dunkelheit verborgenen Augen des anderen zu starren.

Für den Bruchteil einer Sekunde vernahm er etwas, das sich ähnlich wie das keckern eines Eichörnchens anhörte, lang genug jedoch um die Stille der Nacht, die wieder wie ein schwerer Schleier über sie gefallen war nachhaltig zu stören. Sich entspannend ließ er einen ähnlichen Ton hören und sah sich nach Cora um.

Sie hockte nach wie vor am Boden, jederzeit bereit einen Angriff abzuwehren oder auszuführen. Er legte seine Hand sanft auf ihre Schulter, um ihr zu signalisieren, dass die Gefahr vorüber war.

Sie stand auf und steckte ihren Dolch ebenfalls wieder in eine Tasche an ihrem Gürtel. Ohne groß darüber nachzudenken, zog er sie sanft zu sich, wollte sie küssen. Zum ersten Mal hatte er wirklich Angst um sie gehabt, war getrieben gewesen von dem Schreckensbild ihres toten Körpers.

Erschrocken stellte er fest, dass er sich zum ersten Mal seit langer Zeit vergeblich versuchte, sich auf das zu besinnen, was er gelernt hatte, zu groß war die Angst um sie gewesen. Sollte er sie jetzt verlieren, würde er innerlich zusammenfallen und seinen Körper mitnehmen.

Gerade noch rechtzeitig bemerkte Cora seine Absicht und ließ sich zu einer Umarmung fallen, aus der sie sich jedoch wieder ziemlich schnell löste. Sie schenkte ihm einen kurzen, missbilligenden Blick und wendete sich schließlich ab, um das Gildenhaus zu betreten.

Innerlich verfluchte er sich dafür, dass er so unvorsichtig gewesen war, sie hatte recht. Jetzt war es noch wichtiger als zuvor, dass die Gilde auf ein rein praktisches Verhältnis zwischen ihnen beiden vertraute, ein öffentlicher Kuss war da alles andere als förderlich. Dennoch, tief in ihm tat es weh, ihr nicht nahe sein zu dürfen, doch es musste sein. Sein Verstand wusste das, sein Herz jedoch schmerzte bei jedem Gedanken daran.

Er schaffte es gerade noch, sie bis zum Eingang einzuholen und hielt sie leicht an der Schulter fest. „Tut mir leid, es ist nicht einfach…“ Ihre Gesichtszüge wurden minimal weicher und sie zeigte ein angedeutetes Kopfnicken, so, dass man es auch einfach übersehen könnte. „Ich weiß…, aber wir müssen uns konzentrieren. Wir dürfen uns heute Nacht keinen Fehler erlauben. “ Ihr Gesichtsausdruck war hart, ihre Worte klangen selbstsicher, beinahe anklagend.

Dennoch, er spürte, dass sie mindestens ebenso mit sich kämpfen musste wie er. Hinter der selbstsicheren Fassade fiel es auch ihr unendlich schwer, ihm nicht einmal tief in die Augen blicken zu dürfen.

Leise, gedämpfte Schritte waren hinter ihm zu hören, instinktiv drehte er sich fluchtbereit um, entspannte sich jedoch sofort wieder, als er Lycran erkannte. Seine Armbrust hatte er wieder auf den Rücken geschnallt, er machte jedoch einen missmutigen Eindruck.

„Warum steht ihr vor der Tür und geht nicht hinein?“, fragte er, und ließ dabei ein unverhohlenes Misstrauen mitschwingen. „Wollten wir gerade tun, doch dann haben wir dich gehört. “ antwortete Credan mit einem ebenso frostigen Unterton.

Sanft drängte er Cora in das Gildenhaus hinein, aus dem inneren schlug ihnen warme, aber abgestandene Luft entgegen. Es war wie immer diffus beleuchtet, in einer Ecke stand ein vollgestopftes Regal mit Büchern und Pergamentrollen neben einem ebenso überladenen Schreibtisch.

Dahinter ließ sich das Gesicht von Kvoth ausmachen. Mit einem kurzen Nicken in seine Richtung begrüßte er ihn, er war jedoch so mit Schreiben beschäftigt, dass er ihre kleine Gruppe, die eben das Haus betreten hatte, nicht bemerkt hatte.

Cora ließ ein leichtes Räuspern hören, woraufhin Kvoth erschrocken aufsah. „Guten Tag“ stammelte er, etwas durcheinander. Lycran verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. „Das ist wohl ein wenig übertrieben… Ich würde es nicht als einen guten Tag bezeichnen, wenn Theobald sich bereits so sicher ist, das er sich traut der Gilde persönlich einen Besuch abzustatten.

Aber ich hoffe doch, dass dieses Problem bald erledigt ist, oder?“

Bei dem letzten Satz hatte er sich in Richtung von Cora und Credan gewendet und funkelte sie böse an. „Eigentlich wollte ich mein Leben noch einen Moment genießen können, aber das ist etwas schwer, wenn ihr beide euch lieber miteinander beschäftigt, als ein wenig Pflichtbewusstsein für die Gilde zu zeigen…“

Credan zuckte kurz zusammen, sollte er etwas davon mitbekommen haben, was vor ein paar Stunden passiert war? Nein, eigentlich konnte er das nicht, Lycran war schon immer misstrauisch gewesen und er war auch einer der Gründe, warum sie die wahren Umstände ihrer Beziehung um jeden Preis geheim halten mussten.

Ein wenig Unsicherheit jedoch blieb, warum konnte er Cora nicht einfach so lieben, wie es allen erlaubt war? Aber diese Probleme waren ihm schließlich bewusst gewesen und er würde sie auf keinen Fall wieder aufgeben.

„Wie lang ist es noch hin bis zum Sonnenaufgang?“, fragte er, den Kopf wieder in Richtung Kvoth gewendet. „Ich würde sagen noch zwei bis drei Stunden, warum?“ antwortete er, diesmal ein wenig gefasster. Bevor er etwas darauf erwidern konnte, fiel ihm Cora ins Wort, dabei drängte sie ihn in Richtung Tür.

„Danke, Kvoth. Wir haben noch etwas zu erledigen, bis später. „

Als sie geendet hatte, stand sie bereits halb in der Tür und schob ihn ohne weiteren Kommentar mit hinaus. Erst als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, drehte sie sich zu ihm und sah direkt in seine Augen. Ihre Stimme wurde auf einmal schwer, schien wie durch eine Wand zu ihm zu kommen.

„Wir können so nicht lange weiter machen.

Es ist noch nicht einmal die Nacht vergangen in der wir…“. Sie ließ eine beinahe unheimlich wirkende Pause, durch ihre Augen sah er, wie schwer ihr die Worte fielen. Innerlich schrie sie vor Schmerzen, den Schmerzen von Unterdrückung. Es hatte sich so gut angefühlt sie spüren zu können, warum konnte er dieses Gefühl nicht behalten?

Die Vorstellung, die Möglichkeit diesen Moment noch einmal spüren zu können war das einzige, was ihn davon abhielt sofort alles zu beenden.

Er wusste, wie verzweifelt er sich daran klammerte, wie an ein dünnes Seil, welches so einfach reißen konnte. Dann würde er fallen, endlos bis zum Ende.

„Wir sollten uns wirklich zu Theobald von Kriwen aufmachen, seine Aktivitäten gegen die Gilde haben extrem bedrohliche Ausmaße angenommen, das haben wir eben gesehen. “ Ihre Stimme klang wie das von einem kleinen Kind, welches sich eben gerade von einem Weinkrampf erholt hatte: Brüchig und unsicher, ob die Stimme endlich die eigene Verzweiflung überspielen konnte.

Sie drehte ihre Kopf in Richtung Straße, wich seinem Blick aus und wendete sich zum gehen. Er sah deutlich, wie sie sich selbst dazu zwingen musste, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Dennoch wich sie gezielt seinem Blick aus, sie hatte Schwäche stets darüber definiert, wenn man sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hatte, nun erstickte sie beinahe unter der Last der eigenen Gefühle.

Sie konnte jedoch nicht die Träne verbergen, die sich langsam aus ihrem Auge löste und über ihre Wange hinunter rann.

Das Mondlicht schien in der Spur zu glitzern, ihr engelsgleiches Gesicht schien erfüllt von dem dunklen Schimmer der Nacht.

Sanft legte er eine Hand auf ihre Schulter, jedes Wort hätte sie zusammenbrechen lassen. Er spürte das Beben ihrer Brust, das dumpfe Pochen ihres Herzens. Wie in jener Nacht in seiner Kindheit spürte er ihr Leid so deutlich wie sein eigenes, nahm ihr den Schmerz ab und schirmte ihn vor ihr ab.

Wie damals spürte er ihre innere Leere, lud die tonnenschwere Last der Verzweiflung auf seine Schultern. Wie früher tauschte er ihre Wunde mit seiner Kraft, die er wie jedes Mal beinahe zu verlieren schien.

Nur ein einziger Gedanke bewahrte ihn davor selber zusammenzubrechen, drang ihn dazu durchzuhalten und alles restlos aufnehmen zu können: Der Gedanke an sie. Er wusste, solange er ihr auf diese Weise half, würde es ihr besser gehen.

Er musste durchhalten, sie war alles was zählte.

Er spürte, wie sich ihre Atmung langsam beruhigte, spürte wie die Wärme in ihren Körper zurückfand. Aus einem Impuls heraus gab er ihr einen flüchtigen Kuss in den Nacken. Gerade noch rechtzeitig, bevor hinter ihnen aus der Tür Lycran heraus kam. Sein Blick wirkte wie ein kalter Regenschauer, aber er half, wieder vollkommen klar denken zu können.

„Ich dachte, ihr hättet noch etwas zu erledigen, warum steht ich dann noch hier?“, fragte er mit deutlichem Misstrauen.

„Wir wollten gerade gehen“, antwortete Credan, wendete sich ab und lief in gewohnter Manier durch die Gassen, leise wie sein eigener Schatten, die Sinne bis aufs äußerste gespannt.

Er wusste, dass Cora ihm ohne Probleme folgen würde, obwohl nichts ihre Anwesenheit verriet. Theoretisch hätte sie immer noch vor dem Gildenhaus stehen können, aber fühlte, dass dem nicht so war. Diese Verbindung hatten sie schon seit ihrer Kindheit gehabt, jeder von ihnen spürte den anderen.

Etwa 150 Schritte vor dem Anwesen der Kriwens blieb er stehen, ab diesem Morgen würde eine Person weniger in diesem Haus wieder erwachen. Wie immer so kurz davor, konzentrierte er sich darauf seinen Atem möglichst lautlos und flach werden zu lassen, so das selbst, wenn eine Person keinen Schritt vor ihm stehen würde, diese seine Anwesenheit nicht bemerken würde.

Er spürte, wie Cora links von ihm ebenfalls stehen blieb, sich ebenso wie er auf das bevorstehende vorbereitete.

Er wusste, dass es ihr genauso schwer wie ihm fallen würde, alles auszublenden, vollkommen Platz für ihren Auftrag zu geben.

Sie würde es schaffen, sie war stark. Unbezwingbar und mit nichts zu brechen. Dennoch, eine kleiner Rest war bei ihm zurückgeblieben, er konnte die letzten Stunden nicht vergessen, wollte sie nicht vergessen. Zum ersten Mal wusste er, dass er sich nicht ausnahmslos auf seine Aufgabe würde konzentrieren können. Doch er musste es schaffen, es gab keine andere Möglichkeit.

Gespannt wie eine Bogensehne saß er auf dem Fenstersims vor dem Zimmer von Theobald. Jede Sekunde konnte jemand um die Ecke auf der Straße biegen, und obwohl er unsichtbar wie ein Schatten war, war die Möglichkeit, dass er entdeckt wurde nie ganz ausgeschlossen.

Bis hierhin war längst nicht alles so glatt gelaufen, wie er es sich erhofft hatte. An seinen Händen klebte heute Nacht schon bereits das Blut von zwei Wachen, die einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren, als er über die hintere Begrenzungsmauer des Anwesens geklettert war.

Eigentlich hatte seine Position oberhalb des Sichtbereichs gelegen, doch die beiden hatten an diesem Abend wohl offensichtlich schon eine Menge Bier getrunken, sie unterhielten sich angeregt und einer von ihnen hatte auf etwas am Himmel gedeutet. Der andere war seinem Blick gefolgt, wobei seine Position für einen kurzen Moment direkt vor seinen Augen lag. Die Augen des Mannes hatten sich erschrocken geweitet, als er ihn erblickte, sein Mund hatte sich geöffnet um Alarm zu schlagen.

Bevor jedoch ein Ton diesen verlassen hatte, steckte ein Dolch in seiner Kehle und eine Sekunde später im Rücken des zweiten. Es war unumgänglich gewesen, sonst wäre für die ganze restliche Nacht das Anwesen in komplettem Aufruhr gewesen.

Routinemäßig hatte er die beiden Leichen so hinter einem Busch verstaut, dass man sie erst am Morgen finden würde, ein erfreulicher Umstand waren solche Zwischenfälle jedoch niemals. Diese beiden konnten nichts für das, was ihr Herr tat, sie waren einfach nur ihrer Arbeit nachgegangen.

Aus dem Augenwinkel sah er ein kurzes Aufblitzen, Coras Zeichen, dass die Straße frei von Passanten war und die restlichen Wachen vorerst nicht an seiner Position vorbeikommen würden. Er ließ kurz das Keckern eines Eichhörnchens hören, als Zeichen, dass er verstanden hatte und nun damit beginnen würde, sich Zugang zum eigentlichen Haus zu verschaffen.

Ein eiserner Verschluss hielt die beiden Fensterläden zusammen, welchen er nun mithilfe seines Dolches vorsichtig öffnete.

Immer wieder hatte er sich gefragt, warum diese Verschlüsse, wenngleich sie nur ein simpler Verschluss vor dem eigentlichen Fenster waren, nicht deutlich stabiler und mithilfe eines Schlosses gesichert waren. Jedenfalls war es so ziemlich einfach mit ein wenig Geschick die Fensterläden von außen zu öffnen, das größte Problem stellte mehr das Aufmachen an sich dar, wenn man auf dem Fensterbrett davor saß.

Er öffnete sie demnach ohne vor größere Probleme gestellt zu werden, dahinter sah er jedoch, warum es jedenfalls in diesem Fall unnötig gewesen war, die Fensterläden mit einem Schloss zu sichern.

Ein Gitter aus dicken Eisenstangen war vor dem Fenster angebracht, so dass man dort problemlos hindurchgreifen konnte, ein Mensch passte dort jedoch nicht durch. Innerlich fluchte er, er konnte den im Zimmer friedlich schlafenden Theobald schon beinahe schnarchen hören, und dennoch verwehrte man ihm den Einlass.

Er hatte gewusst, dass es schwierig werden würde, aber eine Sicherung dieser Art war extrem selten und kostspielig, er hatte nicht damit gerechnet, so etwas hier vorzufinden.

Es war demnach das zweite Adligenhaus dieser Stadt, welches darüber verfügte, das andere Haus gehörte jedoch dem obersten Minister.

Der Weg über das Dach war zwar immer offen, war jedoch deutlich länger und geräuschvoller. Er hatte jedoch keine andere Wahl. Von seiner Position vom Fenstersims des zweiten Stocks konnte er dieses zum Glück ohne Probleme erreichen. Mit einer katzenartigen Bewegung richtete er sich auf und sprang ein wenig nach oben, so dass er die Dachkannte zu fassen bekam.

Kurze Zeit später hatte er sich hochgezogen und gab Cora mit einem kurzen Dolchblitzen zu verstehen, wo er sich befand.

Ihre Antwort kam von der Position eines Fensters hinter der Ecke seiner ersten am Fenstersims. Er wartete einen kurzen Moment, bis sie schließlich neben ihm auf dem Dach hockte. Diese Position hatte immerhin den Vorteil, dass man sie vorerst nicht entdecken würde, es war vom Anwesen aus nicht einsehbar und vor der Straße ebenfalls verborgen, solange sie sich geduckt hielten.

Auch wenn sie die ganze Zeit in der Nähe gewesen war, fühlte es sich gut an, sie neben sich zu wissen. Sie deutete mit einem Arm an eine Stelle, an der zwei Steine etwas höher standen, er nickte, dies war der Grund, warum er hier Hoch geklettert war. Wie an allen Häusern dieser Art gab es eine Stelle, die man zum einfacheren Erreichen des Daches nutzte, wenn zum Beispiel der Kamin mal wieder ein wenig rußte oder das übergroße Familienwappen auf Hochglanz poliert wurde.

Es handelte sich meisten um ein paar herausstehende Steine, die zu einem Fenster der obersten Etage führten. Diese Stelle war hier jedoch genau im Sichtbereich der gesamten Straße und konnte vom Anwesen selbst ebenfalls bestens eingesehen werden.
Er hätte sich nun direkt dorthin an den Rand des Daches begeben können und nach Passanten und Wachen Ausschau halten, während sie darauf wartete, dass sie ihm das Zeichen gab und sie warnte, falls jemand auftauchte, während sie sich am Fenster zu schaffen machte.

Sie hatte die Durchführung solcher Aufgaben perfektioniert, alleine war man hier immer im Nachteil, da man sich nur entweder auf das geräuschlose Öffnen des Fensters oder auf Wachen und Passanten konzentrieren konnte, so war man immer auf der sicheren Seite, was ihnen schon unzählige Male geholfen hatte.

Er wollte jedoch sich jedoch nicht sofort wieder von ihr entfernen, wollte noch einen Moment ihre Nähe spüren. Innerlich versuchte er, diesen Gedanken zu verbannen, solche Gedanken hatten hier nichts verloren und konnten gefährlich werden, wenn er im falschen Moment nicht genug Konzentration aufbringen konnte.

Er blickte in ihre Richtung, ihre grünen Augen schimmerten wie Saphire im Mondlicht. „Willst du oder soll ich…?“, fragte er sie leise flüsternd. Eigentlich war es unnötig, es fügte sich so wie es kam, es gab keine klare Rollenverteilung unter ihnen. Sie verstanden sich was das betraf ohne Worte. Dennoch, er hatte sie offen gefragt, jedoch weil er den Moment noch eine paar Sekunden halten wollte.

Ihre Augen waren von einem hellen Schimmer überzogen, die Nacht reflektierte sich in ihnen.

Sie schien so zerbrechlich, so zart, als könnten sie von einem einzelnen Windhauch einfach davon geweht werden.

Wie durch Magie fanden sich ihre Lippen zu einem lautlosen Kuss, umhüllt vom dunklen Schleier der Nacht. Sie verbarg sie vor dem Rest der Welt, der im Vergleich zu ihrer Liebe so klein und unbedeutend schien. Sie schien für einen kurzen Moment davonfliegen zu können, frei von allem anderen. Ihr Kuss trug seine Seele in eine andere Dimension, in der Zeit unbedeutend war und nur der Moment für sich zählte.

Erst als sie sich langsam von ihm löste kehrten seine Gedanken wieder in die Wirklichkeit zurück, es schien wie als würde er aus einem wunderbaren Traum erwachen. Er merkte, dass er seine Augen die ganze Zeit über geschlossen hatte, als er sie öffnete schien alles wie ein Sturzbach über ihn hinein zu brechen. Dennoch, ein Gefühl von Wärme blieb zurück, ihre Wärme. Sie gab ihm Kraft und damit würde er den Auftrag vollenden können.

„Ich liebe dich, für immer und ewig und danach. “ flüsterte sie, ihr Blick schien ihn zu durchdringen, bis auf den Grund seiner Seele. „Ich dich auch. “ flüsterte er zurück, was sie jedoch wahrscheinlich nicht mehr hörte, da sie bereits auf dem Weg in Richtung des Abstiegs war.

Ihm würde demnach die Aufgabe des Beobachters zufallen, vorsichtig machte er sich auf den Weg in Richtung Dachkante und warf einen vorsichtigen Blick hinunter.

Sofort lief er seinen Kopf wieder zurückzucken, als er die Wache sah, die direkt unter ihm vorbeilief. Er wartete einen kurzen Moment und wagte einen weiteren Blick. Die Wache war gerade auf dem Rückweg zu ihrem Posten an der Straße, er hob leicht die Hand, um Cora zu signalisieren, dass sie sich bereit halten sollte.

Er ließ noch einmal den Blick über die Straße und das von hier einsehbare Anwesen wandern, um sicherzugehen, dass er niemanden übersehen hatte.

Die Wache stellte sich wieder mit dem Rücken zu ihnen an der Straße auf, also ließ seine Hand sinken und Cora begann sofort damit, hinunterzuklettern.

Sie kam auf einem kleinen Podest zum stehen und auch wenn er ihr Gesicht nicht sehen konnte, sah er, wie sie ein leichtes Lächeln zeigte. Von hieraus würden sie hinein kommen. Wäre das andere Fenster nicht vergittert gewesen, hätte es ausgereicht, dass er alleine ins Haus einstieg, nun jedoch war der Weg weiter und es galt, erst einmal, den Weg im Haus zu sichern, und den Auftrag erfolgreich auszuführen, bevor sie an einen sicheren Rückweg denken konnten.

Sie benötigte keine 20 Herzschläge, dann hatte sie das Fenster offen. Bevor sie jedoch das Fenster aufzog, sah sie noch einmal zu ihm hoch. Nun kam der Moment, an dem sie für einen kurzen Augenblick nicht nachsehen konnten, ob sich die Wache dort unten eventuell umdrehte und auf ihrem Weg genau unter ihnen vorbeikam. Das offene Fenster würde sie auf jeden Fall sehen.

Er sah sich ein weiteres Mal um, diesmal jedoch schnell und begann mit einem Nicken nun selber den Abstieg.

Cora öffnete das Fenster lautlos und schlüpfte schnell hindurch, er folgte ebenso schnell und zog das Fenster hinter sich wieder zu. Keinen Moment zu früh, denn dabei sah er, wie sich die Wache unten umdrehte und wieder ihren kurzen Weg begann.

Das Fenster hinterließ nur einen sehr schmalen Lichtschein, der Rest des Hauses lag in völliger Dunkelheit. Er konnte ein schwaches goldenes Glänzen des Knaufes am oberen Ende der Treppe ausmachen, soweit er wusste, befand sich Theobalds Zimmer dahinter auf der anderen Seite.

Vorsichtig schlich er sich in Richtung der Treppe, aufmerksam darauf bedacht auf dem Marmorboden nicht das leiseste Geräusch zu verursachen. Er war beinahe erstaunt, dass im gesamten Haus wirklich jeder zu schlafen schien, anscheinend rechnete man wirklich nicht damit, dass es jemand schaffte unbemerkt hier einzudringen. Diesen Teil hatten sie jedenfalls geschafft.

Dennoch, obwohl es durchaus nicht einfach gewesen war, kam ihm diese Situation merkwürdig vor.

Egal wie gut man sein Haus geschützt hatte, wenn man wie Theodor etwas gegen die Gilde unternahm, lebte man in ständiger Todesangst. Quasi hinter jeder Ecke konnte der Tod laueren, jede Sekunde könnte sich ein Dolch in den Rücken bohren und damit sein armseliges Leben beenden.

Er ermahnte sich, jetzt unter keinen Umständen unvorsichtig zu werden, auch wenn alles ruhig schien. Er ging in Richtung der Tür, hinter der er Theodor vermutete.

Unglücklicherweise lag diese genau auf der anderen Seite des Hauses, wie das Fenster, über das sie hineingelangt waren. Es bedeutete einen langen Weg über einen Gang, der keinerlei Flucht- oder Versteckmöglichkeiten bot.

Bevor er die Tür öffnete sah er noch einmal nach Cora, diese nickte ihm bestätigend zu, jedoch verriet ihr Blick, dass auch sie mit allem, aber nicht mit einem wie ausgestorbenen Haus gerechnet hatte. Langsam legte er seine linke Hand auf die Klinke, mit seiner rechten zog er den Dolch, aus seiner Scheide.

Er schimmerte noch etwas rötlich, dies unterband aber keineswegs den Ausdruck, den diese Waffe besaß. Er war meisterhaft geschmiedet, daran bestand kein Zweifel. Über die Jahre hatte er kein bisschen an der Schärfe verloren, die er seit Anfang an besaß. In unzähligen Stunden war er immer wieder ins Feuer gelegt worden, gehärtet worden und wieder ins Feuer gelegt worden. Unendlich viele verschiedene dünne Schichten, so, dass man sie mit bloßem Auge nicht einmal ansatzweise erkennen konnten verliehen ihm absolute Bruchfestigkeit.

Langsam ließ er seine linke Hand sinken, die Tür vor ihm schwang lautlos auf. In der Mitte des Raumes stand ein ausladendes Bett mit wallenden Vorhängen, dahinter hörte er leise Atemgeräusche. Alles schien friedlich, dennoch blieb das ungute Gefühl, das etwas anders war, als es sein sollte.

Mit schnellen Schritten umrundete er das Bett und erblickte eindeutig den darin schlafenden Theodor. Er atmete beinahe vollkommen ruhig, scheinbar selig in seinem für alle Zeiten letzten Traum gefangen.

Er lag seitlich von ihm abgewendet, es würde schnell gehen.

Genauso lautlos wie er das Zimmer betreten hatte, verließ er es auch wieder, nur ein dünner, dunkelroter Schimmer an der Stelle, an der sein Dolch in der Scheide verschwunden war verriet ihn. Nun galt es nur noch zu verschwinden, möglichst ohne, dass jemand in der Lage war, ihn oder Cora zu erkennen.

Er betrat den langen Gang, der wieder nach draußen führte, im selben Moment hörte er den Eulenruf.

Dies alleine erregte jedoch noch nicht sein Misstrauen, es war ein Warnsignal, das ihn dazu veranlasste, wieder einen Schritt in das Zimmer hinein zu schlüpfen. Mit patrouillierenden Wachen hatte er sich mittlerweile abgefunden, es war nicht ungewöhnlich, dass Cora ihn durch den Eulenruf davor warnte, in dessen Sichtbereich zu gelangen.

Das beunruhigende war vielmehr, dass sie auf ihn zu gesprintet kam und hastig die Tür des Zimmers verschloss, aus dem er eben gehen wollte, nachdem sie ihn und sich selbst in das Zimmer geschoben hatte.

Sie drängte ihn in die Ecke hinter der Tür, die nicht sofort ersichtlich war, wenn man sie öffnete und hielt ihm einen Finger auf den Mund, als Zeichen, dass er sich möglichst ruhig verhalten sollte. Einen verwunderten Gesichtsausdruck konnte er sich trotzdem nicht verkneifen, was sie mit einem leise gezischten „Später“ kommentierte.

Ohne weitere Fragen zu stellen zog er erneut seinen Dolch und verharrte kampfbereit in der Ecke, Seite an Seite mit Cora, die sich so positioniert hatte, dass jeder, der das Zimmer betrat als erstes ihren Dolch in sich spüren würde.

Er hoffte jedoch, dass niemand diesen Fehler begehen würde, heute Nacht war bereits genug Blut geflossen. Es wäre töricht, zu glauben, man könnte es mit zwei Assassinen gleichzeitig aufnehmen. Die Frage war nur, ob das, was immer Cora dazu veranlasst hatte derart zu reagieren, auch mit Widerstand rechnete.

Immer noch hatte er keine Ahnung, ob nur eine Wache den falschen Weg eingeschlagen hatte, ob jemand Alarm geschlagen hatte oder ob es etwas völlig anderes war.

Das einzige was er wusste, war, dass Cora offensichtlich große Angst davor hatte. Obwohl sie beinahe lautlos waren, spürte er ihren schnellen Atem, das gehetzte Pochen ihres Herzens. Auch wenn sie es niemals zugeben würde, er wusste um ihre Furcht.

Sekunden, nachdem sie sich hinter der Tür positioniert hatte, hörte er, wie im Haus laute Befehle geschrien wurden, mindestens 5 Männer kamen die Treppe hochgerannt. Die Geräusche ihrer Schritte wurden immer lauter, bis sie schließlich am oberen Ende angelangt waren.

Ein Teil der Schritte entfernte sich wieder, wahrscheinlich gingen sie in die von ihm aus abgewandte Richtung des Ganges.

Der andere Teil kam jedoch eindeutig weiter auf sie zu, er hasste sich bereits schon jetzt dafür, was er gleich gezwungen war zu tun. Ein Ziel zu beseitigen war eine Sache, mehrere völlig Unschuldige jedoch eine ganz Andere. Es war nicht richtig, mit nichts moralisch erklärbar und dennoch konnte er nichts anderes tun.

Er wurde zum töten ausgebildet, was hatte er erwartet?

Seitdem er um Coras Liebe wusste, und damit auch um seine, war jedoch ein wichtiger Aspekt ins Wanken geraten, dieser kam jetzt zum Tragen. Hätte ihn an jenem Tag damals Alwen nicht ihn und Cora aufgenommen, diese Männer müssten nicht ihr Leben lassen Er hätte selber anstatt von Alwen Schutz bei der Armee suchen können, dann würde er nun auf der anderen Seite stehen.

Viele hatten eine Familie, eine Frau die sie liebte. Indem er die Wachen tötete, tötete er jemand anderen mit. Jemanden, der nichts mit dem zu tun hatte, der einfach nur dem Ruf der Liebe gefolgt war und dafür sollte er nun büßen.

Er wusste, dass er die Wachen nicht einfach so würde töten können, falls sie wirklich in das Zimmer kamen und das würden sie unweigerlich tun. Cora stand in unveränderter Haltung da, beinahe wunderte er sich über ihre Kaltherzigkeit, für einen kurzen Moment schien sie von einem eisigen Windhauch umgeben, der sämtliche Gefühle ausblendete und andere ebenfalls zu gefühlslosen Monstern machte.

Dann sah er sie wieder als die erhabene Assassinin, die sie war. Sie tat das was notwendig war, dafür sollte er ihr danken. Sie war schon immer stärker als er gewesen, jetzt spürte er wie er unter der Last der Gefühle zusammenbrach. Warum hatte nicht einfach alles wie geplant laufen können? Niemand Unschuldiges hätte sterben müssen und er könnte sie wieder in den Armen halten, ganz nah bei sich, könnte ihre Wärme spüren und sich getragen von der Kraft der Liebe zurücksinken lassen.

Wie automatisch ließ er seinen Dolch wieder in die Scheide zurücksinken, begleitet von einem beinahe unhörbaren metallischen Schaben. Cora blickte kurz über ihre Schulter zurück, er schüttelte nur leicht seinen Kopf. Es war ein Fehler das wusste er, sie hatten sich geschworen ihre Gefühle während dieses Auftrags auszublenden, er hatte es nicht geschafft und erhielt dafür nun die Rechnung.

Draußen hörte er einen Aufschrei, die Wachen hatten das aufgebrochene Fenster entdeckt.

Der eisige Hauch des Todes kam unaufhörlich näher und er wusste, dass er nichts dagegen würde tun können. Vor vielen Jahren hatte es angefangen heute würde es enden. Für immer.

Nur langsam wurde sein Sichtfeld wieder klar, sein Kopf schien auf dreifache Größe angewachsen zu sein. Es schien beinahe unmöglich, dass seine Schultern ihn trugen. In seinen Händen lag ein rotes Schwert, einen Moment wunderte er sich über die ungewöhnliche Farbe, bis er bemerkte, dass es Blut war.

Es lief von dem Schwert über seine Hände, bildete ein dünnes Rinnsal, das jedoch langsam versiegte.

Er ließ seinen immer klarer werdenden Blick über den Boden wandern, er hatte dieselbe Farbe wie das Schwert. Mehrere Männer lagen auf dem Boden, In einfacher Rüstung, als hätten sie sich in einem plötzlichen Anfall von Müdigkeit schlafen gelegt. Das einzige was diesen Gedanken störte, war, dass alle an mindestens einer Stelle einen großen roten Fleck an ihrer Rüstung aufwiesen.

In der Mitte des Raumes stand ein übergroßes Bett, dessen weiße Vorhänge bildeten einen beinahe hohnvollen Kontrast zu dem, was hier eben passiert war. Das Schwert ließ, er einfach aus der Hand gleiten, er würde es nicht mehr benötigen.

Hinter sich hörte er ein leises Wimmern, ein weiterer der das Leid beklagte. Es war in einer so hohen Stimmlage, dass es unmöglich von einem Mann ausgehen konnte, er sah keinen Anlass, das Schwert vom Boden wieder aufzuheben, es handelte sich also nicht um eine Wache.

Langsam drehte er sich um und erblickte eine Frau, die sich an eine der Wände stütze um nicht umzufallen. Sie war hübsch, ihr kupferfarbenes Haar hatte wahrscheinlich einmal im Sonnenlicht geglitzert, jetzt war es unordentlich durcheinander geworfen. Er sah die Spuren von Tränen, die aus ihren Augen gequollen waren, mittlerweile waren sie jedoch ausnahmslos versiegt.

„Sie waren unschuldig…“ Seine Stimme war unsicher, jedes einzelne Wort hallte in seinem Kopf tausendfach wieder, es gab kein Entkommen.

Die Frau, Cora, wie ihm nun endlich bewusst wurde, rang sich ein Nicken ab, wich seinem Blick jedoch aus.

Er ging vorsichtig auf sie zu und zog sie in seine Arme. Im ersten Moment unternahm sie einen leichten Versuch ihn abzuwehren, ließ die Berührung dann jedoch zu. Ihre Nähe tat gut, es gab nichts heilsameres, als sie einfach bei sich spüren zu können. Jeder einzelne ihrer Herzschläge wurde von seiner Brust aufgenommen, es war der Rhythmus seines Lebens.

Sie gab den Takt vor, ein unaufhörliches Schlagen, er konnte nicht einfach aufgeben.

Ihr heißer Atem strich über seinen Nacken und hinterließ beinahe schmerzhafte Verbrennungen. Er wusste, dass sie beide all diese Leben ausgelöscht hatten, mit jedem Toten noch ein zweites, eventuell sogar noch mehr.

Um die Gilde zu schützen, eine Institution, der ihnen beiden den wichtigsten Teil des Lebens vorenthalten hatte und für immer gegen ihre Liebe vorgehen würde, hatten sie Menschen getötet, Unschuldige, die nie etwas davon auch nur geahnt hatten.

Langsam befreite sich Cora wieder aus seiner Umklammerung, nur widerwillig löste er seine Umarmung. „Wir sollten gehen…“, sagte sie, es klang wie ein Todesurteil. „Versuche dich wenigstens für einen Moment wieder zu besinnen. Blende alles aus, so wie wir es gelernt haben. “ Er spürte, wie schwer ihr diese Worte fielen, in ihr tobte ein schrecklicher Krieg, an ihren Händen klebte Blut. Blut, dass sie beide nie mehr würden vergessen können.

„Was passiert danach? Macht es einen Unterschied?“ Seine Worte trugen Hoffnungslosigkeit, tief in seinem inneren spürte er jedoch wieder etwas aufsteigen, was er geglaubt hatte für immer vergessen zu können: Leere. Er spürte, wie sich sein inneres jedem einzelnen Gefühl entledigte, es schloss sie ein bis sie in seiner eigenen inneren Kälte erfroren waren. Es tötete jede Empfindung, doch es half zu vergessen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das Einzige, was wichtig war, war das Ziel, kühle Berechnung und kalte Effektivität war alles was zählte.

„Ich weiß es nicht, nur eines weiß ich: Alles was existiert ist sehr leicht zerbrechlich, viel zu leicht. “ Auch in ihre Augen war ein Ausdruck von kalter Entschlossenheit getreten, ihre Stimme war mit einem Mal selbstsicher und fest geworden. Ohne der Szene noch einen weiteren Blick zu würdigen hatte sie sich von einer gebrochenen Frau wieder zu einer kalten Assassinin gewandelt, sie ging auf leisen Schritten zur offen stehenden Tür hinaus, er folgte ihr auf die gleiche Weise.

Der Weg von dem Anwesen herunter würde kein großes Problem mehr darstellen, die meisten, die sie daran hindern konnten waren tot. In einem Winkel seines Verstandes wunderte er sich, dass die restlichen Bewohner scheinbar immer noch zu schlafen schienen, als hätten sie von alledem nichts mitbekommen. Wahrscheinlich versteckten sie sich jedoch in ihren Zimmern, in der Hoffnung alles nur zu träumen. Irgendwie konnte er sie verstehen.

Irgendwie war es selbstverständlich gewesen, dass sie sich am Gildenhaus trennten.

Sie hatten es immer so gehalten. Sie bestätigten, dass sie ihren Auftrag ausgeführt hatten und gingen dann zu ihren Unterkünften. Es war die ganzen letzten Jahre so gewesen, heute jedoch ließ es ihm keine Ruhe. Er brauchte sie, benötigte auf irgendeine Weise Halt, um nicht zusammenzubrechen.

Er lag auf seinem Bett und versuchte die Augen zu schließen, im heilsamen Schlaf vergessen zu können, oder jedenfalls akzeptieren. Er wusste dass es notwendig gewesen war, davon war er mittlerweile überzeugt.

In einem offenen Kampf gegen die Gilde, der durch Theodor kurz davor war auszubrechen, gäbe es deutlich mehr Opfer.

Eine Geschichte aus seiner Ausbildung kam ihm in den Sinn, von damals, als seine Welt noch unschuldig war:

Den ganzen Tag hatten sie mit Stöcken trainiert, immer wieder war er von Cora besiegt worden. Ein ums andere Mal schaffte sie es, seinen Stock aus der Hand zu schlagen oder ihm ihren an den Hals zu halten.

Doch er hatte nicht aufgegeben, immer wieder hatte er seinen Stock wieder aufgehoben, sie erneut herausgefordert. Den letzten Kampf hatte er gewonnen. Der Triumpf war ihm ins Gesicht geschrieben, als Cora mit einem etwas verwunderten Gesicht ohne Waffe dastand.

Alwen hatte die ganze Zeit zugesehen, ohne ein Wort zu sagen. Sie sollten ihre eigenen Erfahrungen machen, wie man sich am besten verteidigte. Als er jedoch am Ende des Tages endlich gewonnen hatte sich über seinen Sieg freute, war er eingeschritten und hatte die Übungsrunde für beendet erklärt.

Er hatte sich zu ihnen gewendet und sehr eindringliche Worte gesprochen, die sich bis heute in sein Gedächtnis gebrannt hatte:

„Es ist wichtig, sich verteidigen zu können, ihr werdet manchmal in Situationen geraten, in denen ein Kampf unvermeidlich ist. Merkt euch jedoch eins: Ein Kampf ist stets der letzte Ausweg, er ist die letzte Möglichkeit ein oder mehrere bestimmte Leben zu schützen, geht jedoch immer auf Kosten eines anderen.

Ein Sieg darin ist niemals ein Grund zur Freude, er ist lediglich das Zeichen des Erfolgs, jemanden zu schützen. Es gibt nichts, was die Leere, die ein Verstorbener in eine Familie hinterlässt, ersetzen könnte, es gibt nur höhere Ziele, für die es sich lohnt, ein Leben zu opfern. Dieses Ziel besteht stets darin, andere Menschen zu schützen, sollte es jemals anders sein, werdet ihr dies niemals entschuldigen können. Zeigt niemals Freude über einen Toten, fühlt euch lediglich in eurer Rolle als Beschützer bestätigt, denn nichts anderes seid ihr, Beschützer des höchsten Gutes: Leben.

Jedes Lebewesen, ob Mensch oder Tier, sieht die Welt stets von seinem Standpunkt aus, was richtig und was falsch ist, steht uns nicht zu, zu beurteilen. Denkt daran, dass euer Gegner in den meisten Fällen ebenfalls nach dem Grundsatz handelt, den ich euch eben erklärt habe. Sein Tod ist nur entschuldbar, wenn ihr euch absolut sicher seid, das richtige zu tun und anderes Leben zu schützen. Zweifelt ihr, so habt ihr bereits verloren.

Merkt euch meine Worte gut, es wird die Zeit kommen, wenn ihr sie benötigt. „

Er hatte eine bedächtige Pause gelassen, in der er Zeit hatte, seinen Ausdruck der Siegesfreude zu bereuen. Nun hatte er verstanden, nicht nur die Fähigkeit des Kämpfens galt es zu lernen. Es galt auch zu lernen, ihn zu verstehen, nicht zu einem brutalen Monster zu werden, welches ohne jegliche Vorstellung von Moral wahllos Leute tötete.

Schließlich hatte Alwen zwei Käfige aus seinem Haus geholt, jeder hatte eine etwa quadratische Grundfläche, eine Seite war etwa ein Schritt lang. Die Höhe betrug etwa eine Armlänge, er war rundherum mit Draht verkleidet, die Oberseite konnte man jedoch öffnen. In beiden befand sich jeweils ein Hase, von der Sorte in der sie vor der Stadt auf den Feldern die Ernten ruinierten.

Cora und er hatten jeweils einen von den Käfigen bekommen, mit den Worten: „Ihr werdet die nächsten 3 Tage alleine zurechtkommen müssen, die Übungsstunden mit den Stöcken fallen erst einmal aus, ich möchte dass ihr über das nachdenkt, was ich euch gesagt habe.

Außerdem möchte ich, dass ihr euch euer Essen selbst zubereitet, aus diesen Hasen. Ihr könnt meinetwegen zusammen spielen, diese Aufgabe muss jedoch jeder für sich alleine erledigen! Ich vertraue auf euch. „ Dann hatte er sich einfach umgedreht und war gegangen.

Sie hatten beide noch einen Moment dagestanden und sich ratlos angesehen, sie wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Nach einer Weile hatten sie die Hasen zu ihnen in das Zimmer getragen und sie in einer Ecke nebeneinander abgestellt.

Ohne viel über das ebene geschehene nachzudenken legte er sich ins Bett und schließ relativ schnell ein, der Tag war anstrengend gewesen.

Der nächste Tag begann beinahe wie alle anderen, Cora war wie meistens schon vor ihm wach gewesen und hatte Wasser geholt. Normalerweise ließ ihnen Alwen ein wenig Brot da, diesmal sollten sie jedoch die Hasen essen.

„Guten Morgen“ begrüßte ihn Cora, als er noch ein wenig schläfrig aufstand.

Dabei streifte sein Blick die Käfige, die Hasen liefen, soweit es ihnen möglich war, in ihrem Käfig umher. Zwei völlig unschuldige Lebewesen, die nicht wussten, wie bald ihr Leben enden würde.

Cora bückte sich und holte unter dem Bett ihren Dolch hervor. Zu dieser Zeit war er für sie beide noch so etwas wie eine heilige Waffe, Alwen hatte sie ihnen zum zwölften Geburtstag geschenkt, sie jedoch angewiesen, sie vorerst nicht außerhalb ihres Zimmers zu tragen.

Es würde unnötige Aufmerksamkeit erregen und außerdem würden sie sie im Moment noch nicht benötigen.

Das metallische Schaben, als sie ihn aus der Scheide zog, ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen. „Was hast du vor?“, fragte er, immer noch beeindruckt von der außerordentlichen Kunstfertigkeit der Waffe. „Ich sorge dafür, dass ich etwas zu Essen habe. “ antwortete sie, jedoch deutlich gefasster als er. Mit diesen Worten ging sie auf einen der Käfige zu und öffnete dessen oberer Seite.

Er schrie auf, als ihm bewusst wurde, was sie vor hatte. „Du kannst sie doch nicht so einfach töten! Sie haben dir nichts getan!“ „Sie sorgen aber dafür, dass ich die nächsten Tage nicht verhungere. „, antwortete sie und bekam den Hasen im Nacken zu fassen, so dass er sich nicht mehr bewegte. „Nein! Weißt du denn nicht mehr, was Meister Alwen gesagt hat? Das Leben ist das höchste Gut und wir müssen es schützen!“ Dabei sprang er auf sie zu, um ihr den Dolch aus der Hand zu schlagen.

Um ihn abzuwehren ließ sie den Hasen los, der sich daraufhin ängstlich in der gegenüberliegenden Ecke des Käfigs verstecken zu versuchte. Ihre nun freie Hand stieß ihn an der Brust zurück und er taumelte ein paar Schritte rückwärts.

„Das ist es, was Alwen gemeint hat. Manchmal sind Opfer notwendig, und du hast doch auch schon vorher Fleisch gegessen, oder? Jedes Stück Fleisch stammt von einem Tier, das sein Leben dafür gelassen hat, dich zu sättigen.

Was glaubst du denn, warum uns Alwen nicht einfach wie immer ein wenig Brot gegeben hat, sondern diese beiden Hasen? Er wollte, dass wir lernen, für uns zu sorgen und falsche Hemmungen verlieren. Er hat darauf bestanden, dass jeder sein eigenes Essen zubereitet, damit wir beide gezwungen sind zu töten, um etwas zu Essen zu bekommen.

Nun musst du abwägen: Leben ist wichtig, aber ist das Leben dieser Hasen oder dein eigenes wichtiger? Es gehört sozusagen zur Lektion, dazu.

Ein Leben kann unter bestimmten Umständen mehr Wert sein als ein anderes. Dies ist einer dieser Umstände und es wird gleichzeitig das erste Mal sein, dass wir ein Leben völlig aus eigenem Antrieb heraus auslöschen.

Es gibt höhere Ziele, für die es sich zu töten lohnt, und sei es nur das Leben eines Hasen. Wenn du das Leben des Hasen höherwertiger als dein eigenes ansiehst, so wird dich niemand dafür bestrafen.

Sei dir nur vollkommen sicher, wenn du dich für eine Seite entscheidest, denn diese Entscheidung wird dein Leben beeinflussen. „

Während ihres Vortrages war ihre Stimme sanft geworden, versuchte ihn zu beruhig, auch wenn der Grund ihrer Rede so gar nicht dazu passen wollte. Sie rechtfertigte ihr Handeln vor ihm, denn ihr war wichtig, dass er es akzeptierte oder wenigstens nachvollziehen konnte. Schon damals war es ihr wichtig gewesen, dass es ihm gut ging, warum hatte er diese Zeichen nie verstanden?

Er hatte ihrer Erklärung damals ohne langes Zögern zugestimmt und seinen Hasen genauso wie sie schließlich für ein gutes Essen getötete.

Dies hatte er jedoch eher getan, weil er vor ihr nicht als schwach dastehen wollte, als dass er die Tragweite ihrer Worte verstanden hatte. Erst sehr viel später war ihm bewusst geworden, wie bedeutungsschwer sie wirklich gewesen waren.

KAPITEL 2: Träume

Er lag in seinem Bett, noch mit den Gedanken halb in der Vergangenheit. Nun war er wieder einsam, obwohl er die rettende Schulter gerade in diesem Moment gebraucht hätte.

Noch einmal ging ihm das Bild von Theobalds Zimmer durch den Kopf, der Schmerz darüber schien nicht enden zu wollen. Der Auftrag war ausgeführt worden, den Lohn dafür würden sie sich morgen abholen können. Den Preis, den er dafür gezahlt hatte war jedoch viel zu hoch gewesen. Quälende Fragen der Schuld begannen sich auszubreiten, immer noch wusste er nicht, ob er das richtige getan hatte.

Seine Gedanken wanderten zu Cora, wo war sie im Moment? Dachte sie, ebenso wie er an sie, an ihn, stellte sie sich dieselben Fragen nach dem Richtig oder falsch? Quälte sie die Erinnerung an diesen Auftrag ebenso so sehr wie ihn? Nein, sie war stark, deutlich stärker als er.

Sie ließ sich nicht so einfach aus der Ruhe bringen.

Dennoch der Gedanke, dass sie genau wie er leiden könnte, quälte seine ohnehin schon aufgewühlten Gedanken noch mehr. Er fühlte sich innerlich nackt, als könnte jedermann lesen was in ihm vorging. Er brauchte jemanden, der ihn beschützte. Jetzt, in diesem Moment.

Warum nur hatte er sie gehen lassen, als sie sich nach Beendigung des Auftrages am Gildenhaus getrennt hatten? Warum hatte er ihr nicht nachrufen können, dass er sie brauchte, dass er sie in den Armen halten wollte, um Halt zu finden? Eigentlich wusste er, warum er es nicht getan hatte.

Ihre Liebe musste verborgen bleiben, dabei gab es keine Alternativen. Er hatte immer gewusst wie schwer es werden würde, dafür hatte er einen der schönsten Momente in überhaupt mit ihr erleben dürfen.

Seine Augenlider wurden schwer und kleine Tränen traten hervor. Die Augen geschlossen weinte er sich in den Schlaf, etwas was er seit seiner frühen Kindheit nicht mehr getan hatte. Doch in diesem Moment gab es keinen anderen Ausweg, es war die einzige Möglichkeit, nicht auf der Stelle zu zerbrechen.

Durch ein kräftiges Klopfen an der Tür wurde er geweckt. Wer wollte denn um diese Uhrzeit etwas von ihm? Ein Blick aus dem Fenster verriet jedoch, dass die Sonne bereits dabei war unter zu gehen, er hatte demnach beinahe den ganzen Tag geschlafen. Irgendwie fühlte er sich aber nicht wirklich erholt, die quälenden Gedanken an Theobalds Zimmer und Cora hatten ihm einen unruhigen Schlaf beschert.

Mit einem scheinbar unmenschlichen Kraftakt schaffte er es, seine Beine über die Bettkannte zu schieben und schließlich auf den Füßen zum stehen zu kommen.

Noch etwas benommen ging er auf wackligen Beinen zur Tür und öffnete sie langsam.

„Kann ich rein kommen?“ Coras Gesichtsausdruck schien unwirklich, auf diese Weise hatte er sie noch nie gesehen. Es schien, als könnte sie sich nur schwer dazu durchringen, Atemzüge zu machen oder zu reden. Er öffnete die Tür gerade soweit, dass sie eintreten konnte, sie stolperte mehr herein, als dass sie kontrollierte Schritte machen konnte.

Mittels eines Fußtritts ließ er die Tür wieder zufallen und setzte sich neben ihr auf sein Bett.

Wie auch bei ihr bestand sein Zimmer nicht aus viel mehr außer seinem Bett und einem kleinen Schrank, er hielt sich hier normalerweise sowieso nur zum Schlafen auf, die restliche Zeit verbrachte er entweder im Gildenhaus oder in den Straßen der Stadt.

Ohne ein Wort zu sagen legte er einen Arm um sie und zog sie an sich, sie ließ es ohne Widerstand zu. Er wusste, dass jedes Wort in diesem Moment zu viel gewesen wäre, auch wenn er den Grund ihres Zustandes noch nicht genau kannte.

Es schien nichts Wichtigeres auf der Welt zu geben, sie einfach bei sich zu wissen, sie spüren zu können; zu wissen, dass er ihr Halt gab.

Minutenlang hielt er sie einfach nur fest, sie lag still und ohne eine Regung in seinen Armen. Beinahe hätte er gedacht, sie hatten die selben Sehsüchte geplagt wie ihn, dass auch sie ihn einfach nur wieder spüren wollte, erfüllt von der Macht der Liebe.

Beinahe hätte er angefangen sie zu liebkosen, sie einzufangen mit der Magie der Gefühle. Beinahe.

Doch er spürte, dass etwas anders war, dass die Zeit dafür noch nicht gekommen war. Er wollte sie nicht verletzen, ihr unter keinen Umständen wehtun, doch er spürte tief in ihr etwas, was ihn fast zusammenbrechen ließ. Es war mit nichts erklärbar, oder rational erklärbar, er spürte es einfach.

Seine Arme drückten ihren Körper fest an sich, so dass sie beinahe drohte zu ersticken.

Die Wärme, das Feuer dass sie entzündet hatte, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, schien nichts weiter als eine Erinnerung zu sein. Verweht und für immer verloren im Wind der Zeit, von den Dämonen der Dunkelheit beinahe restlos aus den Erinnerungen gelöscht, als wären Jahrhunderte vergangen.

War es sein inneres, in das er hineinhorchte, oder gehörte es ihr? Oder waren sie gemeinsam gefangen, das Ende bereits in greifbarer Nähe? Es fühlte beinahe sich an, als würden höllische Stürme toben, der Teufel persönlich ihn mit seiner feurigen Peitsche immer und immer wieder treffen, bis das Feuer in ihm zu Asche geworden war.

Doch die Hölle war eine endlose Feuerhölle, in ihr müsste er verbrennen, sein Schreie ausgelöst durch die sengende Hitze der Unterwelt.

Es verbrannte jedoch nicht, es gab kein Feuer, das drohte ihn zu verbrennen. Es gab nur eine endlose Eiswüste, Eiszapfen schien sich immer weiter in ihn zu bohren, ihm die Gnade des Todes jedoch verwehren. Sie bohrten sich immer weiter in ihn, warteten ab, wie er langsam begann von innen zu erfrieren.

Gefühle und Empfindungen waren dieser Welt fremd, alles was zählte war eine alles umfassende Kälte, die jedes Lebewesen erstarren ließ.

Träumte er? War er gefangen in einem Fiebertraum? Nein, er hatte von den Dämonen der unschuldigen Seelen geträumt, der Traum nach dem Traum war die Wirklichkeit. In jener Welt war keine physische Anwesenheit von Bedeutung, das Eis interessierte sich nur für die Seele. Er begann langsam zu erfrieren, ohne Möglichkeit sich befreien zu können.

Cora löste sich aus seiner Umklammerung, mit einem Mal war das Bild der Eiswüste vor seinen Augen verschwunden, die Erinnerung jedoch blieb zurück. Er spürte, dass sein Atem schwer und schnell geworden war, seine Kehle brannte wie nach einem Dauerlauf.

„Es tut mir leid…“ Coras Stimme klang wie durch eine Wand, als wäre sie da und doch unerreichbar. Erst jetzt bemerkte er den Dolch in ihrer rechten Hand, sie hielt ihn fest umklammert, sodass ihre Knöchel weiß hervorstachen.

„ Du wusstest, dass sich die Gilde für einen von uns entscheiden musste, ich habe den Auftrag bekommen…“ Die letzten Worte waren kaum mehr als ein leises Flüstern gewesen, sie wurden zu ihm getragen als schwebten sie auf Wolken.

Ein kalter Schmerz ging auf einmal von seiner Brust aus, als er an sich heruntersah, erblickte er wie das Heft des Dolches aus seiner Brust ragte. Ein überraschter Ausdruck entstand in seinem Gesicht, dann spürte er wie ihn die Kraft des Lebens verließ.

Das letzte an das er denken konnte, waren Meister Alwens eindringliche Worte: „ Egal wie gut ihr den anderen zu können glaubt, die Liebe wurde bereits Unzähligen zum Verhängnis, glaubt nicht, ihr wärt davon ausgenommen. „

Eine einzelne Träne tropfte auf sein Gesicht, sie war noch warm und trug ihre wahren Gefühle mit sich, die nun hinfort gespült wurden. „Bitte verzeih mir…“

Schwer atmend öffnete er die Augen, tastete mit seinen Händen nach seinem Körper, als wollte er sich vergewissern, dass er nicht tot war.

Er hatte schon oft Alpträume gehabt, hatte nicht enden wollende Nächte immer wieder IHR Bild vor Augen gehabt, so nah und doch unerreichbar. Dieser Traum war anders gewesen, zum ersten Mal hatte es sich echt angefühlt, als sie ihn berührte. Es war dadurch jedoch noch schmerzhafter gewesen, als sie ihn erstochen hatte. Es hatte sich so real angefühlt…

Suchend blickte er sich nach Cora um, bis ihm wieder einfiel, dass sie wahrscheinlich ebenso wie er in ihrem Bett lag und sich ausruhte.

Vor seinen Augen sah er ihren perfekten Körper, der zu dieser Jahreszeit völlig nackt nur unter einer dünnen Decke verborgen im Bett ruhte. Der Gedanke an ihre perfekten Brüste, wie sie sie an seinem Körper entlangfahren ließ jagten ihm einen wohligen Schauer über den Rücken. Obwohl er nun um ihre Liebe wusste, schien sie immer noch so unwirklich, so unerreichbar…

Mit einem Kopfschütteln vertrieb er seine Gedanken, er durfte sich nicht zu sehr ablenken lassen, musste zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, klar zu denken.

Das war nicht möglich, wenn er an sie dachte, immer wieder glitten seine Gedanken dann ab und er schien seine Umgebung nicht mehr wahrzunehmen.

Doch es war wichtig, dass er einen klaren Kopf behielt, man brachte nicht einfach einen Adligen und einen Großteil seiner Wachen um und erwartete, völlig normal weiterleben zu können. In den nächsten Wochen rechnete er damit, dass es mehr als einen Versuch geben würde, ihn und Cora demselben Schicksal zuzuführen.

Mit neuer Entschlossenheit machte er sich zum Gildenhaus auf, in der Hoffnung Cora dort anzutreffen. Ihm war eine Idee gekommen, wie sie es schaffen konnten, wenigstens die nächste Woche möglichst viel Zeit zusammen zu verbringen und dabei gleichzeitig der Gilde fernzubleiben, jedenfalls bis sich Lycrans Spekulationen über ihre Beziehung wieder gelegt hatten. Falls er zu viel mitbekam, wurde er zur Gefahr für sie beide, es war also besser, wenn sie ihm in der nächsten Zeit nicht allzu häufig begegneten.

Wie gewohnt lief er mit leisen Schritten durch die Gassen, sich immer wieder umsehend, um auf Verfolger aufmerksam zu werden. Seine Schritte waren beinahe lautlos, für ihn fühlte sich jedoch jeder wie ein Paukenschlag an, der seinen Aufenthaltsort verriet. Wie am Vortag machte er einen Umweg über den Marktplatz, um ein Brot zu erstehen, wie am Vortag bezahlte er den Händler stumm, machte sich diesmal beim Essen jedoch auf den Weg in Richtung des Gildenhauses.

Die Sonne warf bereits lange Schatten, wie ein flüchtiger Sträfling sah er in jeder dunklen Ecke nach, ob sich dort eventuell jemand versteckte, fand dabei jedoch nur zweimal einen Bettler, die sich ihr Nachtlager dort eingerichtete hatten.

Von links schnellte auf einmal ein Arm aus einer Seitenstraße hervor, bei der er sich eigentlich eben vergewissert hatte, dass diese menschenleer war. In einem beinahe unmenschlichen Reflex zog er seinen Dolch und wollte ihn in die Richtung werfen, aus der der Arm kam, er war dennoch zu langsam.

Sein Wurfarm wurde so festgehalten, dass er sich den Dolch allenfalls hätte in den Fuß werfen können, dann wurde er daran mit einem kräftigen Griff, der das Blut in seinem Oberarm spürbar staute in Richtung der Seitenstraße gezogen.

Reflexartig wollte er den Angreifer mit einem gezielten Tritt in den Solarplexus abwehren, stoppte jedoch gerade noch rechtzeitig, als er in das feixende Gesicht von Cora blickte.

Irgendwann würde ihre Angewohnheit, ihn überfallartig zu begrüßen schief gehen, doch dies dachte er nun bereits seit über 5 Jahren, nachdem sie ihn das erste Mal auf diese Art und Weise in eine Ecke gezogen und ihm ihre Hand wie einen Dolch an die Kehle gehalten hatte.

Immer wieder machte sie sich darüber lustig, wie leicht es wäre, ihn ohne großes Aufsehen umzubringen, wenn ihn jemand mal wirklich ernsthaft loswerden wollte.

Auch diesmal schüttelte sie lächelnd leicht den Kopf, als wollte sie ihm zeigen, dass sie ihm deutlich überlegen war. Bevor er sich jedoch beschweren konnte, zog sie ihn am Oberarm zu sich und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Wie das erste Mal als sie sich geküsst hatten, schoss ihm ihre Berührung wie ein elektrischer Schlag durch sämtliche Glieder, in ihm wurde ein mächtiges Feuer entzündet.

Er ließ den Dolch, den er immer noch in der Hand hatte wieder in der Scheide verschwinden und zog sie ungeachtet der Möglichkeit entdeckt zu werden zu sich. Sein Kuss war überschwänglich, aber voller Leidenschaft. Es tat ihm unendlich gut, sie endlich wirklich bei sich zu wissen, spüren zu können, dass sie ihn liebte.

Sie ließ es einen Moment lang zu, löste sich dann jedoch wieder von ihm.

„Nicht hier und nicht jetzt… Du weißt wie gefährlich es ist. Ich weiß wie schwierig es ist, aber so ist es nun Mal. Die Gilde ist unser Leben, hat seit unserer Kindheit uns beschützt und gelehrt. Wir dürfen ihre Regeln nicht so einfach missachten…“ Ihre Stimme war sanft, mitfühlend. Sie hatte jedoch wieder ihr leicht ironisches Lächeln aufgelegt, in dem dazu passenden Tonfall beendete sie ihren letzten Satz: „…jedenfalls nicht, wenn wir dabei erwischt werden könnten.

Komm, wir sollten mal in der Gilde nachfragen, ob wir unseren Lohn bekommen, ich bin im Moment etwas knapp bei Kasse. „

Ganz entgegen dem, wie sie es gelernt hatten, machte sie sich schlendernd auf den Weg zum Gildenhaus und strahlte eine Fröhlichkeit, die ihm angesichts dessen, wie viele Menschen in den letzten Stunden durch ihre Hand gestorben waren seltsam schien. Es passte nicht zu ihr, die Toten derart zu verhöhnen, obwohl sie grundsätzlich fast alles mit einer gut gelaunten Grundstimmung anging.

„Was soll das? Du weißt was passiert ist… Es ist respektlos!“ In seiner Stimme schwang ein wenig Ärger mit. Auch wenn Gefühle bei Aufträgen grundsätzlich ausgeblendet wurden, war eine solche Verhaltensweise nicht üblich und auch normalerweise nicht geduldet.

Bevor sie antwortete blieb sie stehen, ihr Gesichtsausdruck wurde ernst. Sie klang niedergeschlagen. Allein aus diesem Grund ärgerte er sich bereits schon über sich selbst. Er sollte froh sein, wenn sie die Ereignisse immerhin vergessen konnte, seine Art daran beinahe zu verzweifeln war schließlich auch keine Alternative.

„Du hast recht, aber ich habe mir vorgenommen, das wenigstens bis Morgen früh auszublenden. Dann können wir gerne darüber reden, wenn ich im Moment jedoch allzu sehr darüber nachdenken würde, würde ich zusammenbrechen. Den Toten ist nicht geholfen, wenn wir unser Werk nicht weiterführen können, dann wären sie wirklich umsonst gestorben…“
Er nickte, nahm sich trotzdem vor, das Angebot mit ihr Morgen darüber reden zu können anzunehmen. Er benötigte jemanden der ihn verstand, um all dies verarbeiten zu können, um mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen.

Als sie aus durch das Stadttor hinaus auf die Felder gingen, fühlte er eine scheinbar tonnenschwere Last von sich abfallen. Die Gilde war seinem Antrag, für eine Woche die Stadt zu verlassen ohne Einwände nachgekommen, angesichts der Tatsache, dass der Tod Theodors weitreichende Folgen haben würde und sie deshalb in der nächsten Zeit ohnehin nur die Aufgabe gehabt hätten, möglichst ungesehen zu bleiben, um die Position der Gilde nicht noch nachträglich durch eine Verhaftung zu schwächen.

In den Wäldern vor der Stadt kannten sie sich aus, als Kinder hatten sie oft dort gespielt, da sie dort vollkommen ungestört bleiben konnten. Manchmal hatten sie sogar im Wald übernachtet, als die Zeit ohne einen Erwachsenen in der Nähe noch spannend und aufregend gewesen war. Sie hatten sich kleine Zelte aus Ästen gebaut, hatten sich gemeinsam darin Geschichten über böse Wölfe und mächtige Baumungeheuer erzählt und die Sterne gezählt, die sich durch das löchrige Dach der selbst errichteten Zelte immer noch problemlos erkennen ließen.

Es war eine Zeit der Freiheit gewesen, damals, als sie die Stockkämpfe, mit denen sie langsam auf die Wirklichkeit vorbereitet wurden, noch lustig fanden und für ein einfaches Spiel gehalten hatten.

Ohne ein Wort wussten sie beide, dass sie diesen Ort wieder besuchen würden, er würde für die eine Woche alles bieten, was sie benötigten. Ein paar Laibe Brot hatte sie aus der Stadt mitgenommen, frisches Wasser aus dem Bach und Beeren gab es im Wald in größerer Zahl, als sie in einem ganzen Leben essen könnten.

Als sie die Lichtung betraten, stoppte er ehrfürchtig. Sie war nicht groß, maß vielleicht 50 Schritt im Durchmesser, doch es war mehr als genug Platz für all ihre Träume gewesen. „Was ist?“, fragte sie, als sie in der Mitte angekommen war und sich zu ihm umdrehte. „Nichts, es ist nur… Dieser Ort birgt viele Erinnerungen. “

Während er dies sagte, betrachte er sie im Licht der untergehenden Sonne.

Sie stand genau so, dass ihr Profil perfekt beleuchtet wurde, sie sah aus wie eine der Feen, über die sie in Kindertagen immer erzählt hatten, nur dass ihr Umriss beinahe noch verführerischer leuchtete. Für die Woche im Wald hatte sie ihr dunkles Assassinengewand abgelegt und gegen ein bürgerliches ausgetauscht. Es war einfach geschnitten und doch betonte es ihre Figur perfekt so, dass sie unglaublich attraktiv wirkte, jedoch von einem geheimnisvollen Schleier umhüllt schien.

„Komm, es wird bald dunkel und wir sollten uns ein Nachtlager vorbereiten.

“ Ihr Lächeln hatte wieder diesen magischen Ausdruck, als er auf sie zuging hatte er das Gefühl, genau diesen Ausdruck für die Ewigkeit behalten zu müssen. Sie war etwas Besonderes.

Aufgrund der Tageszeit waren sie nicht mehr dazu gekommen, das Nachtlager als Schutz auszubauen. Eine einfache Stelle mit einer dicken Moosschichte, von der sie die harten Zweige und Steine gesammelt hatten musste reichen. Nun lagen sie nebeneinander und genossen die Ruhe der Nacht.

Sie waren hierhergekommen, um die Ereignisse verarbeiten zu können, den Schrecken zu vergessen. Wenn sie in der Nähe war, fiel es ihm beinahe schwer, auch nur daran zu denken, sie lenkte seine Gedanken in eine ganz andere Richtung, allein ihre Anwesenheit war behütender als alles andere.

Die Sonne war mittlerweile hinter den Bäumen verschwunden, nur das Licht des Mondes und der Sterne erhellte die Lichtung. Die Nacht war für ihn wie ein vertrauter Freund, sie umhüllte einen, gab ihm den Schutz des Verborgenen.

Jetzt, in diesem Moment gab es nur ihn und Cora, niemand anderen. Der Zeitpunkt gehörte nur ihnen beiden, zum ersten Mal durfte er mit ihr zusammen sein, ohne Angst vor weitreichendenden Folgen haben zu müssen.

„Weißt du noch, als wir das letzte Mal hier waren? Es ist schon Jahre her, wir waren noch Kinder. Kurz vor dem Einschlafen haben wir das erste und einzige Mal in unserem Leben eine Sternschnuppe gesehen.

Ich weiß noch, wie ich verzweifelt nach einem passenden Wunsch gesucht habe, erst als sie bereits beinahe verschwunden war, ist mir einer eingefallen. Wir haben uns gesagt, dass wir diesen Wunsch niemals jemanden erzählen würden, bis er in Erfüllung gegangen wäre. „

Ihre Stimme klang weich, wie auf einer Wolke getragen. Sie umschmeichelte seine Gedanken, sein Geist schien frei von Tod und Schmerz, es existiere nur noch sie, erstrahlend in der Magie der Fantasie.

„Ist dein Wunsch denn in Erfüllung gegangen?“ fragte er, obwohl er die Antwort eigentlich bereits kannte. Sie hatte sich damals dasselbe gewünscht wie er, in der Hoffnung dass magischer Sternenstaub den Lauf der Welt für sie beide veränderte. Obwohl sie sich nie ihre Wünsche erzählt hatten, hatte er immer gehofft, dass sie sich dasselbe gewünscht hatte. Jahre waren vergangen und er hatte diese Nacht im Wald beinahe vergessen gehabt. Vor sehr kurzer Zeit war er jedoch wieder daran erinnert worden, sein Wunsch war in Erfüllung gegangen.

„Ja, ist er. “ Ihre Stimme war mehr ein leiser Lufthauch, denn wirkliche Worte. Sie hatte sich zu ihm gedreht, ihre grünen Augen reflektierten den Mond wie zwei Diamanten. Ihr Blick schien durch seine Augen hindurch zu gehen, verhinderte, dass er seine Augen auch nur einen Moment von ihr abwenden konnte. Eine unsichtbare Kraft schien von ihr auszugehen, die ihn zu sich zog, ihn unfähig machte sich dagegen zu wehren, auch wenn er dies niemals getan hätte.

Ihre Lippen fanden sich, spürten den anderen als wären sie eine der Magiegestalten aus ihren Kindergeschichten. Ihr Duft umhüllte ihn, umschlang seinen Körper, drang in ihn ein. Seine tiefen Atemzüge inhalierten ihn wie eine Droge, es rief eine ähnliche Wirkung hervor. Er schien benebelt, nur noch sie existierte in seinen Gedanken.

Ihre Hände schien zu tanzen, waren überall und dennoch niemals an genug Orten. Sie konnte nicht nahe genug bei ihm sein, um seinen unendlich Durst nach ihr zu stillen.

Jede ihrer Berührungen löste ein wohliges Kribbeln an der Stelle aus, welches jede einzelne Stelle von ihm zu erreichen schien.

Der Schleier der Nacht behütete sie, hielt ihre Liebe im Verborgenen. Er ließ sich völlig fallen, ließ sich nur noch von seinen Empfindungen leiten, alles schien zu verschwimmen, ihn mitzunehmen auf einen Flug in den Himmel, dorthin wo sie den Göttern näher waren als der Erde.

Er ließ seine Küsse ihren Hals hinunter wandern, sie legte ihren Kopf in den Nacken und ließ ein ganz seichtes Stöhnen hören.

Als er an dem störenden Saum von ihrem Gewand ankam, verharrte er kurz und zog es ihr mit ihrer Hilfe über die Schultern. Wie die meisten bürgerlichen Gewänder bestand es aus einem einzigen Teil, so dass sie nun beinahe vollständig nackt vor ihm lag. Nur noch ein dünnes Stück Stoff verbarg ihr Heiligtum.

Seine Küsse begaben sich nun wieder auf die Reise und fuhren zwischen ihren Brüsten hindurch. Bevor er jedoch weiter ging, umkreiste er erst die rechte Brust, zog dann eine Schleife um die rechte, nur um dann wieder auf die linke Seite zu wechseln.

Seine Kreise wurden immer enger, hinterließen das Zeichen für Unendlichkeit in einer heißen Spur auf ihrer Brust. Mittlerweile kümmerte sich jeweils eine Hand um die Seite, an der er gerade nicht war, er vermied es jedoch geschickt auch nur für einen Moment ihre steil aufragenden Nippel zu berühren. Sein heißer Atem strich immer wieder darüber, so dass sie nach einer Weile begann, sich ihm entgegenzustrecken, er wich jedoch immer wieder aus.

Langsam ließ er seine rechte Hand tiefer wandern, fuhr über ihren sich heftig hebenden und senkenden Bauch.

Er spürte das Verlangen in ihr, wie sie sich danach sehnte berührt zu werden. Endlich gab er ihrem Verlangen nach und umschloss mit seinen Lippen ihre rechte Brust, saugte daran und labte sich an ihrem einmaligen Geschmack. Seine rechte Hand wanderte noch tiefer und schob das kleine Stück Stoff, welches noch das letzte von ihr bedeckt hatte aus dem Weg und fuhr behutsam über ihre äußeren Schamlippen.

Bevor er weiterkam, hielt sie jedoch seine Hand fest und drehte ihn auf den Rücken.

Ihr Blick war unmissverständlich: Nun war sie am Zug. Ohne Vorwarnung zog sie nun auch ihm Hemd und Hose aus, so dass sie nun völlig gleichberechtigt waren. Mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen hielt sie seine Arme am Boden fest, indem sie ihre Knie darauf ablegt, so, dass sie nun direkt über ihm hockte. Sie streichelte ihm in ähnlicher Manier über die Brust, wie er es bei ihr getan hatte, machte dabei jedoch immer mal wieder einen Ausflug in Richtung senkrecht nach oben stehenden Penis.

Manchmal ließ sie ihre Finger über den Schaft wandern, stoppte jedoch jedes Mal kurz bevor sie seine Eichel berührte.

Seine Unterarme begannen durch den Druck darauf zu schmerzen, und versuchte sie zu befreien. Sie ließ es zu und beugte sich nun zu ihm herunter, zu einem unendlich scheinenden Kuss. Sie verschmolzen miteinander, ihre Zungen umspielten zärtlich einander, wurden dabei jedoch immer leidenschaftlicher, bis sie zwei jungen Hunden glichen, die umeinander herumtollten.

Seine Hände wanderten über ihren Rücken, bis sie schließlich auf Höhe ihrer Brüste zu den Seiten abglitten. Mit sanftem Druck hob er ihren Oberkörper und drückte gleichzeitig ihre Mitte auf in Richtung seiner Brust. Seine Hände wanderten über ihre Brüste und fassten, wanderten wieder tiefer und fassten sie schließlich an den Hüften.

Sanft zog er ihre Hüfte über sein Gesicht, so dass er vor seinen Augen nun direkt ihre Spalte sah.

Sie versuchte aufzustehen, doch er drückte sie weiter auf sein Gesicht zu. Ihr entfuhr ein beinahe überraschter Schrei, als seine Zunge ihren Kitzler berührte und langsam darüber strich. Die Erfahrung war völlig neu für ihn, doch es schien nichts Schöneres mehr zu geben.

In dieser Position war ihr Duft so intensiv, dass es ihn in eine Art Trance versetzte. Der Geschmack ihrer unendlichen Quelle, die Möglichkeit ihr das höchste alle Gefühle bieten zu können, er begann sich zu fragen wie er all die Jahre ohne sie hatte überleben können.

Ihr Saft war die Ambrosia für seine Seele, es floss im Übermaß aus ihr heraus, doch er fing jeden einzelnen Tropfen auf.

Das Zucken ihres Körpers, als sie der Orgasmus überrollte, war seine Belohnung, er erlebte beinahe dieselben Gefühle wie sie. Seine Liebe ihr geben zu dürfen war etwas magisches, was durch nichts mehr zu steigern war. Sie das Beste, was er jemals erleben konnte, nichts auf der Welt würde sie jemals ersetzten können.

Nur langsam beruhigte sie sich, er zog sie wieder zu sich herunter zu einem Kuss, der ihren berauschenden Geschmack noch einmal auffrischte, sie schien vor dem Licht der Sterne wie eine Sagengestalt zu erstrahlen.

Langsam löste sie sich von ihm, als er sich beschweren wollte, legte sie ihre linke Hand direkt auf seine Eichel. Langsam rückte sei ein wenig von ihm weg, ließ ihre Hand jedoch liegen.

Seine Eichel glänze bereits von seiner Erregung ein wenig feucht, so dass es sich extrem intensiv anfühlte, als sie ihre Hand leicht bewegte. Als sie schließlich ihre Hand wegnahm und sanft mit der Zunge darüber strich, schien er beinahe zu explodieren, jeder Millimeter wurde von ihrer sanften Zunge liebkost.

Es fiel ihm unendlich schwer, untätig liegen zu bleiben, doch immer, wenn er sich ihr ein wenig entgegen streckte, drückte sie ihn mit einer Hand wieder herunter.

Dieses Spiel hielt sie scheinbar stundenlang aufrecht, auch wenn er wusste, dass nur wenige Minuten verstrichen.

Er fühlte wie sich sein Samen langsam in seinem Schaft sammelte, wollte sie wegdrücken, doch sie hielt ihn mit sanfter Gewalt auf, ließ jedoch einen Moment von ihm ab, so dass er etwas zur Ruhe kam. Sie setzte sich ein wenig auf, so dass ihre Mitte kurz davor war sein bis zum äußersten angeschwollenes Glied zu berühren.

Ganz sanft umfasste sie ihn und legte die Spitze auf ihre Spalte.

Ganz langsam bewegte sie sich, so dass seine Eichel genau über ihren Eingang strich. Sie machte das so gut, dass er sofort wieder kurz vor dem Höhepunkt stand, diesmal hörte sie jedoch nicht kurz davor auf. Ein langgezogenes gutturales Stöhnen verließ seine Kehle und er verteilte seinen Samen auf ihr.

Sie entfernte sich wieder in paar Zentimeter von ihm und ließ sich letztendlich neben ihm auf den Waldboden sinken.

Seine linke Hand begann wieder langsam ihre Brüste zu streicheln, sie hielt sie fest, als er ihre linke Brust gerade voll umschloss. Sie legte ebenfalls ihre linke Hand auf seine Brust, genau über sein noch heftig pochendes Herz.

„Fühlst du das unaufhörliche Schlagen? Sie sind verbunden, wenn deines aufhört, wird meines mit ihm gehen, damit wir dann im Jenseits weiter zusammen sein können. Sie sind der Beweis für Leben, unser Leben.

Lass mich dein Engel sein, damit du mein Retter aus der Einsamkeit bist. Zeit ist das höchste Gut, was uns gegeben ist, während wir leben. Unsere Seelen gehören zusammen, und die restliche uns gegebene Zeit gemeinsam bestreiten, egal wie lange sie noch währt. „

Die Zeit heilt keine Wunden, sie macht sie nur vergessen. Manche Schmerzen werden nie vergehen, man lernt nur mit ihnen umzugehen. Sehnsucht hingegen wird durch Zeit verursacht, sie entsteht durch verloren geglaubte Zeit, Zeit die man nicht für würdig hält.

Die einzige Möglichkeit, auch den Schmerz der Sehnsucht zu vergessen, ist diese Zeit würdig zu machen, dies geht jedoch niemals rückwirkend. Glaube an Träume und Wünsche, denn nur sie zeigen das wahre Ich. Und mögen sie noch so unrealistisch scheinen, vielleicht, wenn man es am wenigsten erwartet, gehen sie in Erfüllung.

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