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Erinnerungen 02

Erinnerungen Teil 2 — Twisted Mind

VI.

Der Weg ist nichts anderes, als das Notwendige, um an sein Ziel zu kommen. Je länger er ist und je mehr Steine auf ihm liegen, desto unerreichbarer scheint das Ende. Oft enthält er Umwege, manchmal glaubt man sich in einer Sackgasse, an einem Stück, an der man glaubt, es würde nicht mehr weiter gehen. Doch auf manchen Wegen kann man sich nicht umdrehen, einfach ein Stück zurücklaufen und eine andere Abzweigung nehmen.

Daria befand sich auf dieser Art von Weg, einem Weg, auf dem es unzählige Abzweigungen gab, aber keine Möglichkeit umzudrehen. Eine Zeit lang war er dunkler und dunkler geworden, sie wusste, wie nahe sie dem Ende war, welches alle Wege für immer beenden würde. Kurz bevor sie an der Wand aufgeprallt war, hatte sie jemand herumgerissen, in eine Seitengasse, die sie übersehen, vielleicht auch bewusst ignoriert hatte. Mit einem Mal wurde die Dunkelheit um sie herum zu einem behütenden Licht, wie ein Sonnenaufgang im Wald, nur dass er auch die Bäume und Steine um sie herum vertrieb.

Mit einem Mal führte ihr Weg über saftige, sonnenüberflutete Wiesen, auf denen sich Hasen tummelten und am Himmel Vogelschwärme vorüberzogen. Jemand hatte sie gerettet, in letzter Sekunde. Dieser Jemand war Quinn gewesen, er war bereits zuvor ein Stück mit ihr gegangen, doch sie hatte es einfach nicht sehen wollen, dass an seiner Seite die Sonne schien. Nun wusste sie es und wanderte seit langer Zeit endlich wieder mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen.

Genau wie in den Träumen in der Vergangenheit liefen sie und Quinn über eine hell erleuchtete Wiese und ließen im wahrsten Sinne des Wortes ihre Träume wahr werden. Zwar einer befestigten Straße folgend, es tat der Atmosphäre jedoch keinen Abbruch. Ihr offizielles Ziel war Lanan, sie erwischte sich jedoch dabei, dass sie sich zu wünschen begann, dort niemals oder immerhin für lange Zeit nicht anzukommen. Es wäre nur eine unwillkommene Unterbrechung dieser wunderbaren Reise.

Quinns Schritte neben ihr waren angenehm, jeder dumpfe Ton, den seine Lederstiefel auf den unebenen Steinen verursachten, bestätigte ihr, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war. Es gab nichts Schöneres mehr, als ihn einfach nur in ihrer Nähe zu wissen, zu wissen, dass er sie beschützen würde. Er strahlte Ruhe und Sicherheit aus, auch wenn sie nicht einschätzen konnte, inwieweit dies seinem tatsächlichen Gemütszustand entsprach.

Der Gedanke an die letzten Stunden zauberten ihr ein warmes Gefühl in ihr Herz, sie spürte förmlich, wie ihre Augen zu glänzen begannen.

Wie lange war es her, dass sie sich so einfach hingegeben hatte, dass sie gezielt jemand Anderen als sich selbst erregt hatte? War sie so lange allein gewesen, dass sie nicht einmal die Monate und Jahre zählen konnte? Sosehr sie auch nachdachte, die Erinnerung war zu undeutlich, um sie als solche bezeichnen zu können. Noch immer schien der Morgen viel zu präsent zu sein, er unterband jeden klaren Gedanken.

Sie hatte eine Schulter gesucht, an der sie sich ausweinen konnte, eine Brust, an der sie sich anlehnen konnte, die sie einfach nur festhielt, ein Paar starke Arme, die sich um sie legten und sie vor sich selbst beschützten.

Es war der Wunsch danach gewesen, einen Freund zu finden, nachdem sie alle ihre bisherigen verloren hatte. Wie ein böser Geist hatte sich das Bild der leeren und glasigen Augen der Toten in ihr Gedächtnis gebrannt und auch wenn sie wusste, dass sie nichts hatte tun können, fühlte sie sich trotzdem schuldig.

Sie hatte mehr gefunden, als sie anfangs gewollt hatte, im Nachhinein war es einfach passiert und sie hatte es aus vollem Herzen akzeptiert.

Quinn hatte es geschafft, all die Geister in ihr zu verdrängen und hatte sich als Wächter vor sie gestellt. Niemals hätte sie ihm erzählt, wie schwer die Last ihrer Vergangenheit wirklich auf ihr lastete, selbst jetzt schaffte sie es nur, sie mit Kindergeschichten über Geister und Dämonen in begreifbare Formen zu bringen, doch irgendwie hatte sie das Gefühl gehabt, dass er sie auch so verstand.

Sie hatte lediglich erst begreifen müssen, dass er ihr nur nicht weh tun wollte, ihren verletzlichen, beinahe noch kindlichen Geist verängstigen und sie womöglich vertreiben.

Er war so distanziert gewesen, weil sie ihm etwas bedeutete, soviel, dass er sich nicht getraut hatte, ihr dies zu zeigen. Sie war die einzige gewesen, die dies nicht hatte wahrhaben wollen, war immer weiter auf die Wand zugelaufen.

Kurz vor dem Ende schließlich hatte sie sich bereits innerlich verabschiedet, wollte ihre letzten Atemzüge in der Überzeugung begehen, dass sie alles versucht hatte, egal wie sehr sie sich dabei belog.

Er jedoch hatte sie einfach nicht mehr losgelassen, als sie gehen wollte, sondern hatte sie gehalten, sie weggerissen auf einen Weg des Glücks. Im ersten Moment hatte sie gedacht, sie befände sich in einem Traum, hatte mitgespielt in dem Glauben, dass dies alles nicht real war. Erst als sie Sekunden später das Gegenteil realisiert hatte, war ihr bewusst geworden, was sie viel zu lange ignoriert hatte.

Im ersten Moment hatte sie nicht mehr tun können, als sich einfach nur hinzugeben, dem Gefühl der Sonne und der Wärme, dem Fluss des Lebens.

Er hatte genau das getan, was sie auf ihrem Weg hielt, hatte ihr ein Geschenk gemacht, dass mit keinem Gold der Welt aufzuwiegen war.

Die Zeit war zu einem stetigen Fluss geworden, der unbedeutend neben ihnen rauschte, sie lagen in einem kleinen Boot, welches sie unaufhaltsam vorwärts trieb. In ihm ruderten sie auf das Glück zu, es hatte nur eine schmale Passage gelassen, doch sie kamen genauso unaufhaltsam wie der Fluss immer näher.

Die Vereinigung ihrer Kräfte war nicht von ihrem Geist entschieden worden, etwas anderes in ihr hatte sich zu ihm hingezogen gefühlt, etwas in ihr, das das kleine Boot besser steuerte, als sie beide es gekonnt hätten.

Es hatte sie zielgerichtet auf das Licht zugetrieben, bei ihrer Ankunft schien sie zu vergehen. Im Fluss der Zeit trieben sie nun auf der Welle der Unendlichkeit zu einem unbekannten Ziel. Nur eins war sicher: Sie würden dort gemeinsam ankommen, ihr Ziel war dort wo seines war.

*****

„Ist es nicht seltsam, dass wir heute noch niemandem begegnet sind?“

Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken, dennoch war sie voller Wärme und bereitete ihr ein wohliges Gefühl im Bauch. Es war lange her, dass sie jemand begleitete hatte, der etwas für sie empfand, sie nicht nur ausnutzte oder eben eine reine Zweckbekanntschaft führte. Es war ungewohnt, aber schön, sie durfte sich nur nicht zu sehr ablenken lassen.

„Deine Begleitung reicht mir…“, antwortete sie, wohl wissend, dass dies keine echte Antwort auf seine Frage war.

Seine Reaktion bestand aus einem Lächeln, welches sie nicht ganz einordnen konnte. Es drückte seine Zuneigung aus, jedoch hatte es einen seltsamen Unterton, die Mundwinkel waren kaum merklich zu wenig angehoben.

„Das weiß ich mehr zu schätzen, als du glaubst, es ändert aber nichts daran, dass es hier ungewöhnlich leer ist.

Ich bin lange genug umhergereist, um durch so etwas wenigstens vorsichtig zu werden. Vielleicht ist es übertrieben, aber mein Gefühl hat mich bisher bei solchen Gelegenheiten selten im Stich gelassen. „

„Was sagt dir dein Gefühl denn?“, fragte sie ebenfalls lächelnd.

Es war viel zu schön, ungezwungen in seiner Nähe sein zu dürfen, es durfte nicht einfach so enden. „Als erstes sagt es mir, ich liebe dich.

Sein Lächeln war entwaffnend, immer wieder schien sie von ihm angezogen zu werden, sodass sie sich zu fragen begann, ob er nicht ein wenig seiner magischen Fähigkeiten eingesetzt hatte, es schien einfach unwirklich.

„Kann es sein, dass es das erste Mal ist, dass du mir dies sagst? Ich dich auch…“

Ihre linke Hand begann seine zu suchen, umklammerte sie schließlich, als sie sie gefunden hatte.

Er versuchte sich ihrem Griff zu entziehen, was sie jedoch nur dazu veranlasste, kräftiger zuzugreifen. Ein kurzes, stoßartiges Lachen entfuhr ihm, dann sah er ihr tief in die Augen. Sein Blick durchbohrte sie und zog sie in die weite Ebene seiner glänzenden Augen. Sie fühlte sich beinahe verloren, so endlos schien sie zu sein, doch er hielt sie fest und erfüllte sie mit Geborgenheit.

„Nein, wenn auch nicht in Worten.

Sie drücken viel zu wenig aus und man braucht viel zu lange um sie zu formulieren, nur um am Ende wieder mit dem Risiko behaftet zu sein, dass sie nicht so ankommen, wie sie gemeint waren. Ein kurzes Zucken mit dem Mundwinkel, ein verhaltenes Zwinkern oder ein schüchterner Blick sagen mehr als tausend Worte dies jemals könnten. “

Zum Beweis blieb er stehen und gab ihr einen Kuss. Wieder drängte sie nach mehr, doch er entzog sich ihr wieder und setzte seinen Weg fort.

„Ich glaube, ich weiß was du meinst. „

Sie ließ eine kurze Pause, immer noch hielt sie seine Hand krampfhaft fest.

„Kann ich dich etwas fragen?“

Ihre Stimme war ein wenig leiser geworden, egal wie sehr sie ihm mittlerweile vertraute.

Sein Blick war erst ein wenig verständnislos, er antworte dann jedoch gefasst.

„Ich kann mir nichts vorstellen, was ich dir nicht mehr erzählen würde.

Meinst du nicht auch, dass wir über das Stadium hinaus gekommen sind, indem wir noch fragen müssen, ob wir etwas fragen dürfen?“

„Nein, vielleicht nicht. Es gibt Fragen, die spricht man nicht aus, egal wie sehr sie einen interessieren. Nicht weil sie gegen Normen verstoßen, sondern weil ein paar wenige Worte manchmal eben auch mehr verletzen können als hunderte von Dolchen. „

„Du hast mir bereits mehr gegeben, als man mir jemals nehmen könnte.

Ich werde dir antworten, egal was du fragst, einfach weil ich dir vertraue. Mehr als jedem anderen, du bist mein einziger Halt in dieser Welt. Worum geht es?“

Sie biss sich leicht auf die Zunge, es gab eigentlich gleich mehrere Fragen, die sie brennend interessierten. Als erstes war jedoch eine, die ihr stets noch ein wenig Unsicherheit gelassen hatte, ein Ereignis, welches sie einfach nicht vergessen konnte.

„Als ich dich weggeschickt habe, heute Morgen…“, begann sie, angestrengt nach passenden Worten suchend, doch es gab keine.

„Ich habe gehört, was du gesagt hast. Du hast nicht mich gemeint, oder?“

Für einen kurzen Moment blickte er sie verständnislos an, dann trat jedoch blitzartig ein schmerverzerrter Ausdruck in seine Augen, den er allerdings sofort wieder verschwinden ließ. Sie hatte gewusst, dass sie ihn verletzen würde, warum hatte sie nicht einfach schweigen können?

„Ich liebe dich“, hatte er geflüstert, was machte sie so sicher, dass er nicht sie gemeint hatte, wie sie behauptete hatte?

Sie wollte zu einer Entschuldigung ansetzen, er hielt sie jedoch mit einem kurzen Kopfschütteln davon ab.

Also wartete sie geduldig, wartete auf seine Reaktion. Mit jeder Sekunde bereute sie ihre Frage mehr, doch sie blieb stumm.

„Es gibt Momente, Gedanken, Erinnerungen, die man am liebsten für immer begraben wissen möchte, zugeschüttet mit Erde und von einem tonnenschweren Steinquader bedeckt. Doch manche davon sind so unauslöschlich, dass sie sich immer wieder erheben, wie eine Seuche, über die eigenen Gedanken herfallen und sie verzehren.

Sie hinterlassen eine verfallene Ruinenlandschaft, zwingen dich aber damit weiterzuleben, zwingen dich dir deine eigene Ruine detailgetreu anzusehen, zwingen dich zur Erinnerung, wie es einmal war, nur um dir klar zu machen, dass alles bereits für alle Zeiten zerfallen ist, unwiederbringlich verloren.

Du hast ein Recht darauf, es zu erfahren, du bist alles, was ich im Moment noch habe, auch wenn du das erst vor kurzem wieder zugeschüttete Grab erneut aufgebrochen hast. Du hast mich gefragt, wo ich herkomme, ich habe dir eine lange Geschichte erzählt, die trotzdem keine Antwort gegeben hat, weil ich sie selbst nicht kenne.

Dies ist einer der Teile, die ich ausgelassen habe, weil sie mir eine der Ruinen wieder vor Augen hält.

„So war es nicht gemeint, ich wollte keine alten Wunden wieder aufreißen…“

Sie blieb stehen und versuchte ihn festzuhalten, ihn zu umarmen, sich mit einem Kuss entschuldigen, jedenfalls bei sich selbst. Doch er wehrte sie leichtfertig ab, starrte einfach geradeaus und stapfte weiter den Weg entlang, sodass sie ihm folgen musste.

„Ich kann es nicht vergessen. Vielleicht ist es gut, wenn ich es jemandem erzähle, und du bist die Einzige, bei der ich das tun würde.

Willst du meine Geschichte hören?“

„Nur, wenn du willst. “

Ihre Antwort war im Nachhinein betrachtet ein wenig plump, doch was hätte sie sagen sollen? Ein „Ja“ wäre zu direkt gewesen, ein „Nein“ gelogen.

„Nun gut, wie du willst. Aber ich habe dich gewarnt, es ist keine Geschichte mit einem guten Ende. “

Sie nickte stumm, jetzt durfte sie ihn nicht mehr unterbrechen.

So war es schon am Abend in der Taverne gewesen, sie hatte ihn einfach erzählen lassen und sie war darin versunken. Von ihr hatte sie bisher nur wenig erzählt, ein paar Mal den Anfang, wie sie als Waisenkind aufgenommen wurde, jedoch nie weiter.

„Aileen. Ihr Name war … ist Aileen. Sie lebte wie ich in der Akademie, seit ihrem siebten Lebensjahr. Woher sie stammt weiß ich nicht, über so etwas redet man nicht, wenn man keine Eltern mehr hat.

Ich hatte damals meinen siebten Geburtstag in Reichweite, auf den ich mich wie jedes Kind unglaublich gefreut habe.

Auch wenn die Lernmethoden manchmal etwas rustikal waren, so war mein Geist dennoch der eines Kindes und so wollte ich eine große Feier für mich haben. Meine Lehrmeister gaben mir und denjenigen, die ich einladen wollte den Vormittag frei, unter der Bedingung, dass wir am Nachmittag aufmerksam ihren Lektionen lauschen würden.

Ich kann es mir nur noch schwer vorstellen, aber auch ich war mal ein Kind, welches von der Welt so viel Ahnung hatte wie eine Eintagsfliege.

Als schließlich mein großer Tag kam weckte mich Richard, einer meiner damaligen Freunde und präsentierte mir stolz einen Kuchen, den er mit seinen Kumpanen gebacken hatte. Er schmeckte scheußlich und war schwarzgebrannt durch die eindeutig dilettantische Verwendung von magischem Feuer, doch als Kind braucht man nicht viel, um glücklich zu sein.

Bis dahin hatte ich von meiner neuen Mitschülerin keine Notiz genommen, sie im Gegenteil großzügig ignoriert, weil ich mich schließlich auf meinen Geburtstag vorbereiten musste, wie Kinder dies eben tun.

Vielleicht waren meine Handlungen für einen fast Siebenjährigen noch etwas unausgereift, aber unsere Lehrmeister erzogen uns nach dem Prinzip der eigenen Erfahrung.

Sie warnten uns nicht davor, dass ein brennender Stock weh tun könnte, sondern ließen uns damit spielen, bis wir uns verbrannten. Sie verboten uns nicht, auf der Treppe fangen zu spielen, bis wir stürzten und uns eventuell etwas brachen. Die Fähigkeiten, uns zu heilen waren vorhanden, innerhalb der nächsten Stunden erholten wir uns mithilfe der Magie auch wieder von den meisten Verletzungen.

Wir mussten unsere eigenen Erfahrungen machen, um nicht nur zu folgen, sondern zu verstehen.

An meinem großen Tag veranstalteten wir eine Kissenschlacht und tobten durch mein Zimmer, verwandelten es in ein Schlachtfeld, von dem hinterher nur noch eine Wüste übrig bleiben sollte. Auf einmal stand Aileen in der Tür. Sie war erst ein paar Wochen hier, so beachtete sie niemand, bis schließlich ein schlecht gezieltes Kissen auf sie zuflog. Ich weiß nicht, woran sie gerade gedacht hatte, jedenfalls bemerkte sie das Kissen erst, als es sie mit voller Wucht am Kopf traf, sie von den Beinen holte und rückwärts auf dem Boden fallen ließ.

Meine Freunde lachten, doch ich hatte irgendwie ein ungutes Gefühl. Wir hatten sie ausgeschlossen, es war nicht fair, wenn sie nun eine Verletzung davontrug. Du darfst mir gerne vorhalten, dass auch diese Gedankengänge nicht zu einem Siebenjährigen passen, aber wie gesagt, unsere Lernmethoden waren etwas anders, als man dies vielleicht gewohnt ist.

Jedenfalls sprang ich in einer Eingebung von meinem Bett herunter, lief zu ihr um ihr aufzuhelfen und wurde schließlich von einem mir entgegenkommenden Kissen getroffen.

Es war von ihr gekommen und sie lachte mich aus, weil ich so leichtgläubig gewesen war. Ich war beleidigt und nahm mir vor, sie nicht zu mögen.

Dummerweise wurde ich am Nachmittag zusammen mit ihr dazu eingeteilt, gemeinsam am Beispiel eines Vogels die Grundmerkmale des Lebens herauszustellen.

Mit einem typisch kindlichen Lächeln setzte sie sich an meinen Tisch und begann mich darüber auszufragen, was die Lösung sei.

Ich schmollte noch ein wenig, doch sie sah mir auffordernd in die Augen und drohte schließlich damit dem Lehrer zu sagen, dass ich mich weigerte, mitzuarbeiten. Ich sah sie mit einem genervten Gesichtsausdruck an, tat dann aber doch das Nötigste, um mir meine gute Beurteilung nicht zu vermiesen.

Geschlechter wurden bei uns kaum getrennt, doch bis ich 14 war, gestaltete ich meine Freizeit normalerweise damit, mir entweder den Schulstoff genauer einzuprägen oder mit meinen beiden besten Freunden Richard und Rashiq in Akademie alle möglichen Spiele auszuprobieren.

So verliefen die ersten sieben Jahre unserer gemeinsamen Zeit im Sande, nur hin und wieder wurde ich quasi dazu gezwungen, mit ihr zusammen zu arbeiten. Über die Jahre wurden unsere beiden Fähigkeiten jedoch deutlich ausgereifter und auch unsere Persönlichkeit entwickelte sich:

Anfangs baute ich noch Katapulte, mit denen wir die „Festung“, den Teil, indem die Schlafräume der Lehrmeister und Lehrmeisterinnen waren, einnehmen wollten, einmal waren wir sogar schon so weit, dass wir einen Schlachtplan gezeichnet hatten und eine Angriffstaktik ausgeklügelt hatten, dann kamen wir jedoch auf die Idee, dass unsere „Waffen“ effektiver wären, wenn wir sie mit Feuergeschossen ausrüsteten.

Leider hatten wir nicht daran gedacht, dass wir unsere Katapulte aus Holzresten zusammengebaut hatten, sodass sie unter der Hitze des magischen Feuers einfach zu Staub zerfielen, unter dem Gelächter unserer Lehrer, die uns beobachtet hatten.

Von da an wurden meine Streiche weniger, obwohl Richard und Rashiq ununterbrochen weiter ihre „Experimente“ machten. Ich hingegen blieb oft in meinem Zimmer, weil ihre Aktionen teilweise so gefährlich wurden, dass andere dabei hätten sterben können.

Sie versuchten mich zu überreden, dass das bei unserer Katapultaktion nicht anders gewesen war, doch irgendwie wurde ich ihnen gegenüber zunehmend misstrauisch, obwohl sie über ein ganzes Jahrzehnt meine besten Freunde gewesen waren, der Großteil meines Lebens. Ein Teil meiner Kindheit endete hiermit.

Ja, sie entfernten sich immer weiter von mir, auch wenn ich noch nicht verstehen konnte, warum. Meinen Frust begrub ich damit, die Lektionen des Tages durchzuarbeiten und meine magischen Fähigkeiten zu trainieren.

Dadurch lernte ich viel schneller als alle anderen meines Alters, sodass ich immer öfter einzeln unterrichtet wurde. Eines trieb mich jedoch stetig an, noch intensiver und noch schneller besser zu werden, denn eine andere Schülerin schaffte es, mit mir im Bereich Heilung und Verständnis mitzuhalten: Aileen.

Ich hatte nicht auf sie geachtete, doch in gewissem Sinne war sie die ganze Zeit über eine Außenseiterin gewesen, ähnlich wie ich einer wurde.

Sie hatte ebenfalls mehr als genug Zeit, den Lernstoff durchzuarbeiten, weil sie niemand der Kinder an der Akademie, die in ihrem Alter waren, jemals vollständig akzeptiert hatte. Jeder verbrachte den Tag in einem engen Freundeskreis, ich verlor meinen, sie hatte nie einen gehabt. Aileen war eben da, aber niemand hätte sie wohl damals als Freundin bezeichnet.

Über die Jahre war ich es gewohnt, mich immer wieder mit ihr zu messen, doch die Zeit hatte uns beide verändert.

Dennoch dauerte es insgesamt zwei Jahre, ich war mittlerweile 16, bis wir unsere Rivalität offiziell für beendet erklärten. Ob ich es eigentlich gewollt hatte oder nicht, sie war zum besten Freund geworden, den ich hatte:
Richard und Rashiq standen durch ihre Eskapaden kurz vor dem Rauswurf und die restlichen meiner Altersgenossen schafften es nicht einmal annähernd mit mir auf geistiger Ebene mitzuhalten, auch wenn ich meine Freizeit immer mehr damit verbrachte, mich rein auf die Magie zu konzentrieren.

Sie waren in meinen Augen unreif, während sie sich in Gruppen laut lachend durch die Akademie bewegten, versuchte ich zu verstehen. Zu verstehen, wie die Welt funktioniert, zu verstehen, wie die Magie die Welt formte und es immer noch tut.

Ausgerechnet Aileen war diejenige, die mir trotz meiner jahrelangen Ablehnung immer wieder zeigte, dass sie ähnlich empfand. Versteh mich nicht falsch, wir unterhielten uns in diesen zwei Jahren kaum miteinander, jedoch wurde unser Unterricht oft dahin gelenkt, in die Gedanken unseres Gegenübers einzudringen, seine Handlungen und Gefühle zu erkennen, ohne dass dieser es merkte.

Es kam vor, dass wir über mehrere Stunden einfach nur in einem leeren Raum alleine gelassen wurden, mit der Aufgabe herauszufinden, was der andere an diesem Abend am liebsten essen wollte. Sollte es einer von uns schaffen, dies herauszufinden und den anderen daran zu hindern, würde er genau dies auch bekommen.

Es ist schwierig zu erklären, wenn man sich nicht mit Magie und deren Anwendung beschäftigt hat, man kann es mit einem geistigen Fechtkampf umschreiben, glaube ich.

Ein Fechtkampf jedoch, bei dem man noch lange nicht gewonnen hat, wenn man den anderen getroffen hat, sondern erst über eine Art Mauer springen muss und dann in einem riesigen Labyrinth den Weg finden. Um dies zu können, muss man seine eigene Verteidigung fallen lassen, wie bei einem Fechtkampf eben.

Um sozusagen den richtigen Weg zu finden, probiert man alles aus, was einem hilfreich erscheint, liest sozusagen jede vorhandene Information, um sich eine Karte zeichnen zu können.

Das Lieblingsessen ist nicht gleich dem Frühstück und so weiter, es kann Tage, sollte er talentiert sein auch Wochen, dauern, auf diese Weise in dem Geist eines Fremden die richtige Information zu finden.

Genau diese Aufgabe stellten sie uns schließlich, zwei Monate nach meinem sechzehnten Geburtstag. Wir wurden in einen großen Raum geführt, indem es alles gab, was das Herz begehrte. Für das körperliche Wohl würde auf Anfrage gesorgt werden, jedoch würden wir ihn nicht verlassen dürfen, bis einer von uns die Aufgabe gelöst hatte, herauszufinden, was der andere an diesem Abend am liebsten essen wollte.

Wie gesagt, wir waren beide durchaus begabt und unsere vorgestellten Wünsche wurden von Tag zu Tag umfangreicher, sodass wir weit davon entfernt waren, am Ziel anzukommen. Eine Woche wurde zu zwei, mit der Zeit wurde der Raum, indem wir uns befanden beklemmend, obwohl er so groß war, dass man von einer Ecke zur gegenüberliegenden etwa 150 Schritte benötigte, mit einer riesigen Kuppel in der Mitte, die von einem Dutzend Säulen gestützt wurde.

Trotzdem verändert die Zeit, in der man auf diese Art und Weise zusammenlebt zwangsläufig die gegenseitigen Ansichten über den anderen. Wir hatten die Möglichkeit, beinahe jede Bewegung und jeden Atemzug des anderen zu beobachten, unsere geistigen Duelle über den gesamten Tag trugen nicht gerade dazu bei, bei körperlich gutem Zustand zu bleiben.

Dennoch brauchte es noch eine besondere Nacht, die etwas in mir wie einen Schalter umlegte, von einem Tag auf den anderen war ich wie ausgetauscht.

Aileen erging es auch nicht viel anders, wie sie mir später erzählte.

Wir waren in unseren persönlichen Kampf vertieft, über eine viel zu lange Zeit saßen wir uns in der Mitte des Raumes einfach nur gegenüber und versuchten, uns im Geist des anderen zurechtzufinden. Unsere Verteidigung war vor mehreren Stunden der Erschöpfung zum Opfer gefallen, doch niemand wollte aufgeben. Das Feuer ging aus, sodass es immer kälter wurde, doch wir machten weiter.

Die ganze Nacht über und auch noch am nächsten Tag.

Erst nach über 50 Stunden hörten wir in beiderseitigem Einvernehmen auf, kaum einen Schritt waren wir noch in der Lage zu tun, so steif waren unsere Muskeln geworden, so erschöpft waren wir. 50 Stunden quasi ohne sich zu bewegen, es war einer der qualvollsten Momente, an die ich mich noch erinnern kann. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er vollkommen leer, mir war es ein Rätsel, wie darin überhaupt noch jemand etwas finden sollte außer einer großen verstaubten Kammer ohne Einrichtung.

Jeder einzelne meiner Knochen schien laut zu schreien, als ich mich wie ein Betrunkener in Richtung meines Bettes begab, das in einer Ecke des Raumes aufgestellt war. Ich ließ mich, vor Kälte und Anstrengung zitternd, darauf fallen, hatte jedoch keine Kraft mehr, das Feuer wieder zu entfachen. Schlaf war das Einzige, an das ich noch denken konnte.

Ich muss innerhalb von Sekunden eingeschlafen sein, ich bekam von meiner Umgebung nichts mehr mit.

Mitten in der Nacht wachte ich auf, jedenfalls war es draußen dunkel, wie ich durch die Glasfenster in der Kuppel sehen konnte. Ich fühlte mich, als hätte ich Jahrhunderte geschlafen, es fiel mir schwer, mich an die letzten wachen Stunden zu erinnern.

Ich wollte aufstehen, um meine viel zu lange unbewegten Muskeln zu dehnen, doch nach kurzer Strecke stieß ich an ein Hindernis. Es war nicht kalt und hart wie ein Bettpfosten, sondern es fühlte sich vollkommen anders an.

Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was es sein konnte, bis ich meinen Blick von der Decke auf die Stelle drehte, an der ich auf das Hindernis gestoßen war.

Dort lag ein Mensch in meinem Bett und hatte sich so in meine Richtung gedreht, dass er mich im Schlaf wohl an mich geschmiegt haben musste. Mein Schlaf war zu tief gewesen, um davon etwas mitzubekommen. Langsam begann mein Verstand nun auch wieder mit der Arbeit, eigentlich war ich hier doch alleine, bis auf…

Neben mir lag Aileen, im Gegensatz zu mir noch schlafend.

Ihre Brust hob und senkte sich gleichmäßig, parallel zu ihrem Atem, ihre Arme hatte sie an ihren Körper gepresst. So wie sie da lag, friedlich und vollkommen ruhig, war sie wunderschön, zart verletzlich. Ich hätte in diesem Moment unser Duell beenden können, doch ich tat es nicht. Irgendetwas hielt mich davon ab…“

Er schwieg. Daria hatte die ganze Zeit ohne eine Reaktion einfach nur zugehört, ließ sich in seine Erzählung mit hineinziehen, als wäre sie selbst wie er damals in dem Zimmer eingesperrt, ohne eine Möglichkeit des Entkommens.

Er hatte einfach aufgehört, doch sie blieb weiterhin ruhig und lief mit gleichmäßigen Schritten neben ihm her.

Die Sonne wanderte spürbar dem Horizont entgegen, sie liefen weiter schweigend nebeneinander her. Schließlich fasste sie sich ein Herz und durchbrach die Stille:

„Wie ich gesagt habe: Du musst nichts erzählen. Vor allem nicht, weil ich bis jetzt beinahe überhaupt nichts erzählt habe…“

„Es wird dunkel, wir sollten uns nach einem Lagerplatz umsehen.

Er schien überhaupt keine Notiz davon genommen zu haben, dass sie etwas gesagt hatte, doch ein durchdringender Blick von ihm bewies das Gegenteil. Er würde weiter erzählen, wenn er wollte und er verlangte dafür keine Gegenleistung.

*****

An diesem Abend gab es keine Mulde oder Ähnliches, nur die große Ebene lag still und einsam vor ihnen. So bauten sie ein Zelt mit ein paar Decken ein wenig abseits von der Straße auf, auf ein Feuer mussten sie jedoch verzichten, da es kein Holz dafür gab.

„Kannst du nicht mit ein wenig Magie Feuer machen?“

In stiller Absprache hatten sie sich einfach gegenüber vor dem Zelt auf den Boden gesetzt und aßen ihre kalten Rationen. Die letzten Strahlen der Sonne beleuchteten sein Gesicht mit einem goldenen Schein, sodass erbeinahe wie eine eigene Sonne schien, wäre nicht eine Hälfte im Schatten.

„Könnte ich schon, aber auch mit Magie kann man nichts tun, was den Gesetzen der Natur widerspricht, jedenfalls nicht mit meiner.

Von dämonischen, nekromantischen oder Zaubern zur Geisterbeschwörung abgesehen, ist die Magie letztlich nichts anderes, als ein Lenken der Geschehnisse auf einer anderen Ebene.

Sieh mal: Als ich dich geheilt habe, habe ich nichts anderes getan, als deinem Körper Kraft zu geben. Ich habe sozusagen deinen Organismus dabei unterstützt, Kraft für die Heilung aufzubringen, etwas, was er auch ohne meine Hilfe getan hätte, wenn auch deutlich langsamer, wodurch andere Verletzungen hätten entstehen können.

Es war die Beeinflussung eines natürlichen Prozesses.

Würde ich nun versuchen Feuer zu entfachen, müsste ich auf dieselbe Weise handeln. Wenn man davon ausgeht, dass ich ein gewöhnliches Lagerfeuer entzünden will, so muss ich dafür sorgen, dass der Brand Nahrung bekommt. Habe ich einen Haufen brennbares Holz vor mir, kann ich die Wärme der Umgebung in einem bestimmten Punkt konzentrieren, wodurch das Holz anfängt zu brennen. Da es sich nur um einen winzig kleinen Punkt handelt, ist die Auswirkung nicht spürbar, jedoch vorhanden.

Ohne Holz braucht das Feuer trotzdem etwas als Nahrung, ich müsste enorme Veränderungen durchführen, was nach einem ganzen Tag auf der Reise extrem anstrengend wäre. „

Es war das erste Mal, dass ihr jemand etwas über die Funktionsweise von Magie erzählte. Für sie war es bisher immer nur ein Mysterium gewesen, eine übernatürliche Fähigkeit einiger Ausgewählter, mit der man viel Schaden verursachen konnte. Er hatte recht gehabt, als er nach ihrer Heilung gesagt hatte, dass Magier einen schlechten Ruf hatten.

„Wie schaffen es dann andere, Feuerbälle durch die Luft zu schießen, Blitze aus klarem Himmel zu erzeugen? Was ist dann mit den Dämonen, die erschaffen werden oder riesigen Kriegsgolems? Und wenn du Feuer machen kannst, warum tust du es dann nicht?“

Ihr Interesse an dem Thema war echt, vor allem war es ein Teil von Quinn. Sie wollte verstehen können, was er dort tat, vielleicht konnte sie von ihm sogar den einen oder anderen Trick lernen, es klang zwar bisher alles ziemlich kompliziert, aber erlernbar.

„Das sind jetzt aber gleich drei Fragen auf einmal, die alle einer eigenen Erklärung bedürften…“, lächelte er.

Sie mochte sein Lächeln, jedenfalls wenn es so ehrlich war wie jetzt. Es war kein Ausdruck der Höflichkeit oder hatte einen bitteren Unterton, um irgendwelche Erinnerungen oder Emotionen zu verstecken, sondern es galt allein ihr. Ihrer Seele, weil er sie liebte.

„Welche willst du zuerst beantwortet haben? Der Rest muss dann noch ein wenig warten.

„Die Letzte, mir ist kalt…“, antwortete sie, außerdem war dies etwas, was sie gerade in diesem Moment interessierte.

Der Rest bezog sich mehr auf Magie im Allgemeinen.

Statt ihr jedoch sofort zu antworten, packte er schnell die Reste seiner Essensration in den Rucksack, um dann an ihre Seite rutschen zu können. Zärtlich zog er sie an sich, sie spürte die Wärme seines Körpers deutlich an sich.

Sie schloss die Augen, legte den Kopf auf seiner linken Schulter ab und horchte für einen Moment einfach nur nach dem Rhythmus seines Atems. Sie spürte, wie sich feine Härchen in ihrem Nacken aufstellten, als er sanft darüber strich und sie mit der anderen Hand an sich drückte.

„Geht es so besser?“, fragte er nach einigen Minuten, in der sie sich einfach nur hatte halten lassen.

Dabei strich er mit beiden Händen fest über ihren Rücken, beinahe fühlte es sich an, als würde er sie massieren, doch er stoppte nachdem er wieder am Ansatz ihres Nackens angekommen war.

Zur Antwort gab sie ihm einen langen Kuss, versuchte sich zu erinnern, ob in ihrem kurzen Leben bisher sie schon einmal auf diese Weise gewärmt worden war.

Er hatte es nicht nur geschafft, ihr mit seiner Nähe physische Wärme zu geben, sondern hatte sie außerdem von innen heraus gewärmt, sodass sie sich fühlte, als säße sie an einem warmen Kaminfeuer, nur dass das Feuer nicht vor ihr im Kamin brannte sondern tief in ihr.

Etwas Derartiges hatte sie noch nicht erleben dürfen, es von Quinn zu bekommen, steigerte noch einmal ihr Glücksgefühl.

„War das Magie?“, fragte sie, als sie sich wieder von ihm trennte, nun jedoch bis in jeden Winkel ihres Körpers gewärmt. Allein sein warmes Lächeln war bereits Magie, auf eine gewisse Weise war alles magisch an ihm. Eigentlich hätte sie ihre Frage sofort mit einem „Ja“ beantworten können.

„Deine Frage ist falsch gestellt.

Es ist wahrscheinlich keine, wie du sie dir vorstellst, aber dennoch würde ich es mit einem Ja beantworten. Die Liebe von zwei Menschen ist ein so starkes Band, dass man es nur schwer durchbrechen kann, es ist im Prinzip eine eigene Form der Magie. Ihre Kräfte sind stärker und beständiger als alles andere, ich würde daher sogar sagen es ist die mächtigste Form. Aileen…“

Er schluckte, es war ihm deutlich anzusehen, dass er nicht geplant hatte, sie jetzt anzusprechen.

Aus diesem Grund blieb sie auch still und ließ ihm Zeit, sich wieder zu sammeln. Das Einzige, was sie tat, war seine Hand mit ihrer fest zu umschließen, eine stumme Botschaft, die besagte: „Ich bin bei dir!“

„Sie hat einmal gesagt, Liebe wäre ein dickes Seil, gewoben aus den Fasern des Lebens. Es strahlt so hell, dass man sein Wesen nicht begreifen kann, ohne es zu spüren. Jeder hält ein Ende dieses Seils, wie fest, ist seine Entscheidung.

Je fester man es hält, desto deutlicher wird jede Emotion über das Seil in einer Welle an den anderen übertragen, je fester der andere es hält, desto deutlicher spürt er diese Emotionen.

Dieses Seil ist beinahe unzerstörbar, nur mit dem Ende des Lebens selbst lösen sich die Fasern und verlassen unsere Welt. Dämonen ernähren sich von Hass und Neid, sie können diesem Band nichts anhaben, Geister ernähren sich von Furcht, auch dies ist in dieser Verbindung nicht enthalten.

Die einzigen verwundbaren Punkte sind die beiden, die das Seil halten, denn wenn einer von ihnen loslässt, wird er es nicht mehr wieder aufheben können.

Verwundbar ist nur unser Körper, unsere Gedanken können manipuliert und ausgespäht werden. Unsere Gefühle jedoch kann man nicht direkt sehen oder beeinflussen, sie gehören nur dem eigenen Ich. Wir können glauben, sie hätten sich verändert, obwohl sie dies nicht getan haben, dies ist der Trick von Geistern.

Sie manipulieren unsere Gedanken und bewegen sie dazu, unsere Gefühle zu ignorieren. Einfach töten kann sie jedoch nichts. Wenn wir also mit unserem Gefühl das Seil festhalten, dann wird das Band der Liebe unzerstörbar, wir müssen uns nur noch daran erinnern, dass es sie gibt. „

„Sie war eine kluge Frau“, sagte sie sanft, als sie sie merkte, dass er nicht mehr weiter erzählen wollte.

Sie wusste immer noch nicht, warum Quinn nicht bei ihr war, offensichtlich hatte er Aileen wirklich geliebt.

Nicht nur so, wie man es manchmal schnell sagt, sondern wirklich, wie er es eben beschrieben hatte. An welcher Stelle seiner Geschichte tauchte sie auf? Sie wollte nicht, dass er so schmerzvolle Erinnerungen mit sich tragen musste, andererseits wäre er ansonsten wahrscheinlich nicht hier bei ihr.

Wie um sich zu versichern, dass er nun hier war, umschloss sie seine Hand noch etwas fester, er würde ihr den Rest der Geschichte erzählen, wenn er bereit dazu war.

Egal was sie enthalten würde, sie würde ihn nach wie vor lieben, als ihren Retter. Seine Geschichte, im Grunde genommen auch Aileens Geschichte interessierte sie, aber längst nicht so stark, als dass sie ihm in irgendeiner Weise weh tun wollte, damit ihre Neugier befriedigt wurden.

In ihren Träumen war sie mit ihm vereint, bis auf alle Zeiten. Krampfhaft versuchte sie Aileen in dieses Bild einzuordnen, auf eine gewisse Art war sie jemand, der die Harmonie zwischen ihr und Quinn erheblich störte.

Doch sie konnte sie nicht hassen, obwohl sie es wollte. Er hatte sie geliebt, sie musste etwas Besonderes gewesen sein. Vielleicht würde sie sie eine Tages treffen, auch wenn sie sich nicht vorstellen konnte, wie dieses Treffen ablaufen sollte.

Ihr kam die Erinnerung an die letzten beiden Tage in den Sinn, wie sie Quinn erst vorgestern in einer Taverne getroffen hatte, wie sie ihn mehr aus einem Traum heraus denn bei klarem Verstand gefragt hatte, ob er sie begleitete, die Zusage und schließlich der heutige Morgen.

Und nun waren sie … Was waren sie eigentlich?

Ein Paar? Nein, mit ihrer Lebensgeschichte würden sie nie ein Paar werden. Ein Paar waren Mann und Frau, die eine Familie gründeten, einer Arbeit nachgingen, um ihre Familie zu versorgen. Ein Paar begab sich nicht auf eine Reise, bei der jeder Schritt den Tod bedeuten konnte. Es war das Abbild des bürgerlichen Lebens.

Gefährten? So hätte sie sie vielleicht vor 2 Tagen bezeichnet, als er ihr Angebot angenommen hatte, doch spätestens nach dem heutigen Tag waren sie mehr.

Sie hatte schon oft von Leuten gehört, die eine Verbindung mit ihren Reisegefährten eingegangen waren, die langen Tage auf der Straße verlangten nach einem Ausgleich, das wusste sie, hatte es selbst erlebt.

Doch von Anfang an war ihr Sex mehr gewesen, als das. Für sie und für ihn, es war intensiver, umfassender, mehr als ebenjener Sex, den Reisegefährten hin und wieder hatten. Dafür war seit heute Morgen ihre emotionale Abhängigkeit viel zu stark, es hatte etwas in ihr ausgelöst, was sie nicht beschreiben konnte.

Freunde? Sie wusste, dass in einigen Städten sehr offene Freundschaften zelebriert wurden, die im Grunde genommen Alles umfassten, auch die körperliche Liebe. Aber Quinn als Freund zu bezeichnen kam ihr mehr als abwertend vor, auch dafür war er ihr mittlerweile zu wichtig. Freundschaften dieser Art entstanden über lange Zeit, sie hingegen hatte sich wirklich in ihn verliebt.

Vielleicht war ihre Verbindung zu Quinn etwas einzigartiges, was sich nicht mit Worten beschreiben ließ, sich nicht in einen einfachen Begriff zwingen ließ.

Für sie würde es jedenfalls niemand anderen mehr geben.

*****

„Du wolltest wissen, warum ich kein Feuer mache, oder?“

Seine Frage zerstörte die vorherige Stimmung vollständig, ließ sie in tausend Teile zersplittern, unwiederbringlich verloren. Doch sie nahm es ihm nicht übel, auch wenn sie es nicht selbst erlebt hatte, sie fühlte sich in solchen Momenten, als spürte sie denselben Schmerz wie er und sie verstand ihn.

Mit einem kurzen Kopfnicken bestätigte sie seine Frage.

„In Ordnung, mach es dir ruhig ein wenig bequem, es dauert wahrscheinlich länger als du glaubst. “

Mit diesen Worten rückte sie so auf ihn zu, dass sie sich seitlich an ihn lehnte. Ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter, sodass sie jede seiner Bewegungen spürte. Quinn hatte einen Arm um sie gelegt und sorgte dafür, dass ein Feuer für die Nacht unnötig wurde.

So saßen sie zu zweit in der Dunkelheit, vor dem Lauf der restlichen Welt versteckt.

Seine Stimme schuf eine wohlige Atmosphäre, sodass sie bald nur noch mit geschlossenen Augen seinen Worten lauschte, die ihr nicht nur die Magie erklärte, sondern ihn ebenfalls als etwas Magisches erscheinen ließen, ein nur für sie sichtbarer Stern, das rettende Ufer in einem sonst endlosen Meer.

„Als Erstes sollte ich dir erklären, dass man mit Feuer etwas viel zu ungenaues ausdrückt.

Es erscheint in unzähligen Formen, keins ist wie ein Anderes wie kein Mensch einem Anderen gleicht. Man spricht nicht umsonst von der Seele des Feuers, es ist etwas Einzigartiges.

Dennoch kann man drei Arten von Feuer unterscheiden, die in ihrem Wesen so unterschiedlich sind, dass nur ein Laie sie verwechselt, wie er ein Kaninchen mit einem Hasen oder eine Maus mit einer Ratte vergleichen würde. Eins haben sie jedoch alle gemeinsam: Sie brauchen einen Nährstoff, eine Grundlage auf der sie brennen können und einen Auslöser, sozusagen eine Mutter, die ihnen das Leben schenkt.

Ist es einmal ausgelöst ist es nur dadurch wieder zu vernichten, wenn ihm der Nährstoff geraubt wird, der jedoch unterschiedlicher nicht sein könnte.

Die erste Art ist die Konventionelle, ein Lagerfeuer, wenn du es so nennen willst. Ausgelöst durch einen Funken brennt es so lange, wie man ihm genügend Nahrung bereitstellt, die gesammelten Holzstücke. Es ist die am weitesten verbreitete Art und ist den meisten hinreichend bekannt, sodass sie, wenn sie Feuer meinen, diese Art meinen.

Die Seele dieses Feuers ist eine wilde und unstete, es breitet sich so schnell wie möglich aus, kommt es in die Reichweite neuer Nahrung übernimmt es diese um wachsen zu können. So hat es eine enorme zerstörerische Kraft, da man es nicht mehr kontrollieren kann, ist es einmal ausgebrochen, ist die einzige Möglichkeit, es zu stoppen, seine Lebensgrundlage zu nehmen: Die Hitze, die Nahrung oder Luft zum Atmen. Deshalb löscht man solche Feuer mit Sand oder Wasser.

Die zweite hat ein wesentlich komplexeres Wesen und ist für viele schon nicht mehr nachvollziehbar. Du hingegen hast es schon erlebt, es sollte dir also bereits bekannt sein. Erinnerst du dich, wie du mich gefragt hast, ob es Magie sein, als ich dich umarmt habe? Dies war der Auslöser für diese Art des Feuers, meine Berührung war der auslösende Funken, der es entfacht hat.

Es ist weder sichtbar, noch für Außenstehende fühlbar, an seiner Hitze kann man sich nicht verbrennen, sei es noch so groß und umfassend.

Auch hier ist das Feuer der Liebe nicht nur ein Sprichwort, sondern es ist real, eine Flamme, die man in sich tragen kann, man beschützt sie und wärmt sich an ihr, denn seine Seele ist eine einfühlsame und behütende.

Es breitet sich von sich aus oder hinterlässt einen Aschehaufen, sein Nährstoff sind die Gefühle eines anderen, seiner Liebe. Lässt man sie zu und empfängt sie, so wird dieses Feuer größer und breitet sich aus, denn der Andere hat ihm eine Grundlage zum Leben gegeben.

Es geschieht oft unbewusst, doch die Auswirkunken dieses Prozesses sind nachhaltig spürbar.

Wie jedes Feuer braucht es jedoch stetigen Nachschub an Nährstoffen, sodass es kleiner und kleiner wird, je weniger von diesem da ist. Das Feuer erlischt, wenn die Liebe erloschen ist, denn dann fehlen auch die ehrlich geteilten Gefühle und Empfindungen, der Nährstoff wird ihm entzogen. „

„Kannst du mir beibringen, wie man es entfacht?“

Seine Erzählung hatte sie für einen Moment wieder in ihre Kindheit zurückversetzt, in die Zeit, in der sie stundenlange Vorträge von den älteren Frauen zu hören bekommen hatte.

Sie hatte sich oft gelangweilt und hatte nicht richtig zugehört, es gab damals viel interessantere Sachen zu tun, wie zum Beispiel im Wald verstecken spielen.

Je älter sie geworden war, desto seltener aber auch umfangreicher wurde diese Art von Lehrstunden. Sie hatte nur dann zugehört, wenn sie sich dafür interessiert hatte, bei dem Großteil jedoch hatte sie einfach nur dagesessen, mit den Gedanken an einem anderen Ort.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ihn einfach unterbrochen hatte und er sie nun unentwegt ansah.

Er hatte ihr wohl angesehen, dass sie ihm sowieso nicht wirklich zugehört hätte, wenn er sofort geantwortet hätte. Sie formte ihre Lippen zu einer Entschuldigung, doch ein kaum merkliches Kopfschütteln von ihm unterband dies. Stattdessen sah er sie einfach nur ruhig an und betrachtete sie.

„Manchmal habe ich das Gefühl, in deinen Augen würden sich all deine Gedanken widerspiegeln. Ich habe noch nie jemanden gesehen, dessen Empfindungen so verschlossen wirken und doch ehrlicher als irgendwie anders möglich zu Tage treten.

Seine Stimme war sanft, und obwohl sie ihn seitlich ansah, hatte sie kaum gemerkt, dass er angefangen hatte zu sprechen. Die Worte umspielten ihren Gedanken, ließen sie schweben und entfachten wieder dieses Feuer in ihr, welches ihr Wärme und Geborgenheit schenkte.

„Du kannst es bereits, ich habe dir doch etwas über das Band der Liebe erzählt. Zu diesem gehören immer zwei, du musst nur an deine Macht glauben.

„Wie?“, fragte sie zaghaft, „Wie kann ich daran glauben, wenn ich es noch nie geschafft habe? Woher weiß ich, dass ich es entfacht habe?“

„Es ist Magie. Glaube an dich und deine Fähigkeiten, dann wirst du es spüren. „

Er zog sie so zu sich, dass sie nun auf seinem Schoß saß, mit dem Rücken zu ihm, sodass ihr Kopf weiterhin auf seiner Schulter lag.

Ihr Blick war zum Himmel gerichtet, sah in die unendliche Weite und verlor sich darin. Er hatte die Arme über ihre Schultern gelegt, seine Hände trafen sich mit ihren in ihrem Schoß. Wie zufällig ließ er kurz einen Daumen zwischen ihre Beine wandern, doch als sie ihre Hand kaum merklich bewegte, um ihm leichter Zugang zu gewähren, zog er ihn unvermittelt zurück.

Sie drückte sich ein wenig fester an ihn, sodass sie in ihrem Rücken seine kräftigen Muskeln spüren konnte.

Ja, sie war abhängig von ihm, ohne seine Anwesenheit würde sie sich in der sie umgebenden Dunkelheit verloren fühlen. Er gab ihr den Halt, den sie brauchte, die Wärme, nach der sie sich sehnte, Vertrauen, welches sie beschützte, vor den bösen Geistern in ihr und ein Stück weit auch von der Welt selbst. Wünscht sich nicht jeder ein wenig innere Ruhe und Zufriedenheit?

Langsam schloss sie ihre Augen und konzentrierte sich auf jede einzelne Bewegung, die von ihm ausging.

Sie spürte, als er seine Hände ein ganz kleines bisschen fester um die ihren schloss, das dumpfe Schlagen ihrer Herzen beherrschte die Nacht. Vorsichtig drehte er seinen Kopf ein wenig, sie spürte, wie er von ihr genauso berauscht schien, wie umgekehrt sie von ihm.

Instinktiv hob sie ihren Kopf ein wenig an, sodass sie seinen ertasten konnte, einfach nur dadurch, dass sie die Wärme spürte, die von ihm ausging. Sie wusste, wie ihre Haare sein Gesicht umspielten, dass er ihren Duft wie eine Droge inhalierte, in eine andere Welt abhob, in der sie sich so lieben konnten ,wie sie wollten, in eine Welt, in der es kein anderes Lebewesen gab, nur sie beide und ihre Liebe.

Sie spürte einen Kuss in ihrem Nacken, es elektrisierte ihre Muskeln, wie ein Blitz der sie durchfuhr, jedoch ein sehsüchtiges Gefühl nach einer weiteren Berührung hinterließ. Sie drückte ihm ihren Nacken entgegen, forderte ihn dazu auf, auf keinen Fall aufzuhören. Sein Körper war ihr Schutzschild, ihrer war seines.

Der zweite Kuss zerbrach alle Wände, die sie noch getrennt hatten, überwand jegliche Hürde und berührte direkt ihre Seele.

Sie brannte wie der hellste Stern am Himmel, ihr Feuer hätte die Kraft gehabt, ein ganzes Dorf zu wärmen, bis in jeden Winkel. Es war nicht länger ihr eigenes Feuer in der Seele, es gehörte ihnen beiden, sie würden sich für immer gemeinsam daran wärmen können.

Als er den Kuss wieder löste, wusste sie irgendwoher, dass er einen Teil des Feuers behalten hatte, einen kleinen Teil von ihr hatte sie ihm mitgegeben, weil dieser Teil die Macht hatte ihn zu wärmen und zu beschützen.

Von nun an würde sie für immer bei ihm sein, ein Teil von ihr gehörte nun ihm.

Langsam löste er sich von ihr, stand auf und ging in Richtung des Zelteingangs. In ihr blieb ein Teil seines Feuers zurück, wie beim ersten Mal, als er ihr die Wärme geschenkt hatte. Sie hatte es wirklich geschafft, auch in ihm das Feuer zu entfachen, genau wie er gesagt hatte. Es war Magie, jedoch eine Form, von dessen Existenz sie erst jetzt erfahren hatte.

Etwas Schöneres hätte er ihr nicht schenken können.

Sie musste nicht fragen, wohin er ging, sie wusste es bereits: Die Wache für die Nacht würden sie sich wieder teilen und sie übernahm wie letzte Nacht die erste. Die letzten Minuten hatten das Band der Liebe zwischen ihnen stärker gemacht, als sie es jemals für möglich gehalten hätte, sie wusste, was er dachte, ohne ein einzelnes gesprochenes Wort.

Es gab etwas, das sie heute verstanden hatte, etwas, mit dem sie in Frieden die Wache überstehen würde: Ein Magier war jemand, der seine Umwelt besser verstand als jeder Andere, jemand, der sich die äußeren Gegebenheiten zu Nutzen machte.

Genau das hatte sie getan, sie hatte ihre Liebe ausgenutzt, um Quinn Wärme und Geborgenheit zu schenken, in diesem Sinne konnte auch sie Magie anwenden.

VII.

„Die Nacht ist der ewige Beschützer der Welt, der Ausgleich zum Tag und die Stille. Sie bietet Schutz und Zeit zum Nachdenken, einen Platz für Gedanken und sich selbst. Die Dunkelheit ist das Gegenteil zum Licht, in den Schatten liegen mehr Geheimisse, als wir uns vorstellen könnten.

Die dunkle Hälfte des Tages bietet einen Raum für Sehnsüchte und für Traurigkeit, ohne diese keine Freude existieren würde. Nichts geschieht ohne Grund, nur sehen wir ihn meistens nicht. „

Quinn schlug das Buch zu, es wäre besser gewesen, es gar nicht erst hervor zu kramen. Einer seiner alten Meister hatte ihm diese Abschrift geschenkt, weil er es in seiner Kindheit so gemocht hatte. Damals hatte er jedoch nie wirklich in dem Buch gelesen, sondern einfach nur stundenlang auf den kunstvoll verzierten Einband gestarrt.

„Almanach des Lebens“ war dort in goldener, verschnörkelter Schrift in das Leder eingelassen, darunter prangte ein Wappen mit unzähligen Linien, winzig kleinen Figuren und Symbolen.

Einige Wenige davon kannte er, die Symbole für Feuer, Heilung, Wind, Erde und einige andere hatte er während seines Studiums gelernt. Diese waren aber nicht einmal ein Zehntel all dieser Linien, in seinem ganzen Leben war er stets auf der Suche nach der Bedeutung all dieser Zeichen gewesen.

Ab und zu fand er jemanden, der die Bedeutung eines weiteren kannte, er wurde das Gefühl nicht los, dass sich für jemanden, der all diese Zeichen kannte und zu entschlüsseln wusste, in diesem Buch eine unvorstellbare Macht versteckte, die groß genug war, alles zu zerstören oder zu erschaffen.

Heute Nacht, als Daria ihn geweckt hatte um selbst ein wenig Schlaf zu bekommen, hatte er das Gefühl gehabt, er würde ein weiteres jener Symbole zuordnen können.

Die Passage über die Nacht hatte er schon unzählige Male gelesen, nach einem Zeichen für die Nacht auf dem Einband gesucht und erfolglos aufgegeben. Die Nacht selber war nicht darauf verzeichnet, weil sie nur die Konsequenz aus einem viel umfassenderen Sachverhalt war: Jedes Ereignis hat sein Gegenteil, alles seinen von Natur aus bestimmten Partner. Wie das Wasser zum Feuer gehört, so wie der Tod zum Leben gehört, so gehört die Nacht zum Tag.

Vorsichtig fuhr er mit den Fingerspitzen über den Einband, wie von selbst blieben seine Finger an einer bestimmten Stelle stehen.

Er musste sie nicht anheben, um zu wissen, was sich darunter befand, viel zu lange hatte er das Buch bereits, als dass er nicht den Einband allein aus dem Gedächtnis nachzeichnen könnte. Ein Kreis aus einer feinen Linie befand sich darunter, in der Mitte durch eine geschwungene Linie in zwei Hälften geteilt.

Auf der Einen Seite befand sich das Symbol für Leben und Reinheit, aber auch Vergänglichkeit und Bestrafung: Wasser.

Auf der anderen Seite befand sich das vermeintliche Gegenteil, das Symbol für Zerstörung und Zwietracht, aber auch Wärme und Licht: Feuer. Beide Teile vereinten in sich bereits die Zwietracht von gegensätzlichen Bedeutungen, bildeten miteinander jedoch gleichzeitig Ergänzung und Gegenteil, eine bessere Kombination hätte der Zeichner nicht wählen können.

Er lächelte leicht, wirklich jeder noch so unbedeutend aussehende Schnörkel hatte in diesem Werk eine Bedeutung, das wurde ihm immer öfter vor Augen gehalten.

Er fragte sich, ob es nicht in Wirklichkeit nur ein wunderbares Kunstwerk war, was ein genialer Zeichner auf den Einband gebannt hatte, aber sein Gefühl sagte ihm etwas anderes. Selbst die zufällig scheinende Anordnung der Symbole hatte eine genau definierte Bedeutung, es konnte sich nicht um bloßen Zufall handeln.

Die Sonne erschien langsam am Horizont und warf ihr goldenes Licht auf den Lagerplatz. Wieder einmal hatte er die gesamte Nacht hier gesessen, in ein Buch vertieft, welches er schon längst auswendig kannte.

Vielleicht würde irgendwann einmal die Zeit kommen, in der das letzte Symbol sein Geheimnis offenbarte und dann würde er Antworten bekommen, bis dahin blieb es eine wahrscheinlich sinnlose Beschäftigung.

Mit einer schwerfälligen Bewegung erhob er sich, seine Muskeln waren durch das lange, beinahe bewegungslose Sitzen ein wenig verkrampft. Noch ein wenig unbeholfen drehte er sich in Richtung Zelteingang, um Daria zu wecken und wäre dabei fast mit ihr zusammengestoßen. Vollkommen ruhig hatte sie hinter ihm gestanden, er hatte sie weder kommen gehört, noch hatte sie ihre Anwesenheit durch irgendetwas verraten.

Sie lächelte, ihren Blick immer noch auf die Stelle gerichtete, an der er zuvor gesessen hatte.

„Guten Morgen Quinn!“

Es dauerte einen Moment, bis er sich gesammelt hatte, was auch damit zusammenhing, dass er die Zeichen auf dem Buchdeckel nicht aus dem Kopf bekam. Statt ihr zu antworten gab er ihr einen langen Kuss, er sagte sowieso mehr als Worte.

Es war immer wieder etwas Besonderes, ihre Lippen auf seinen zu spüren, ihren Duft einzuatmen, scheinbar von hier fliehen zu können, in die Welt der Träume.

Daria war mehr als etwas Besonderes, sie war einzigartig, jemand, der ihm mehr schenkte, als er es sich je hätte vorstellen können. Sie hatte die Augen geschlossen und doch schienen daraus Funken zu fliegen, Funken jenes Feuers, das sie auch in ihm entfachte.

Am letzten Abend hatte er das Gefühl gehabt, dass sie mehr gelernt hatte, als er erzählt hatte. Als er damals als Kind vom Feuer erzählt bekommen hatte, war ihm seine Natur lange unverständlich gewesen, es hatte Jahre gedauert, bis er es als beinahe lebendiges Wesen begriffen hatte.

Sie hingegen hatte das Feuer der Liebe an einem einzigen Abend zur Meisterschaft gebracht. Sie hatte es schon vorher gekonnt, aber mit dem Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten fühlte es sich wirklich wie eine übernatürliche Kraft an. Die Quelle ihrer Kraft schien unendlich, ihr Geschenk von unschätzbarem Wert.

„Wir sollten uns auf den Weg machen, vielleicht schaffen wir es bis heute Abend nach Arensfurt. „

Ganz sanft hatte sie sich von ihm gelöst, ihr Blick besagte jedoch, dass er auf dem Weg noch viel würde erzählen müssen, gestern hatte er noch einiges weggelassen.

Wieder blitzte kurz der Gedanke an Aileen auf, auch diese Geschichte hatte er noch nicht zu Ende erzählt, aber es fühlte sich im Moment einfach unpassend an, sie fortzusetzen. Er wollte Darias Nähe genießen und sich nicht mit dem Gedanken an Aileen beschäftigen. Dennoch, er wusste, dass es so lange an ihm nagen würde, bis er ihr alles erzählt hatte. Irgendwann würde er den Mut dazu finden.

Gemeinsam bauten sie das Zelt ab und aßen nur das Nötigste ihrer Rationen.

Dadurch, dass sie mit heute den dritten Tag ohne das Sammeln von Früchten oder Jagen auskommen mussten, sollte es wenigstens noch für die nächsten beiden Tage genügen, falls sie heute Arensfurt doch nicht erreichen würden und ihre Vorräte nicht auffüllen konnten.

Im Gegensatz zum Vortag war die Stimmung jedoch längst nicht so angespannt, obwohl letzten Endes die Macht der stärksten Magie der Welt Alles noch zum Guten gewendet hatte. Immer wieder tauschten sie einen flüchtigen Kuss, er wurde süchtig danach.

Jede scheinbar zufällige Berührung schickte eine warme Welle durch seinen Körper, alles schien neu und aufregend, er fühlte sich wieder wie ein Junge, als er und Aileen… Er schüttelte leicht den Kopf, warum musste sie immer wieder in seinen Gedanken auftauchen?

Es war schlicht ungewohnt, auf einmal so vertraut mit Daria umzugehen, quasi innerhalb eines Tages war sie mehr geworden, als jeder Andere es je gewesen war. Noch vor gut zwei Tagen hatte er sie kaum gekannt, als er so völlig aus heiterem Himmel seine Lebensgeschichte vor ihr ausgebreitet hatte.

„Deine Vergangenheit formt dich, sie ist dein eigener Beitrag zur Geschichte der Welt“ hatte einer seiner Lehrmeister einmal zu ihm gesagt, er hatte Recht behalten.

Kaum war die Sonne vollständig am Horizont zu sehen gewesen, hatten sie sich wieder auf den Weg gemacht, ihr vorläufiges Ziel hieß Arensfurt. Ihm fielen seine Bedenken von gestern wieder ein, immer noch war kein einziger Mensch zu sehen. Es konnte aber auch einfach bedeuten, dass sich im Moment niemand auf dem Weg befand, diese Gegend war immerhin nicht allzu stark besiedelt.

Er nahm sich vor, diesen Gedanken vorerst zu vergessen und die Reise mit Daria zu genießen.

Gibt es etwas Wertvolleres als endloses Vertrauen, grenzenlose Möglichkeiten durch einen Menschen, dessen Leben um ein vielfaches wertvoller scheint als das eigene? Seit Urzeiten wünschten sich die Menschen fliegen zu können, viele waren bei hilflosen Versuchen ums Leben gekommen, niemand hatte es verwirklichen können. Dabei war es doch so einfach, wenn man erst einmal verstanden hatte, dass man diesen Traum nicht alleine realisieren kann.

Aber mit vereinten Kräften kann man es schaffen, Daria erinnerte ihn in jeder Sekunde daran. Fast wie damals Aileen….

*****

Aileen — wieder und wieder tauchte ihr Bild in seinem Kopf auf, dabei hatte er doch früher schon viel mehr Abstand gewonnen gehabt, als er Daria noch nicht gekannt hatte. Damals war er auch allein gewesen, ohne einen Menschen, dem er vertrauen konnte, aber nur ganz selten hatte er an sie gedacht, es war ein abgeschlossenes Kapitel in seinem Leben gewesen.

Nun wirkte alles wieder frischer als je zuvor. Ihre Gestalt tauchte immer wieder auf, als Abbild des Moments, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, vor vielen Jahren…

Er versuchte, ihr Bild wieder aus seinem Kopf zu verbannen, doch es gelang ihm nicht einmal ansatzweise. Beinahe schien es, als würde sie sich in seinen Gedanken festkrallen, als wäre sie es und nicht er, der darüber entschied. Alte Lektionen fielen ihm ein, wie man Gedanken dieser Art vertrieb, Stück für Stück errichtete er in seinem Kopf ein endloses, sich immer wieder veränderndes Labyrinth, gab seine Bemühungen jedoch sofort wieder auf, als er spürte, wie das Bild von Aileen scheinbar dagegen ankämpfte.

Es war genau das gleiche Gefühl, wie wenn jemand versucht in den eigenen Gedanken herumzuwandern. Woher kam es? Warum Aileen, sie war wahrscheinlich hunderte Kilometer von ihm entfernt. Sein Vertrauen zu Aileen war über all die Jahre geblieben. Statt sie nun vertreiben zu wollen, konzentrierte er sich auf ihr Bild, sie wurde zu einer wabernden Gestalt, wie im Nebel. Ihre Lippen bewegten sich, doch er konnte nichts hören, sie kaum erkennen.

Ärgerlich versuchte er sie zu vertreiben, dies hier war weder der richtige Ort, noch die richtige Zeit. Er hatte Daria, und mit ihr mehr, als er jemals wieder zu hoffen gewagt hatte. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus, als er an ihren Kuss von heute Morgen dachte. Es war nur ein kurzer Augenblick, aber er befreite ihn, gab ihm Sicherheit. Doch die Dämonen der Vergangenheit vertrieb man nicht so einfach, sie würden wieder kommen.

Das Bild in seinem Kopf wurde von einem dunklen Schleier überzogen, nur durchbrochen von einem einzigen Lichtstrahl, der gerade genug war, um Aileens Gesicht und einen Teil ihres Oberkörpers zu beleuchten. Sie war nichts weiter als eine schwebende Gestalt, eine dunkles Wesen ohne feste Form oder Körper, das sich in seinem Geist eingenistet hatte.

Alles schien unwirklich, doch so sehr er sich auch bemühte, sie verschwand nie ganz.

Langsam bekam er ehrliche Angst, das was er gerade erlebte waren entweder heftige Halluzinationen oder eine Macht, der man nur mit äußerstem Respekt begegnen sollte. War es wirklich sie, oder vielmehr ein Produkt seiner Gedanken?

Nein, er hatte nur das Grab seiner Vergangenheit wieder aufgebrochen, der dicke Stein, mit dem er es verschlossen gehalten hatte, war nun verschwunden. Damals hatte das Schicksal seine eigenen Pläne gehabt, hatte eine wunderbare Zeit viel zu schnell beendet.

Sie hatten es gewusst, immer wieder hatte er sich daran erinnert. Er hatte kein Recht, über etwas zu klagen, was schon lange vorher für ihn bestimmt gewesen war.

Wie um sich zu vergewissern, dass sie noch da war, griff er nach Darias Hand, die wie er schweigend der Sonne entgegen lief. Sie war sein letzter Halt — hoffentlich für immer.

Kaum hatte er auch nur an Daria gedacht, verschwand Aileens Gestalt, nur ihre letzten Worte blieben wie in seinem Kopf geschrieben vor seinen Augen stehen.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass er völlig unbewusst Darias Hand fest in seiner hielt, sodass seine Knöchel beinahe weiß erschienen. Er fühlte sich als würde er durch Nebel laufen, wie nach einer langen Nacht mit starkem Bier, aber er hatte keine Kopfschmerzen. Langsam lockerte er seinen Griff, versuchte sich ein Bild von seiner Umgebung zu machen. Er und Daria befanden sich auf der Straße, natürlich, sie waren schließlich heute Morgen aufgebrochen.
Er sah zu Daria, sie hatte ihr Gesicht ebenfalls ihm zugewendet, ihr Anblick vertrieb die Angst, die ihm seine Vision, oder was immer es auch gewesen war, eingeflößt hatte.

Sie hatte einen fragenden Blick aufgesetzt, vor ihr konnte er nichts verstecken. Ihre Anwesenheit allein war Heilung genug gewesen, trotzdem bekam er Aileen nicht aus dem Kopf. Vielleicht war es besser Daria davon erzählen, sie würde ihm helfen, so wie sie es schon immer getan hatte, seitdem sie sich kannten. Vorher würde er ihr jedoch die ganze Geschichte von Aileen erzählen, wenn sie denn wollte. Es war hoffentlich das Richtige.

Er gab ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen, es genügte zum Glück, wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.

Seit er sie kennen gelernt hatte, schien ihr Lächeln die Fähigkeit zu haben, alle Sorgen mit einem Mal wegzuwischen und für unwichtig zu erklären. Es setzte ein wunderbares Gefühl in ihm frei, welches nur sie erzeugen konnte, sie allein und niemand Anderes.

„Du hast gestern nicht fertig erzählt…“

Ihre Stimme durchdrang die Stille, schien wie auf einem Lufthauch zu ihm zu schweben. Alles an ihr war magisch, die Freuden einer frischen Liebe.

Sie drängte die letzten Minuten für einen Moment einfach zu Seite, wie um zu beweisen, dass sie das Wertvollste auf der Welt war.

„Welche von beiden Geschichten willst du hören? Die des Feuers oder die aus meiner Akademiezeit?“

„Das Feuer ist eine Geschichte? Ich dachte, es wäre gestern mehr eine Lehrstunde gewesen?“

Ihre Stimme war hell und klar, das ein wenig ironisch wirkende Lächeln auf ihren Lippen komplettierte den Eindruck, dass sie eigentlich mit ihm spielte.

Sie wollte nicht wissen, was er gelernt hatte, sondern was er darüber dachte, wollte alles von ihm erfahren, als wären es seine eigenen Worte.

„Also gut, es tut mir leid, dass ich gestern einfach aufgehört habe, dir von Aileen zu erzählen, obwohl ich es versprochen hatte…“

Er musste ihr die Geschichte sowieso erzählen, erst dann konnte er sie fragen, ob sie schon einmal davon gehört hatte, dass längst verblichene Erinnerungen plötzlich wieder auftauchen und Personen, die man seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, auf furchteinflößende Weise um Hilfe rufen.

Bevor sie ihn wieder auf andere Gedanken brachte, begann er:

„Nach einer mir unbekannten Zeitspanne, nachdem wir uns gegenseitig geistig zermürbt hatten und schließlich eingeschlafen waren, wachte ich neben Aileen auf. Auch wenn ich mich nicht erinnern konnte, so war ich doch der festen Meinung, mich in mein eigenes Bett gelegt zu haben. Warum ich unser endloses Duell nicht endlich beendet habe, weiß ich nicht, fest steht, ich habe es nicht getan.

Völlig von der unerwarteten Situation überrumpelt blieb ich einfach liegen und betrachtete sie im Schlaf. Andere in meinem Alter rannten Tag und Nacht den Mädchen hinterher, der ein oder andere prahlte, dass er bereits eine rumgekriegt hätte. All diese Berichte waren fast ausnahmslos gelogen, doch für sie wäre es zwar ungewöhnlich, aber längst nicht so verstörend wie für mich gewesen, neben einem Mädchen aufzuwachen.

Ich hatte mein ganzes Leben dem Studium gewidmet, die letzten Jahre war ich allein gewesen, ich hatte niemanden, der mich unterstützte, mir Mut machte.

Aileen war eine Konkurrentin gewesen, weder sie noch ich wussten überhaupt, wie echte Freundschaft aussieht. Das Einzige, was ich wusste, war, dass meine alten Freunde wahrscheinlich keine Minute hätten verstreichen lassen, bevor sie versucht hätten, aus der Situation noch deutlich mehr zu machen.

Ich war 16, lag neben einem nur mit einem Nachthemd bekleideten Mädchen und hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich in diese Situation geraten war. Gerade, als ich darüber nachdachte, was ich tun konnte, öffnete sie auf einmal die Augen, blickte mich unvermittelt an.

Statt jedoch, wie ich erwartet hatte, wütend aus dem Bett zu springen, begrüßte sie mich mit einem simplen „Guten Morgen!“

Sie blieb völlig ruhig, sah mich einfach nur an und ließ jeglichen Widerstand in mir brechen, ich konnte sie nicht länger als meine ewige Konkurrentin sehen. Ohne ein einziges Wort hatten wir beide schweigend unseren Kampf für beendet erklärt, wir verstanden uns, ohne etwas zu sagen. Von diesem Augenblick an waren wir Freunde.

„Draußen ist es dunkel, der Morgen dauert noch einen Moment…“

Zum ersten Mal achtete ich nicht auf jedes einzelne Wort, was ich zu ihr sagte, sondern ließ es einfach geschehen. Wir waren keine Gegner mehr, wir waren Freunde, da tat man so etwas nicht. Ich fühlte mich frei und gelöst, sie war es jedoch schließlich, die das Problem aussprach:

„Ich will nicht mehr tagelang in deinem Geist umherirren, ich kann nicht mehr.

Lass uns das ganze einfach beenden, in Ordnung?“

Ich nickte, auch ich verspürte nur noch den Wunsch, endlich wieder frische Luft atmen zu können, dieses Zimmer nie mehr wiedersehen zu müssen. Der Raum war, egal wie riesig er im Grunde genommen angelegt war, eine Art Gefängnis geworden, wir hatten verstanden, dass wir nur gemeinsam aus ihm ausbrechen konnten.

Ich glaube es war das erste Mal, dass wir nicht versucht haben gegeneinander zu arbeiten, als wir unseren Ausbruch planten.

Die großen Flügeltüren waren selbstverständlich abgeschlossen und genau wie das große Kuppelfenster gegen Magie aller Art geschützt. Schließlich wurde der Raum auch für magische Duelle anderer Art genutzt, es kam vor, dass Feuerbälle in der Größe eines Elefanten abgeschossen wurden, Blitze auf die selbst der Gott des Donners neidisch wäre oder einfach Lichtstrahlen, die die Sonne vor Neid erblassen ließen. Zugegeben, mindestens die Hälfte hatten keine wirkliche Kraft und dienten hauptsächlich dazu, Eindruck zu erwecken, aber es konnte immer etwas schief gehen.

Mit Magie konnten wir uns also nicht behelfen, an eines hatten unsere Lehrmeister jedoch scheinbar nicht gedacht: Sie hatten, um für unsere körperliches Wohl zu sorgen, eine kleine Nebentür ungesichert gelassen, die sich zwar nur von außen öffnen ließ, aber ein Schlüsselloch fand sich immer. Eigentlich ist es nur ein Jahrmarktstrick, kleine Gegenstände aus der Entfernung zu bewegen und viel Kraft kann man damit auch nicht aufbringen, mit vereinten Kräften, oder besser gesagt mit vereinter Magie, gelang es uns jedoch, die Klinke auf der anderen Seite weit genug nach unten zu drücken, sodass die Tür aufschwang.

Euphorisch, selbst unsere Lehrer ausgetrickst zu haben freuten wir uns zusammen wie kleine Kinder, rannten in unserer neu gefunden Einigkeit hinaus auf einen der großen Balkone, um die Freiheit zu genießen. Wir legten uns auf den kalten Steinboden, zählten die Sterne und merkten in unserem Übermut nicht, wie sich alle unsere Lehrmeister hinter uns versammelten.

Erst als ich aufstand und mich zufällig umdrehte, weil ich einen Schmetterling beobachtete hatte, sah ich sie.

Vor Schreck wäre ich beinahe über die Balkonbrüstung gefallen, aber diese war zum Glück hoch genug, sodass ich mir an diesem Tag nur einen blauen Fleck holte. Mein Gesichtsausdruck muss furchteinflößend gewesen sein, denn als mich Aileen sah, drehte sie sich ebenfalls mit einem angsterfüllten Blick um, ich war reagierte jedoch schnell genug und hielt sie fest.

Es war völlig reflexartig geschehen und erst einige Sekunden später wurde mir bewusst, was ich dort eigentlich tat.

Sie lag regelrecht in meinen Armen, ich hielt sie umklammert, als ginge es um mein eigenes Leben. Aileen hat es mir nie geglaubt, aber ich habe damals wirklich nicht bemerkt, dass sie nach eigener Aussage versucht hat, mir einen dankbaren Kuss auf die Wange zu geben, als sie sich löste. Es wurde zu einer kurzen Umarmung. Ich bemerkte nur ein erstauntes Heben der Augenbrauen bei unseren Lehrern.

Schließlich löste Meister Heralion das Geheimnis auf:

„Herzlichen Glückwunsch, ihr habt die Prüfung erfolgreich abgeschlossen.

Ich bin stolz, euch meine Schüler nennen zu dürfen!“

Unsere Gesichter waren ein Ausdruck purer Verwunderung und Ratlosigkeit. Hieß das, wir bekamen keine Strafen, weil wir gegen unsere Aufgabe gehandelt hatten? Meister Heralion nahm sich ein Herz und erklärte es uns:

„Ihr beide seid mit euren Fähigkeiten schon weit über das normale Maß, welches man in eurem Alter haben sollte fortgeschritten, deshalb gaben wir euch eine Aufgabe, die ihr nicht lösen konntet, aus zwei Gründen:

Erstens ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu erfahren, nur weil man sich als ein mächtiger Magier oder eine mächtige Magierin bezeichnet, heißt das noch lange nicht, man könne alle Probleme mit seiner Kraft lösen.

Der zweite Grund ist jedoch um ein vielfaches wichtiger und der eigentliche Anlass, für euer Martyrium: Uns ist nicht entgangen, dass ihr einen kaum noch zu bremsenden Ehrgeiz entwickelt, wenn ihr gegeneinander antretet, euer Ziel war es stets nur, besser zu sein als der jeweils andere. Natürlich hat man im Leben viele Rivalen, ihr musstet aber lernen, dass Rivalität zwar beflügeln kann, am Ende jedoch beiden Seiten nichts außer Schmerz bleibt, niemand hat etwas davon.

Ihr habt gelernt, miteinander zu arbeiten, das war eure eigentliche Prüfung. „

Von diesem Moment an waren wir, wie gesagt, Freunde. Vielleicht nicht im konventionellen Sinne, wir spielten nicht mit den anderen, trafen uns nicht abends nach der Ruhezeit heimlich in unseren Zimmern, sondern übten zusammen neue Zauber und trieben sie bis zur Perfektion, besonders im Fach Heilung waren unsere gemeinsamen Erfolge bald an der ganzen Schule bekannt.

Wir hatten es irgendwann wirklich geschafft, einen Toten wieder in Leben zurück zu rufen.

In Wirklichkeit war er noch nicht tot gewesen, nur in einem todesähnlichen Zustand, aber wir hatten schließlich einen Ruf zu verlieren und erzählten überall diese Version. Seitdem wir aufgehört hatten, uns gegenseitig aufzuhalten, kamen wir beide in den nächsten beiden Jahren den Schülern kurz vor ihrem endgültigen Abschluss so nahe, dass selbst diese sich nicht mehr trauten, allzu viele Späße über uns zu machen.

Wir waren beide so auf unsere magischen Fähigkeiten konzentriert, dass wir quasi nur nebenbei älter wurden.

Aileens 18. Geburtstag kam, mein Geburtstagsgeschenk bestand aus einem weiteren Lehrbuch. Zugegeben, es war ein ziemlich wertvolles, bei dem viele Bibliotheken einiges tun würden, um es in ihren Bestand aufnehmen zu können, aber es ist wohl kaum ein typisches Geschenk zu dem Geburtstag, an dem Aileen offiziell von einer Jugendlichen zur Frau wurde.

Wenig später wurde auch für mich eine Feier zum Eintritt ins Mannesalter veranstaltet, wir beide gehörten zu den ersten, die die Feier verließen, weil am nächsten Tag eine Prüfung anstand.

Ich weiß, es klingt seltsam, aber ich würde sagen wir waren damals glücklicher als jeder andere in unserem Alter, weil wir mit uns zufrieden waren. Wir „arbeiteten“, wie wir es damals spaßeshalber nannten, zusammen und waren in den meisten Bereichen schon über die endgültigen Lernziele weit hinaus. Es fehlte uns in diesen zwei Jahren an nichts…

Es brauchte wieder einen ganz besonderen Moment, der uns beide am Ende mehr veränderte, als wir ahnten.

Ich war am Morgen wie üblich mit der Sonne aufgestanden, machte mich für den Unterricht fertig und wartete auf Aileen. Es hatte sich so ergeben, dass wir uns stets gemeinsam auf den Weg machten, mittlerweile waren wir beinahe den ganzen Tag nur zusammen anzutreffen, nur in der Nacht blieb jeder in seinem eigenen Zimmer. Die Geschichten, die überall in der Schule über uns erzählt wurden, überhörten wir einfach. Ich wartete, aber sie kam nicht, so etwas hatte sie noch nie getan.

Besorgt klopfte ich an ihrem Zimmer an, ein schwaches „Herein“ war von innen zu hören. Innen bot sich ein halbes Bild des Schreckens: Das Zimmer war aus irgendeinem Grund völlig verwüstet, Aileen lag in der Mitte des Raumes auf dem Boden, das Gesicht tränenüberströmt. Zum Glück schaffte ich es noch, die Tür hinter mir wieder zu verschließen, ansonsten wären nur dumme Fragen von den Anderen gekommen.

„Was um alles in der Welt ist passiert?“, brachte ich hervor.

Ich weiß nicht, woher ich die Geistesgegenwart genommen habe, aber anstatt mich zu ihr zu setzen räumte ich ihr Bett einigermaßen frei, sodass man sich wieder darauf legen konnte, ohne sich weh zu tun. Ich hob sie vom Boden hoch und trug sie zum Bett, so wie Helden in Geschichten Prinzessinnen retten.

Vielleicht war sie in dem Moment auch meine Prinzessin…

„Ich…“, stammelte sie, nicht fähig einen kompletten Satz zu bilden.

„Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht… Wahrscheinlich fliege ich aus der Akademie oder werde für immer aus der Stadt verbannt…“

Sie wollte weinen, doch sie konnte es nicht mehr. So schloss sie einfach die Augen, um nichts mehr sehen zu müssen.

Ich hatte immer noch keine Ahnung, was eigentlich passiert war, aber irgendwie fühlte ich, dass sie mich in diesem Moment brauchte. Ich hielt sie immer noch in den Armen, nun drückte ich sie einfach fest an mich.

Es war eine Geste, nichts weiter, es würde das, was immer hier passiert war, nicht im Geringsten wieder gut machen, aber es half ihr, sich wieder zu beruhigen.

Als sie wieder die Augen aufschlug und ein wenig gefasster wirkte, wollte ich sie wieder auf das Bett zurücklegen, doch sie hielt sich an mir fest, streckte ihre Hände zu meinem Hals aus und hätte mich wahrscheinlich noch erwürgt, wenn ich mich nicht mit ihr zusammen hingelegt hätte.

Später erzählte sie mir, sie hätte es wirklich getan, kein einziger klarer Gedanke war in diesem Moment noch möglich.

Wahrscheinlich ist es seltsam, dass mir genau in diesem Moment auffiel, dass wir uns noch nie so nahe gekommen waren, wenn man von der ersten Nacht absieht, als wir mit 16 in den großen Raum gesperrt wurden, um unsere Grenzen zu erfahren. Mit einem Mal waren wir beide erwachsen, nicht einmal den ersten Kuss hatten wir schon hinter uns.

Wir waren Freunde gewesen, nichts weiter, aber jetzt?

Mit weit aufgerissenen Augen lag sie neben mir, glitzernde Spuren von getrockneten Tränen im Gesicht. Was würde passieren, wenn uns jemand so sehen würde, wie wir dicht aneinander gedrückt nebeneinander im Bett lagen? War Aileen wirklich nur eine Freundin, nicht mehr? Die letzten beiden Jahre hatten wir nur die Lehrer während des Unterrichts als moralische Unterstützung gehabt, falls man das so nennen konnte — und uns.

Wir hatten mehr Zeit miteinander verbracht, als die meisten Geschwister, war da wirklich nicht noch ein wenig mehr, als wir uns eingestanden?

Wie von einer äußeren Kraft geführt bewegte ich meinen Kopf ganz langsam zu ihr, bis sich ihr Mund nur noch eine Handbreit von meinem entfernt befand. Ich hatte keine Ahnung, wie sich ein Kuss anfühlt, aber irgendwie schien er für diesen Moment richtiger als alles Andere. Wie um mich zu vergewissern sah ich in ihre immer noch weit aufgerissenen Augen, all meine Gedanken waren innerhalb von Sekunden durch meinen Kopf geschossen.

Ich suchte nach Einverständnis, nach einer Bestätigung, hatte aber keine Ahnung, wie man dies erkennen konnte. Ich glaube, das Spiegelbild in ihren nassen Augen könnte ich noch heute detailgetreu nachzeichnen, wenn ich wollte, aber es würde all die Magie einbüßen, die es für mich in diesem Moment hatte. Ich sah darin das offene Fenster ihres Zimmers, den von der Morgensonne leicht rötlich schimmernden Himmel, meine eigenen Augen, in denen sich wiederum ihr Spiegelbild fand.

Sosehr ich mir dieses Bild einprägte, ich sah eine wunderschöne Frau, aber nicht mehr. Ich fühlte mich in diesem Moment wieder wie zwölf, völlig ahnungslos, ohne irgendeinen Erfahrung, nur aus Büchern kannte ich den ersten Kuss. Dort hatte er völlig unterschiedliche Gründe: Meistens war er wunderschön, manchmal waren die beschriebenen Küsse jedoch auch verletzend, einmal hatte ich gelesen, dass es sich anfühlte, als würde einem die Seele des Todes eingehaucht.

Was konnte ich in diesem Moment glauben? Mein Gefühl schrie danach, endlich die Zweifel zu ignorieren, doch was war mit Aileen? War ich gerade dabei mir ein Fantasiekonstrukt aufzubauen, sodass ich sie nur verletzen würde? Ein Kuss war etwas, was von beiden ausging, oder? Ich wollte so nah bei ihr sein, wie es nur möglich war, darüber war ich mir mittlerweile im Klaren, aber was, wenn ich mich mit meinem Wunsch in einer überstürzten Handlung am Ende unerreichbar weit von ihr entfernte?

Sollte ich ihr sagen, was ich dachte? Konnte ich ihr einfach sagen, dass ich sie liebte? Mit nichts anderem auf der Welt lassen sich solche Gefühle erklären, das glaubte ich zu dieser Zeit jedenfalls noch.

Ich spürte ihren Atem in meinem Gesicht, spürte das Pochen ihres Herzens an meiner Brust. Ein kaum spürbarer Luftzug strich über meine Augen, als sie kurz blinzelte. Und wieder einmal war sie es, die meine Starre löste:

Ihre Stimme war nicht mehr al ein kaum hörbares Flüstern, doch für mich waren es beinahe laut in die Welt hinaus gerufene Worte:

„Ich brauche dich, du darfst nicht gehen…“

Sie ließ eine Pause, beinahe wäre ich enttäuscht gewesen, schließlich würde dies auch als Entschuldigung für ihr allzu heftiges Festhalten an meinem Hals gelten.

Doch wie so oft sind die einfachsten Worte diejenigen, die am Ende die größte Wirkung haben.

„Ich liebe dich. „

Der erste echte Kuss des Lebens ist etwas Magisches, hat man ihn erst einmal vergeben, kann man ihn nicht wieder rückgängig machen. Es ist ein kurzer Moment, der einen vom Boden abheben lässt, ein Moment, der selbst in der dunkelten Nacht noch einen weit sichtbaren Lichtschein zu erzeugen vermag.

Es spielt keine Rolle, wo und wann man ist, solange man seinem Partner zeigt, dass er der Auserwählte ist.

Ich weiß, dies sind die Worte eines Mannes, der schon viel zu viel erlebt hat, und in diesen Sekunden dachte ich nicht einmal im Entferntesten daran, doch es beschreibt genau das Gefühl, was mich in diesem Moment durchströmte. Schließlich waren wir beide in diesem Sinne Auserwählte, die Liebe des Anderen in Form einer so simplen Geste zu empfangen.

Seitdem jedoch war und ist jeder Kuss etwas ganz Besonderes, den man nicht leichtfertig verteilt. „

*****

Seine Gedanken schickten ihn in eine längst vergangene Zeit zurück, in eine Zeit, in der noch alles in Ordnung gewesen war. Es fühlte sich an, als wäre er dort, als würde er seine eigene Vergangenheit noch einmal erleben. Er hatte mit dieser wirklich noch nicht abgeschlossen, so oft er auch versucht hatte, sich dies einzureden.

In seiner Fantasie war er wieder 18, alles war wie in seiner Erinnerung: Er lag im Bett von Aileen, sie nur eine Handbreit von ihm entfernt. Der erste Kuss seines Lebens war nur wenige Sekunden her, er fühlte sich wie in einem anderen Universum. Sie war die schönste und verständnisvollste Frau dieser Welt, ihre Zärtlichkeit, als sie sich geküsst hatten, konnte er nicht beschreiben. Alles fühlte sich vollkommen neu an, als wäre er ein Neugeborenes, das zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt.

Alles um ihn herum war unwichtig, eine belanglose Kulisse, nur noch Aileen und er existierten. Der zweite Kuss kam beinahe unerwartet, er hatte nicht gemerkt, dass sie wieder ganz nah zu ihm gekommen war. Erst als sich ihre Lippen auf seine legten, wurde er darauf aufmerksam, nahm ihr Geschenk jedoch bereitwillig an. Ihre Lippen waren unglaublich weich, es war als würde er von den Flügeln eines Engels gestreichelt. In diesen Sekunden hielt er diese Möglichkeit definitiv nicht für abwegig.

Wieder trennten sie sich kurz, doch ihre Berührung war wie eine nicht mehr zu bremsende Sucht, eine Droge, von der er beim ersten Mal abhängig geworden war. Ein Atemzug war bereits lange genug, um ihm Angst zu machen, er würde sie nicht mehr an sich halten können. Ein noch so kurzer Augenblick ohne ihre Berührung fühlte sich an wie Stunden des Leidens, wie in den alten Kindergeschichten, die er früher geliebt hatte und nun zu seinem Alptraum wurden:
Der Böse wurde in einen Raum, einen Brunnen oder etwas anderes gestellt, die Details hatten oft gewechselt.

Es war jedoch immer gleich geblieben, dass er entweder am Boden mit einer schweren Eisenkette oder –kugel befestigt war und so sich nicht bewegen konnte. Von irgendwoher kam Wasser, welches quälend langsam steigt, unaufhörlich, unausweichlich. Es wanderte bis an seinen Hals, drohte ihn ertrinken zu lassen, einsam, ohne jemanden, der seinen Hilferuf hörte.

Im scheinbar letzten Moment schien sie ihn endlich zu hören, endlich spürte er wieder ihren Mund auf seinem.

Der Engel hatte ihn erhört und rettete ihn, verschaffte ihm das scheinbar höchste Gefühl dieser Erde. Warum wusste er nicht, doch seine Lippen öffneten sich diesmal wie von selbst, völlig synchron mit Aileens. Ihre Zungenspitzen trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde, zuckten beinahe verschreckt wieder zurück.

Einen Moment verharrten sie an ihrer natürlichen Position, dann machten sie sich erneut auf den Weg, diesmal etwas mutiger als zuvor. Wieder trafen sich ihre Zungenspitzen, verharrten kurz in einer kaum spürbaren Berührung und zogen sich wieder zurück.

Es war, als würde er in ein dunkles Meer eintauchen, ohne eine Möglichkeit zu wissen, was sich unter der Oberfläche befand.

Mit jedem Mal traute er sich ein wenig weiter, er fühlte sich immer sicherer. Er wusste, dass Aileen genauso unsicher war wie er selbst, sie wusste ebenso wenig wie er, wohin sich ihr Spiel entwickeln würde. Für den Moment war er jedoch vollkommen zufrieden, er hatte die Liebe seines Lebens gefunden.

Im Grunde genommen hatte er eben erst erfahren, was Liebe eigentlich bedeutete, genau dies genoss er nun.

Wieder trafen sich ihre Zungen, wieder um ein vielfaches mutiger. Statt nun nach der ersten Berührung sofort wieder zurückzuschnellen, erkundeten sie nun vorsichtig den anderen. Behutsam umkreisten sie sich leicht, zwei Tieren gleich, die sich gegenseitig beschnuppern. Wieder schöpften sie weiteren Mut, trauten sich nun den anderen zu ertasten.

Es war unglaublich, sie nicht nur spüren, sondern auch schmecken zu können, wie sollte er sich jemals wieder davon trennen können? Sie umschlangen sich gegenseitig, hielten den anderen fest, damit er nicht entfliehen konnte.

Schließlich verharrten sie, in einer Pose der kompletten Vereinigung. Niemand würde sie mehr trennen können, ab jetzt waren sie nicht mehr nur ein Junge und ein Mädchen, die nichts anderes außer ihren Schulstoff kannten. Von nun an kannten sie etwas viel Wertvolleres: Die Liebe eines anderen Menschen.

Nach wie vor hielt er sie in seinen Armen, nun drückte er sie bewusst noch ein wenig fester an sich. Ihr Kuss blieb nach wie vor bestehen, es war zu schön, um ihn einfach zu beenden.

Er spürte ihre weiche Brust an seiner, beinahe hätte er ihren Pulsschlag hören können, so schickte er mit jedem Mal eine Welle der Erfüllung durch seinen Körper.

Sie atmeten in einem genau abgestimmten Wechsel, wenn sich sein Brustkorb hob, senkte sich ihrer. Wäre es anders gewesen, sie hätten ein wenig ihrer Nähe aufgeben müssen, doch sie befanden sich komplett im Einklang. Sie bewegte sich ein wenig, sodass sie nun ein wenig ungünstig auf seinem Arm lag.

Langsam breitete sich darin ein taubes Gefühl aus, was ihn unweigerlich zwang, ihren Kuss und die Umarmung für einen Moment aufzugeben, um seinen Arm zu entlasten.

Es fiel ihm unglaublich schwer, sich von ihr zurückzuziehen, auch wenn er wusste, dass es nur für ein paar Sekunden sein würde. Es fühlte sich an, als würde er seine Seele in einen tiefen Brunnen werfen, wenn er sie nicht wieder auffing, bevor sie das Wasser erreichte, würde er sterben.

Sie interpretierte das leichte Zucken seines Armes zum Glück vollkommen richtig, sodass sie sich wieder so drehte, dass er ihn unter ihr wegziehen konnte.

Für einen kurzen Moment war er ehrlich überrascht, als sie ihn mit einem kurzen Stoß auf den Rücken drehte und sich danach leichtfertig auf ihn legte. Statt sich jedoch auf irgendeine Weise abzustützen, legte sie ihren gesamten Körper auf seinen, sodass ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde und er ein heftiges Schnaufen nicht verhindern konnte.

Sofort verlagerte sie jedoch ihr Gewicht, und nun konnte er auch wieder atmen, wenn auch nur unter ein wenig Anstrengung, da sie ihre Brust weiterhin auf seine gepresst hielt.

Sie setzte zu einem weiteren Kuss an und rutschte deshalb ein wenig nach vorne. Nach wie vor trug sie nur eine Art Nachthemd, wie ihm erst jetzt auffiel. Es war zwecks Bequemlichkeit weit geschnitten und aus einem dünnen, dehnbaren Stoff, sodass Aileen ihm einen tiefen Einblick gewährte, als sie für den Kuss ein wenig nach vorne rückte.

Ihre Brust lag beinahe völlig frei, verführerisch drückte sie sich an seinen Oberkörper. Ihre Nippel waren verdeckt, doch der Anblick ihrer nicht ganz apfelgroßen Brüste war fast mehr, als er je in seinen Träumen erlebt hatte. Doch diesmal war es real und vor allem: Es handelte sich um Aileen! Auch wenn er es durch seine Kleidung nicht spüren konnte, er wusste aus irgendeinem Grund, wie sanft sich die Haut ihres Busens anfühlen würde.

Diese sanften, an ihn gepressten Hügel übten eine definitiv magische Anziehungskraft auf ihn aus, derer er sich nicht entziehen konnte.

Sie hatte seinen Blick bemerkt, dass spürte er, als sich bei ihrem Kuss gezielt so positionierte, dass es ihm unmöglich war, zu etwas anderem als in ihre Augen zu sehen. Diese waren jedoch ein mehr als guter Ausgleich, denn in ihnen schien er auf einmal viel tiefer blicken zu können: Er sah nicht nur das kleine Spiegelbild darin, sondern auch, dass sie es mindestens so wunderbar fand wie er, die gegenseitige Nähe so deutlich spüren zu können.

Er sah echte Liebe darin, auch wenn sie weder Form noch Farbe hatte. Sie war einfach da und strahlte heller als die Sonne.

Als sie ihren Kuss wieder löste, schien es beinahe, als hätte sie wieder vergessen, wie freizügig ihr Nachthemd war, denn sie präsentierte ihm ihre völlig entblößte Brust, während sie sich ein wenig aufrichtete. Beinahe aufreizend streckte sie sie ihm entgegen. Sie war perfekt, ein Abbild der Götter.

Andere Frauen in ihrem Alter hatten zwar oft deutlich größere Brüste, mit denen die meisten dieser Sorte auch ordentlich prahlten, aber Aileens hätten nicht besser zu ihr passen können. Er könnte sie jeweils mit seiner Hand komplett umschließen und würde die vollkommene Sinnlichkeit zwischen seinen Fingern halten. Als wäre dies nicht bereits wertvoll genug gewesen, wurde dies noch um die beiden steil nach vorne gerichteten Rubine erweitert, die zweifelsfrei bewiesen, dass die ganze Situation auch an Aileen nicht spurlos vorüberging.

Sie lächelte ein wunderschönes Lächeln, das Schönste dieser Welt. Warum war es ihm früher nie aufgefallen? Wie konnte man etwas derartig Schönes einfach ignorieren? Er registrierte er nur beiläufig, dass sie sich völlig ohne Vorwarnung das Hemd auszog, erst als er für einen Moment von ihrem Lächeln getrennt wurde, sah er, dass sie auf einmal nur noch mit einem leichten Slip bekleidet vor ihm saß.

Hätte sie ihm vorher gesagt, sie würde sich ausziehen, er hätte ihr wahrscheinlich nicht geglaubt und selbst wenn, er hätte sich nicht viel dabei gedacht.

Sie hatten mehrere Jahre so viel Zeit miteinander verbracht, dass er die Stunden nicht mehr zählen konnte. Natürlich hatten sie darüber geredet, wie es wäre, einen Freund beziehungsweise eine Freundin zu haben, aber es war stets bei Gesprächen geblieben. Jedenfalls hatten sie sich gegenseitig immer wieder gesagt, dass sie nur normale Schulfreunde waren und in diesen Dingen nicht die geringste eigene Erfahrung. Nun wusste er, dass der Grundstein für all das, was er im Moment erlebte, bereits gelegt worden war.

Sie kniete beinahe komplett nackt über ihm, er fühlte sich beinahe, als gehöre er nicht hier hin. Sie waren seit ein paar Minuten ein Paar, es war wunderschön, doch er hatte nicht erwartet, dass es an ihrer Beziehung viel verändern würde. Jede freie Minute waren sie zusammen gewesen, waren zusammen stets glücklich gewesen, in gewisser Weise hatte er Angst vor der kommenden Veränderung.

„Willst du das wirklich…? Sollten wir uns nicht noch ein wenig Zeit…?“

Seine Worte waren mehr unzusammenhängende Fetzen als alles andere, es wunderte ihn, dass er überhaupt noch etwas Verständliches herausgebracht hatte.

Was tat er eigentlich? Er war dabei, die größte Möglichkeit seines Lebens, den schönsten Moment, den man haben konnte zu zerstören. Vielleicht für immer. Er wollte sie bei sich spüren, je länger desto besser. War das, worauf sie gerade hinsteuerten, nicht genau das, was er sich wünschte?

In ihrem Gesicht tauchte ein wenig Unsicherheit auf, für den Bruchteil einer Sekunde verschwand das wunderschöne Lächeln auf ihren Lippen. Er würde alles tun, um es wieder sehen zu können, ohne zu überlegen zog er sie wieder zu sich herunter, für einen weiteren, scheinbar endlosen Kuss.

Ganz leicht spürte er ihre erregten Brustwarzen, als sie auf ihm lag. Es war wunderschön. Niemand, auch nicht er, hatte das Recht, ihr diesen Augenblick zu nehmen.

„Ich kann nicht in deinem Namen sprechen, egal wie sehr ich es mir wünschen würde. Ich kann dir nur eins versprechen: Ich will, und zwar mit jemand ganz besonderem. „

Sie sprach leise, aber selbstbewusst, dabei blickte sie ihm ununterbrochen in die Augen.

Ihre Botschaft war unmissverständlich, aber sie ließ ihm die Wahl. Sollte nicht eigentlich er sie auffordern, war nicht eigentlich er derjenige gewesen, der sie geküsst hatte? Im Grunde genommen nicht, beschied er. Der erste Kuss war etwas Einzigartiges gewesen, niemals hatte er damit gerechnet, dass dies erst der Anfang sein könnte.

„Ja…“

Genau genommen war seine Antwort nicht mehr als ein Lufthauch, doch er würde ihr beider Leben für immer verändern.

Ein einziges Wort, welches das Tor zu einer neuen Welt aufstieß, die sie beide nun zum allerersten Mal betreten würden. Völlig unerfahren, ohne eine Karte oder einen Führer wurden sie hineingeworfen, völlig auf sich gestellt, doch wenn man dem anderen vertraut, braucht man dies nicht. Alles was sie brauchten, hatten sie bereits.

Wieder küssten sie sich, er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er ihre seidenen Lippen spüren konnte. Er hatte die Gewissheit, dass sie beide ein Stück ihres Lebens noch enger zusammen verbringen würden, als sie dies bisher getan hatten, er musst sich nicht mehr um jede Sekunde sorgen, in der sie ihren Kuss unterbrachen.

Mit jedem Kuss waren sie ein wenig mutiger geworden, doch nun begannen sie einen wundervollen Tanz. Sie pressten ihre Lippen aufeinander, als wollten sie den anderen aussaugen, ihre Zungen jedoch umspielten sich in neu gefundener Harmonie. Ihr Tanz wurde leidenschaftlicher, immer schneller wurden ihre gegenseitigen Berührungen, waren sie noch so sanft.

Schließlich fand er endlich den Mut, wenigstens ein Stück weit die Initiative zu ergreifen. Anfangs noch etwas schüchtern strich er mit seinen Händen über ihren Rücken, an beiden Seiten ihrer Wirbelsäule hinab, bis er gerade den Ansatz des letzten Stück Stoffs erreichte, drehte dann wieder um, bis über ihren Hals zum Haaransatz hinauf.

Sie ließ sich das einen Moment lang gefallen, dann unterbrach sie ihren Kuss und drehte sie sich ein wenig auf die Seite, sodass er unweigerlich mit einem Arm ihren Brustansatz berührte. Ein wenig überrascht blieb er kurz stehen, suchte nach einer Reaktion ihrerseits, doch sie blieb nach wie vor ruhig. Ihre Augen waren geschlossen, sodass er auch darin nicht erkennen konnte, ob es ihr gefiel.

Trotzdem mutiger geworden ließ er seine Hände nun über ihre Schultern nach vorne wandern, einige daumenbreit nach unten, sodass er wiederum ihren Brustansatz erreichte.

Mit dem Zeigefinger seiner linken Hand umkreiste er sie vorsichtig, darauf achtend, nie mehr als den Ansatz zu berühren. Er meinte zu spüren, dass ihre Atmung eine winzige Nuance schneller geworden war, deshalb wiederholte er die Prozedur diesmal mit seinem rechten Zeigefinger.

Wieder schien sie währenddessen ein klein wenig schneller zu atmen, bevor er jedoch zu einer weiteren Runde ansetzten konnte, hielt sie ihn mit einer sanften Berührung am Oberarm davon ab.

„Ich will dich auch spüren können“, sagte sie leise, er würde ihr nicht einmal im Traum widersprechen.

Der Morgen hatte mit einem Schrecken angefangen, nun entwickelte er sich in die schönste Richtung, die es geben konnte.

Er richtete sich kurz auf, um in einer einzigen flüssigen Bewegung sein Gewand abstreifen zu können, welches er die ganze Zeit anbehalten hatte. Es war ein einfaches Schulgewand, so hatte auch er nun nicht mehr als eine Leinenhose an.

Aileen war nach wie vor deutlich spärlicher bekleidet als er, was ihr ebenso wie ihm auffiel, wenn er ihr Lächeln in Richtung seiner Hose richtig deutete. Als er diesem jedoch folgte erkannte er, dass es wahrscheinlich einen deutlich trivialeren Grund hatte: Seine eigene Erregung war nicht mehr zu übersehen, die Hose wurde zunehmend beklemmender.

Sie hatte jedoch ein Einsehen mit ihm, sodass sie nur ein paar Mal über seine Brust strich, bevor sie mit beiden Händen an seinem Hosenansatz ankam.

Sein Gesichtsausdruck war wahrscheinlich ein wenig zu flehend, ein paar wenige Sekunden hatte es den Anschein, sie würde sich wieder zurückziehen, dann jedoch befreite sie ihn vom letzten Hindernis.

So magisch sie diesen Moment auch eingeleitet hatte, in diesem Moment schossen wieder Zweifel durch seinen Kopf. Wenn man von den wenigen Jahren als Kleinkind absah, war sie außer ihm der erste Mensch, der ihn nackt gesehen hatte. Noch dazu hatte er manchmal einige Gesprächsfetzen von seinen Mitschülern aufgeschnappt, in denen sie von ihrer Männlichkeit prahlten.

Er hatte es stets als pure Übertreibung gesehen, doch eine gewisse Unsicherheit blieb. War dies wirklich das einzige, was er ihr bieten konnte?

Kaum hatte sie ihn vollständig von der Hose befreit, legte sie sich wieder wie zuvor dicht neben ihm auf die Seite, zog ihn nun jedoch weiter zu sich. Tausend Blitze schien durch ihn zu fahren, als er ihre Brustwarzen über seine nackte Haut streicheln fühlte. Wie ein Ertrinkender umklammerte er sie und erdrückte sie fast, aber das Gefühl war viel zu schön, als dass er es hätte aufgeben wollen.

Sie keuchte kurz, sodass er seinen Griff ein wenig lockerte, aber er blieb dabei, sie einfach nur an sich zu drücken.

So verhinderte er unfreiwillig, dass sie sich in irgendeine Richtung bewegen konnte, doch sie ließ sich nichts anmerken. Sollte sie es auch nur halb so viel genießen wie er, so konnte er das vollends nachvollziehen. Er selbst war im Himmel angekommen und nicht willig, ihn wieder zu verlassen. Sie schaffte es, ihren Kopf so zu drehen, dass sie in ihn wenigstens für einen Kuss erreichen konnte, es machte sein Glück beinahe vollends vollkommen.

Beinahe, denn er spürte an seinem Glied, dass sie noch künstlich von ein wenig Stoff von ihm getrennt blieb. Er spürte ein kurzes Zucken ihres linken Beins, sodass er sie schwermütig aus seiner Umarmung entließ. Wie er zuvor begann sie nun damit, über seinen Körper zu streicheln, ließ dabei im Gegensatz zu ihm keine Stelle aus. Nach ein paar zunächst noch etwas scheuen Berührungen strich sie mit dem Rücken ihrer Finger sanft seinen Schaft nach oben, sodass er nur den Hauch einer Ahnung davon bekam, wie sich eine echte Berührung dort anfühlen würde.

Er konnte nicht länger untätig bleiben, deshalb versuchte er sie wieder zu sich zu ziehen, doch sie ließ sich diesmal nicht unterbrechen. So begann er wieder damit, sie vorsichtig mit seinen Händen zu erkunden. Wieder stoppte er kurz vor ihrem Brustansatz, statt jedoch wie beim letzten Mal dort umzukehren, setzte er seinen Weg kurz darauf fort. Langsam ließ er seine Fingerspitzenüber ihre Brüste gleiten, umfuhr schließlich jeweils mit Mittel- und Ringfinger die sinnlichen, kleinen Erhebungen, die nachwievor nach vorne ragten.

Der Drang, sie komplett zu umschließen baute sich in ihm auf, schließlich gab er ihm nach und legte seine Hände jeweils vollständig über ihre Brüste. Sie schmiegten sich perfekt darum, als wären sie nur für diesen Zweck geschaffen, es war, als hielte er das Paradies in seinen Händen. Ganz sanft begann er damit, sie zu massieren, was ihr ein kurzes Stöhnen entlockte.

Mit der Gewissheit, dass es ihr gefiel, blieb er einen Moment dabei, erst jetzt wurde ihm bewusst, was sie gelichzeitig mit ihm anstellte: Mittlerweile strich sie mit beiden Händen immer wieder über sein Becken, bog dann wieder in die Mitte ab und strich über sein bestes Stück, vermied es aber immer noch die Spitze zu berühren.

Allein der Anblick war wunderbar genug, er konnte nicht anders, als sich ihr für einen Moment völlig hinzugeben.

Kurz nachdem er aufgehört hatte, ihre Brüste zu massieren, stoppte jedoch auch sie, was er mit einem kurzen Laut des Missmuts kommentierte. Sie hingegen lächelte nur, gab ihm einen Kuss um ihn verstummen zu lassen und legte sich wieder zu ihm, diesmal jedoch so, dass sich ihre Mitte genau auf Höhe seiner Brust befand.

Bevor er in die Versuchung kam, sich zu fragen, ob er wirklich weiter gehen sollte, entfernte sie endlich das letzte dünne Stück Stoff und legte ihr Heiligtum frei.

Ihre Bewegung war bestimmt, vielleicht ein wenig zu schnell, aber es übermittelte eine unmissverständliche Botschaft: Sie wollte genau wie er berührt werden, sehnte sich nach Nähe. Diesen Gefallen tat er ihr nur zu gerne, mit seiner linken Hand setzte er vorsichtig am oberen Ende ihres Venushügels an und strich mit seinen Fingern langsam nach unten.

Beinahe hätte er gestoppt, als er spürte, dass ihre Spalte regelrecht nass war, fuhr dann jedoch noch etwas langsamer als zuvor weiter nach unten.

Sie hatte gemerkt, dass er langsamer geworden war, er spürte ihren leicht verängstigten Blick in seinem Nacken. Wie konnte er ihr zeigen, dass es nichts Schöneres auf der Welt gab? Ein verführerischer Duft drang in seine Nase, es roch intensiver nach ihr als alles Andere. Eine Idee machte sich in seinem Kopf breit, aber er war unsicher, ob es ihr gefallen würde.

Beinahe probeweise strich er mit seiner Hand wieder nach oben, sie zuckte ganz leicht, blieb danach jedoch wieder ruhig.

Er sah kurz nach oben, in ihre Augen, sie glänzten scheinbar sonnenhell, aber immer noch meinte er, etwas darin zu erkennen, was sie noch zurückschrecken ließ. Es kostete ihn viel Überwindung, etwas zu tun, für das er sie nicht um Erlaubnis gebeten hatte, aber er hoffte, dass es ihr gefallen würde.

Bei dem kleinsten Anzeichen davon, dass ihr unwohl war, würde er sofort aufhören, dass schwor er sich.

Langsam rückte er ein wenig nach unten, sodass sein Kopf genau vor ihrem Heiligtum lag. Behutsam legte er seine Lippen auf ihren Venushügel, auf jegliche Reaktion von ihr gefasst. Sie tat nichts, nur ein kurzes Stöhnen war zu hören. Vorsichtig öffnete er seine Lippen und fuhr mit der Zungenspitze nach unten, bis er an ihrer Spalte angelangt war.

Er nahm die austretende Nässe mit seiner Zunge auf, es schmeckte unglaublich intensiv nach Aileen. Sie hatte seine Aktion mit einem weiteren, deutlich lauteren Stöhnen kommentiert, das hatte ihm neuen Mut gegeben. Sanft teilte er ihre Schamlippen ein ganz kleines Stück mit seiner Zungenspitze und fuhr wieder nach oben, bis er an ihrem Kitzler angelangt war, jedenfalls nahm er an, dass es jener magische Lustpunkt war, denn sie zuckte wieder kurz, begleitet von einem tiefen, deutlich hörbaren Einatmen.

Sanft bewegte er seine Zunge ein wenig nach oben und unten, ihre Quelle schien währenddessen beinahe überzulaufen, er trank jeden einzelnen Tropfen des Liebessaftes. Jede seiner Bewegungen wurde von einem scharfen Atemzug begleitet, ab und zu zuckte ihr Unterleib kurz und drückte sich ihm dabei noch ein wenig weiter entgegen. Ihr scharfer Atem wurde zu einem andauernden leisen Stöhnen, bis sie ihn schließlich leicht zur Seite drückte.
Erst verwundert, ob er etwas falsch gemacht hatte, sah er sie an, doch wieder lächelte sie und zog ihn zu sich, um ihm einen unglaublich intensiven Kuss zu geben.

Er fühlte sich wie berauscht, als er ihre Hand an seinem Glied spürte, vorsichtig führte sie es zu ihrem Eingang. Sanft drückte sie ihn mit der anderen Hand auf den Rücken und schaffte es so, wieder über ihm zu knien.

Wieder küssten sie sich, er spürte ihren intensiven Blick, als sie ihm dabei direkt in die Augen sah. Sein Einverständnis erteilte er, indem er mit seiner Zunge ihre umschlang und sie so symbolisch einlud, ganz nah zu ihm zu kommen, ihn in sich aufzunehmen.

Etwas schien in seinem Kopf zu explodieren, als er spürte, wie seine Spitze ihre Schamlippen teilte und langsam in sie eindrang. Es war mit nicht zu vergleichen, mit nichts zu überbieten oder auch nur in die Nähe zu kommen, Wellen der Erregung wurden durch jede Faser seines Körpers geschickt, die ihn beinahe erzittern ließen. Fühlte es sich so an, wenn man im Himmel ankam? Vielleicht, denn etwas Schöneres konnte es nicht mehr geben.

Es schien ihm, als wären mehrere Minuten vergangen, als er vollständig in sie eingedrungen war. Es war, als würden ihn zwei Engelsflügel umarmen, Engelsflügel, die ihn mit Wärme und Geborgenheit versorgten, ihn dabei an den Rand des Wahnsinns bringend. Irgendwo in seinen Gedanken hörte er einen lauten Seufzer von Aileen, anders konnte er die Mischung zwischen unterdrücktem Stöhnen und tiefem Atemzug nicht beschreiben.

Er wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, ihr Becken anzuheben, ihm schickte es weitere, nicht enden wollende Wellen durch seinen Körper.

Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder vollständig unter Kontrolle hatte, er schaffte es sogar, bei klarem Verstand zu bleiben, als sich Aileen wieder senkte.

Langsam wurden ihre Bewegungen schneller, ihr Atem ging mittlerweile nur noch in heftigen Stößen. Er wollte sie unterstützen, ihr genauso die Sinne rauben wie sie ihm, doch bevor er dazu kam, brach sie beinahe unter heftigem Zucken über ihm zusammen und fiel in seine Arme.

Ihr ganzer Körper schien völlig außer Kontrolle zu geraten, wie zuvor schon hielt er sie einfach fest an sich gepresst und teilte ihren Höhepunkt mit ihr.

Ihre Säfte schienen sich in einen Sturzbach verwandelt zu haben und überschwemmten seine Erregung. Allein die Gewissheit, dass sie gerade einen extrem intensiven Orgasmus erlebte, brachte ihn seinem eigenen Höhepunkt näher, als er vertragen konnte, gewaltige Schübe wurden durch sein Becken geschickt und ließen seinen eigenen Liebessaft in ihr zurück.

Er spürte, wie ein Teil davon an ihm wieder herablief und letztendlich von dem Laken unter ihm aufgesogen wurden. Er nahm einen tiefen Atemzug, er konnte förmlich schmecken, was er eben mit Aileen geteilt hatte. Ein Winkel seines Verstandes fragte sich, welche Erklärung sie den Lehrern für ihr gemeinsames Fortbleiben vom Unterricht geben würden, doch er verdrängte diesen Gedanken wieder. Keine Lehrstunde der Welt würde es mit diesem Gefühl aufnehmen können.

Behutsam versuchte sich Aileen von ihm zu lösen, doch er entließ sie nicht und sie rutschte nur neben ihn. Ihre beiden Körper waren von einer dünnen Schweißschicht überzogen, die er gestern vielleicht noch abstoßend gefunden hätte. In diesem Moment war Aileens Duft das Schönste auf der Welt und ein weiterer Beweis, wie intensiv dieser Morgen gewesen war. Von nun an teilten sie alles, was man miteinander teilen konnte.

VIII.

Woher nahm sie die Selbstsicherheit, die Legitimation, Quinn über seine Vergangenheit auszufragen? Er war jetzt hier bei ihr, was interessierten sie vergangene Zeiten? Ihre eigene Geschichte war ebenfalls alles andere als ruhmvoll. Im Gegensatz zu Quinn, der es leichtfertig akzeptierte sein Leben vor ihr auszubreiten, hatte sie bisher geschwiegen. Sie hatte Angst, er würde sie dann in einem anderen Licht sehen, Angst, er könnte sie trotz allem verlassen.

Ihr fiel auf, dass Quinn aufgehört hatte zu reden, sie wusste nicht, was er zuletzt gesagt hatte, war mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt gewesen.

Hatte er deshalb aufgehört, weil er gemerkt hatte, dass sie ihm nicht mehr zuhörte? Sie schämte sich dafür, nur für sie erzählte er ein Kapitel seines Lebens, welches ihn definitiv noch heute verfolgte, sie hingegen hörte gar nicht erst hin.

Das letzte, was sie in Erinnerung hatte war, dass seine Erzählung manchmal Jahre kurz zusammen gefasst, manche Momente jedoch detailreich wiedergegeben hatte. Diese Momente waren ausnahmslos von Emotionen geprägt gewesen, sie handelten davon, wie er seine erste Liebe gefunden hatte.

Und seine letzte, bevor sie gekommen war, wie ihr bewusst wurde. Das hatte er nie gesagt, aber irgendwoher wusste sie es.

„Tut mir leid, ich wollte nicht einfach aufhören…“

Hatte er sich gerade eben wirklich bei ihr entschuldigt, dass er nicht weiter erzählt hatte? Sie war es gewesen, die von ihren eigenen Gedanken abgelenkt worden war, war sie nicht eigentlich diejenige, die ihn ignoriert hatte, nicht er sie?

„Manche Teile der Vergangenheit sind schwerer zu ertragen, wenn man sie wieder in die Gegenwart holt.

Dennoch, ich will, dass du die ganze Geschichte hörst. „

Sie wollte widersprechen, doch sie kam nicht weiter, als ihren Mund aufzumachen, bevor ihr auffiel, dass sie ihn hier nicht unterbrechen sollte. Es war seine Vergangenheit, nicht ihre, er hatte zu entscheiden, wann er sie erzählen wollte. Dieser Zeitpunkt war jetzt, also war sie an der Reihe einfach nur zuzuhören.

„Kann ich sagen, wir haben an diesem Tag die Liebe entdeckt? Nein, ich glaube, es wäre nicht wahr.

Ich glaube, ich habe sie seit dem Tag geliebt, an dem sie neben mir aufgewacht ist, mit 16… Ich will nicht für Aileen sprechen, aber ich weiß, dass es ihr ähnlich ging.

In meinen Jahren in der Söldnerkompanie habe ich viele Menschen gesehen, die dem Tod ins Auge geblickt haben. Selbst wenn wir ein Dorf befreit haben, hatten sie oft Alles verloren, das Einzige, was sie noch hatten, war ihr Leben.

In diesen Momenten tendiert man dazu, alle aufgestauten Emotionen, alle versteckten Gefühle nach außen zu schleudern, all die Dinge, die man lange in sich verschlossen gehalten hat, mit dem Versprechen an sich selbst, sie am richtigen Zeitpunkt in der Zukunft freizulassen.

Mit einem Mal scheint einem jedoch die Zeit genommen zu werden, sie scheint zwischen den Fingern zu zerrinnen. Plötzlich ist jeder Zeitpunkt gut genug, das, was man dann sagt, sind oft Worte aus dem Herzen, denn Verstand hat bereits mit sich abgeschlossen.

Es mag unterbewusst geschehen, doch mit der Angst, der richtigen Zeitpunkt könnte nie mehr kommen, fallen die inneren Blockaden. Man erzählt Dinge, über die man niemals reden wollte, weil die Furcht, es könnte bald zu spät sein größer wird als die Furcht vor der Reaktion der Anderen.

Ich habe erst später erfahren, was Aileen damals solche Angst gemacht hatte, doch als ich in ihr Zimmer kam, meinte sie jedes einzelne Wort ernst.

Wir haben uns nicht an diesem Tag ineinander verliebt, das war viel früher geschehen.

Wir haben nur erst dann gemerkt, was wir wirklich fühlten. „

Er ließ eine lange Pause, beinahe hätte sie gedacht, er würde aufhören. Wartete er auf eine Reaktion von ihr, erwartete er, dass sie ihn dafür verachtete, dass seine Erzählung außer Frage ließ, dass seine Gefühle von damals noch nicht vergangen waren?

„Hast du… Habt ihr miteinander…?“

Ihre Frage war taktlos, doch es war ein Punkt, den er geradezu auffällig ausgelassen hatte.

Sie wusste nicht, was für eine Antwort sie erwartet hatte, aber sein direktes „Ja“ war keine davon. Vielleicht hätte sie nun enttäuscht sein sollen, ihr wurde bewusst, dass sie ihn seit gerade einmal einigen Tagen kannte und er erzählte davon, dass er mit jemand anderem geschlafen hatte. Aber hatte sie nicht auch ihre eigene, viel dunklere Vergangenheit? Wie sollte sie ihn dafür verurteilen können, auch früher schon geliebt zu haben?

In seinen Worten lag mehr Wahrheit, als er vielleicht selbst ahnte.

Die Umstände, wie sie die Liebe zu ihm gefunden hatte, waren alles andere als gewöhnlich. So verschieden seine Vergangenheit auch von ihrer war, so hatte sie doch eines mit ihrer gemeinsam: Sie hatten beide alles verloren, ihre Gefühle zueinander waren letztendlich eine direkte Konsequenz.

Es war eine aus der Not geborene Liebe. Ihre Bindung war deshalb so stark geworden, weil sie niemand Anderes hatte, nicht einmal jemanden, mit dem man reden konnte.

Quinn war die Heilung für ihre Einsamkeit gewesen, als sie sich ihm bereitwillig hingegeben hatte, nicht weniger, aber auch nicht mehr, wie ihr bewusst wurde. Sie war natürlich davon überzeugt gewesen, dass sie ihn liebte, doch eigentlich war es nichts weiter als Verzweiflung gewesen, sie hatte Nähe, Vertrauen gebraucht und er hatte es ihr gegeben. War sie nun im Gegenzug bereit, dasselbe für ihn zu tun?

Seine Worte hatten sie nachdenklich gemacht: Wie echt war das, was sie sich gegenseitig gaben? Spielte sie sich nicht nur wieder selbst etwas vor, weil sie nicht akzeptieren wollte, dass sie für immer die einsame, suchende Waldläuferin bleiben würde? Was sollte sie überhaupt glauben, wenn sie nicht einmal sich selbst glauben konnte, wenn sie nicht einmal ihre eigenen Gefühle deuten konnte?

Wieder war sie abgeschweift, war ihren eigenen Gedanken gefolgt, ohne ihm wirklich zuzuhören.

Die letzten Worte seiner Geschichte schienen zu schweben, sie einzufangen, vielleicht nur um ihr zu zeigen, dass sie nicht nur auf ihre Zweifel hören sollte.

„Ja, wir hatten etwas mehr als zwei Jahre zusammen, dann musste es enden. Ich hatte meinen Abschluss, bekommen, meine Zeit an der Akademie war vorüber. Weißt du wie es ist, sich über etwas freuen zu müssen, was eigentlich alles zerstört, was man bis dahin hatte?

Noch heute sehe ich meine Meister vor mir: Einer nach dem anderen schüttelt mir die Hand, gratuliert mir zu einem sehr guten Ergebnis, jeder mit einem guten Ratschlag, welchen ich in meinem zukünftigen Leben beachten sollte.

Der Einzige, der anscheinend Verständnis für mich hatte war Heralion, ab diesem Zeitpunkt war er nicht länger mein Meister:

„Das Leben beinhaltet viele schwere Entscheidungen, immer wieder gibt es einen Punkt, an dem du glauben wirst, es geht nicht mehr weiter. Als ich damals meinen Ausbildungsort verlassen musste, war ich vielleicht ein wenig älter als du jetzt, aber im Grunde genommen macht dies bei einer Zeitspanne von über zwei Jahrzehnten keinen Unterschied.

Du kannst die Zeit nicht aufhalten, aber merke dir eins: Alles, was sie dir nimmt, wird sie dir auch wieder zurückgeben, du darfst nur nicht deine Augen verschließen. „

Die schmerzhaftesten Worte hingegen kamen von Aileen, als ich in mein Zimmer kam. Es hat lange gedauert, bis ich sie akzeptieren konnte, aber jetzt weiß ich, dass sie mich wirklich geliebt hat, auch wenn ich es damals nicht verstanden habe. Selbst mit 20 war sie bereits weise:

„Ich möchte, dass du, wenn du in 2 Wochen die Akademie endgültig verlässt, dir eine Frau suchst und mit ihr glücklich wirst.

Auch wenn du es nicht verstehen kannst, ich flehe dich an. Wenn du es nicht für dich tust, tu es für mich. Ich will, dass du glücklich bist, dass du jemanden hast, der dich zum Lachen bringt, weil ich dir das dann nicht mehr bieten kann. „

Ich konnte es nicht, habe so lange gehofft, mir so lange eingeredet, wir würden uns wieder sehen, bis ich selbst die Hoffnung vergessen hatte und nur noch der Verlust übrig blieb.

Es gab Zeiten, da glaubte ich sie hinter jeder Ecke auf mich warten zu sehen, bis ich hinrannte und in die Leere starrte. Es hat lange gedauert, bis ich nicht jedes Mal, wenn ich eine Frau in ihrem Alter sah, einen Stich in der Magengrube spürte.

Gerade hatte ich wieder alles verloren, war nach dem Ende der Söldnertruppe selbst am Ende angelangt. Wieder sah ich die Trümmer meines Lebens vor mir, in dem wieder einmal alles, was ich hatte, in wenigen Wochen zu Staub zerfallen war.

Dann bist du aufgetaucht. „

Sie konnte nicht anders, als ihn zu umarmen, ihm das zu geben, was ihm so lange gefehlt hatte. Nun wusste sie es, nun wusste sie also, wer Aileen gewesen war. War es das, was sie gewollt hatte? Hatte sie wirklich wissen wollen, warum er mit ihr gekommen war, als sie selber auf der Suche nach einem Halt in ihrem Leben gewesen war?

Noch gestern Morgen hatte sie sich gefragt, warum er einfach alles aufzugeben schien, was er hatte und sie begleitet hatte.

Nun wusste sie, dass er nichts aufgegeben hatte, weil es nichts zum Aufgeben gegeben hatte.

Nun wusste sie, dass er genau wie sie wahrscheinlich nach jedem Grashalm gegriffen hätte, sollte er auch nur einen Hauch von Hoffnung verströmen. Im Grunde genommen war sie nichts weiter als dieser Grashalm gewesen, den er ergriffen hatte.

Als wollte sie ihre Zweifel ersticken, küsste sie ihn, es schickte ein wunderbares Gefühl der Wärme durch ihren Körper.

Nein, sie war nicht nur ein zufällig ausgewählter Grashalm, sie war tausendmal mehr als das, das ließ er sie mehr als deutlich spüren. Die Umstände waren anfangs vielleicht etwas ungewöhnlich gewesen, aber nun war es an der Zeit das zu sehen, was sie gewonnen hatte.

Es war egal, warum er sie begleitet hatte, oder warum er sie gestern einfach geküsste hatte, völlig entgegen ihrer Erwartung. Sein Verlust würde sie in ein tiefes Loch stürzen, warum arbeitete sie dann beinahe fieberhaft darauf hin? Quinn war alles, was sie hatte, sollte sie es nicht glücklich machen, dass es umgekehrt genauso war?

*****

Noch immer war ihnen niemand begegnet, die Umgebung schien beinahe furchteinflößend still.

Hin und wieder zog am Himmel ein Greifvogel seine Kreise, mit wachen Augen nach Beute Ausschau haltend. Die Strecke wurde nicht sonderlich viel genutzt, aber es war trotzdem ungewöhnlich, nicht einmal Reisende anzutreffen. Es verbreitete in ihr ein ungutes Gefühl, das ihr sagte, sie solle vorsichtig sein.

„Wir sollten eine kurze Pause machen, sonst müssen wir uns gleich zwei Tage in Arensfurt ausruhen…“

Sie nickte, bereits nach einer geeigneten Stelle Ausschau haltend.

Doch außer der großen Wiese war nichts zu sehen.

„Ich glaube, es ist am einfachsten, einfach direkt neben der Straße Halt zu machen. Es kommt wahrscheinlich sowieso niemand vorbei. „

Ein Grinsen huschte über sein Gesicht, es verschwand jedoch sofort wieder, als sie genauer hinsah.

„Solange kein Bach mit Kies vorhanden ist, ist jeder Platz gut, oder wie?“

Seine Bemerkung spielte eindeutig auf die etwas peinliche Situation vor zwei Tagen an, bei der sie wie ein zehnjähriges Mädchen auf den nassen Steinen ausgerutscht war.

Es war das erste Mal gewesen, dass er ihr näher gekommen war, jedenfalls wenn man das so bezeichnen konnte. Sie erwischte sich dabei, dass sie seine Dienste als Heiler gerne wieder in Anspruch nehmen würde. Seine Berührung war ohne Zweifel magisch gewesen.

Zur Antwort lief sie demonstrativ ein paar Schritte neben den Weg und setzte sich ins hohe Gras. Lachend kam er zu ihr und setzte sich neben sie, nicht ohne ihr jedoch vorher einen Kuss in den Nacken zu geben.

Würden kleine Dinge wie dieser kurze Kuss fehlen, ihre Zweifel hätten neue Nahrung bekommen. Doch so bestätigte er ihr immer wieder, dass sie nicht nur im wahrsten Sinne eine Notlösung war, vielleicht gab es ja doch ein Schicksal und es hatte gewollt, dass sie sich trafen.

Etwas umständlich kramte sie aus ihrem Rucksack den Wasserschlauch heraus, obwohl es nicht warm war, spürte sie kleine Schweißperlen auf ihrer Haut. Es war nichts Ungewöhnliches, sie waren zusammen beinahe so schnell, wie wenn sie alleine reiste, aber sie benötigten große Mengen an Wasser.

Wenn sie nicht spätestens morgen in Arensfurt ankamen, würden ihr die Vorräte ausgehen.

Sie sah zum Himmel, die Sonne vom Morgen versteckte sich mittlerweile hinter einer dicken Wolkenschicht. Sie erinnerte sich daran, dass sie bereits gestern mit Regen gerechnet hatte, es dann jedoch trocken geblieben war. Eigentlich hatte sie lange genug im Wald gelebt, um einigermaßen zuversichtliche Voraussagen machen zu können, aber den Wind konnte auch sie nicht beeinflussen.

„Woran denkst du?“

Er hatte sie dabei beobachtet, wie sie den Himmel angestarrt hatte, die Wolken hatten etwas Faszinierendes für sie.

Regen und Sonne waren der Lauf der Natur, sie war damit aufgewachsen. Als Kind hatte sie den Regen geliebt, bis sie einmal starke Halsschmerzen bekommen hatte, weil sie mehrere Stunden draußen geblieben war. Den Fehler hatte sie nicht wiederholt, aber immer noch mochte sie den Regen. Er wusch den Wind und hinterließ einen wunderbaren Duft, der sie an ihre Kindertage erinnerte. Es war eine der seltenen schönen Erinnerungen, deshalb wollte sie sie nicht aufgeben.

„Ich versuche herausfinden, wann es anfangen wird zu regnen…“, antwortete sie schließlich.

„Du solltest dich beeilen“, sagte er mit einem Lächeln und genau in diesem Moment traf sie der erste Regentropfen auf die Nase. Sie wollte ihn wegwischen, doch er hielt sie davon ab, sodass der erste Tropen langsam bis hinunter zu ihrer Nasenspitze lief und von dort aus ins Gras fiel.

„Es ist wunderschön…“

„Ja…“

Eine Windböe strich über ihr Gesicht, die Spur, die der Regentropfen gezogen hatte wurde zu einer kühlen Linie, doch sie war vollkommen rein.

Rein von Einsamkeit oder Gefühlen, sie war einfach da.

„Wir sollten uns wieder auf den Weg machen, es wird sonst heute Abend im nassen Gras etwas ungemütlich. „

Sie nickte, hob wieder ihren Rucksack auf die Schultern und verstaute den Rest ihrer Essensration.

„Du hast recht, wenn wir uns ein wenig beeilen, schaffen wir es noch vor Anfang des Sonnenuntergangs. „

*****

Mit diesen Worten lief sie wieder in Richtung der Straße, die unter den noch vereinzelten Regentropfen ein interessantes Muster aufwies.

Sie wusste, dass es nichts bedeutete, aber es schien, als hätte der Regen ein Zeichen auf den Boden gemalt: Ein Kreis mit einem dicken Kreuz in der Mitte. Normalerweise war dies die unmissverständliche Anweisung, ab hier nicht weiter zu gehen, aber wahrscheinlich bildete sie es sich nur ein. Der Regen konnte nicht zeichnen, oder?

„Ich glaube, in Arensfurt könnten wir auf einige Probleme stoßen. „

Sie hatte nicht gemerkt, dass er sich hinter sie gestellt hatte, erst als sie seine Stimme hörte, fuhr sie herum.

Er blickte auf dieselbe Stelle, die sie eben betrachtet hatte.

„Es ist nur Regen, der Regen zeichnet keine Symbole, er hat kein Bewusstsein. Es ist nur Zufall, weiter nichts. „

Sie wusste nicht, inwieweit sie sich selbst beruhigen wollte, schließlich war Quinn immer noch ein Magier und hatte in diesen Dingen um einiges mehr Erfahrung als sie.

„Der Regen nicht, das stimmt. Das Symbol hat ein Anderer gezeichnet, siehst du?“

Während er dies sagte kniete er sich neben der Stelle auf den Boden, vollführte eine fremdländisch aussehende Bewegung mit seiner rechten Hand und murmelte ein paar unverständliche Worte.

Die Regentropfen, die um das Symbol herum auf die Straße gefallen waren, schienen sich auf einmal auf das Symbol zu bewegen, bis sich darüber eine dünne Wasserschicht gebildet hatte. Das Kreuz und der Kreis waren nach wie vor deutlich sichtbar.

„Was hast du gemacht?“

Erst einmal hatte er sie geheilt und Magie gewirkt, davon hatte sie auch schon gehört. Noch nie jedoch hatte sie gehört, dass ein Magier den Regen steuern konnte, noch dass er Magie für so einfache Zwecke einsetzte, nur um ihr etwas zu verdeutlichen, was er längst gesehen hatte.

„Ein keiner Jahrmarktstrick, nichts besonderes. Fest steht, dass es nicht der Regen war, der das Symbol auf die Straße gemalt hat, es war ein Mensch. “

Quinn stand wieder auf und lockerte demonstrativ die beiden schweren Streitkolben links und rechts von seinem Gürtel. Genau wie sie ihren Bogen legte er sie normalerweise nur nachts ab.
„Jemand, der definitiv nicht will, dass wir nach Arensfurt kommen“, fügte er grimmig hinzu und drehte sich wieder in Richtung der Straße.

Irgendetwas hatte ihr heute Morgen gesagt, sie solle ihren Bogen spannen, nun stellte sich heraus, dass sie Recht gehabt hatte. Das Einzige, was sie ein wenig irritierte, war die absolute Selbstverständlichkeit, mit der Quinn eventuell in eine Falle lief, woher konnte er wissen, dass er überhaupt eine Chance gegen das hatte, was in Arensfurt auf sie wartete? Von einer Sekunde auf die nächste war er wie ausgewechselt gewesen, als interessierte ihn diese Frage nicht einmal.

Er lief mit langen Schritten die Straße entlang, sie hatte keine andere Wahl als ihm zu folgen, wenn sie hier nicht alleine im Regen stehen bleiben wollte. So lief sie ihm hinterher, nicht wissend, was sie erwartete. Es war lange her, seitdem sie das letzte Mal gezwungen gewesen war, Menschen zu töten, eigentlich hatte sie sich geschworen, dies nie mehr zu wiederholen.

Leicht keuchend holte sie ihn endlich ein und konnte neben ihm nun etwas langsamer laufen.

Sein Blick war starr nach vorne gerichtete, wie bei einem Raubtier, dass seine Beute bereits gewittert hat.

„Was ist vor uns? Ich will dich nicht jetzt auf einmal verlieren…“

Sie hatte sich vorgenommen, selbstsicher zu klingen, um ihn nicht auch noch zu verunsichern, versagte dabei jedoch vollständig. Heraus gekommen war mehr ein leises Weinen, das ihr beinahe die Tränen in die Augen getrieben hätte.

So kannte sie ihn nicht, auch wenn das zugegebenermaßen noch nicht lang war.

Was war los, dass er scheinbar vollständig den Verstand verloren zu haben schien? Sie hielt ihn an der Schulter fest und blieb stehen, sodass er unweigerlich herumfuhr und ihr mit demselben Blick in die Augen sah, den er beim Laufen aufgesetzt hatte.

„Was ist los?“, stammelte sie, der Ausdruck in seinen Augen war beinahe furchteinflößender als ein Sommergewitter in der Ebene.

„Ich will dich doch nur verstehen können!“

Ihre Stimme war zu einem hellen Schrei geworden, der laut über die Ebene schallte.

Seine Gesichtszüge wurden weicher, er wich ihrem Blick aus. Sie versuchte ihn an sich zu ziehen, ihm einen Kuss zu geben, um ihm zu zeigen, dass sie bei ihm war, doch er wehrte sie ab. Als er sprach, hielt er seinen Blick auf den Boden fixiert, als wollte er sie nicht sehen.

„Natürlich… Es tut mir leid.

Ich weiß, was du jetzt denken musst, ich bin quasi vor dir weggelaufen.

Es hat nicht mit dir zu tun, glaub mir bitte. Nur… mit unendlicher Wut und dem unbändigen Wunsch nach Rache. Ich weiß, dass solche Gefühle nicht zu kontrollieren sind und dass sie den Tod schneller bringen können, als man erwartet. Sie untergraben jegliche Fähigkeit des logischen Denkens, ich habe es selbst erlebt. „

Trotzdem setzte er daraufhin seinen Weg wieder fort, unaufhaltsam wie eine Bärenmutter, die auf der Suche nach ihren Kindern ist.

Immerhin passte er seine Geschwindigkeit so an, dass sie nicht neben ihm her rennen musste. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass er zwar wusste, was er eben gesagt hatte, es jedoch gezielt ignorierte.

„Das heißt, du bist dir sicher, dass du das Kreuz mit dem Kreis schon einmal gesehen hast? Ich verstehe nicht viel von solchen Dingen, aber es ist nicht sonderlich komplex, jeder könnte es verwendet haben. „

Immer noch flehte sie ihn mehr an, als dass sie es schaffte, ihre Stimmlage zu normalisieren.

Was er gesagt hatte, hatte keineswegs die Angst genommen, es hatte sie vielmehr bestätigt.

„Nein, nicht dieses Kreuz. Ja, ich habe es schon einmal gesehen. Es ist quasi der Fußabdruck eines einzelnen Mannes, der bereits das ganze Dorf auf dem Gewissen haben könnte, wenn wir uns nicht beeilen. Er setzt seine Zeichen stets kurz bevor er mit der „Arbeit“ anfängt, und das, was du entdeckt hast, roch beinahe noch nach ihm.

Noch habe ich Hoffnung, dass ich diesmal nicht zu spät kommen könnte. „

„Woher kennst du ihn und wie willst du gegen ihn ankommen, wenn er ein ganzes Dorf vernichten kann? Bitte sag mir nicht, dass du dir das erst überlegst, wenn er vor dir steht und dich mir auf welche Weise auch immer wegnimmt!“

Nach wie vor schaffte sie es nicht, ihre Stimme weder schreiend noch flehend klingen zu lassen, sie unternahm aber auch keinen Versuch mehr, es zu ändern.

Es hätte so oder so keinen Zweck.

„So wird es nicht ablaufen. „

Seine Stimme war wieder grimmig und entschlossen geworden, mittlerweile dämmerte ihr, dass sie ihn nicht von seinem Vorhaben würde abbringen können. Vielleicht konnte er ihn wenigstens dazu bringen den Grund dafür zu verraten.

„Sag mir wenigstens, warum…“

„Als ich noch der Söldnerkompanie angehörte…“, begann er, ließ dann jedoch eine längere Pause, bevor er weitersprach.

„Nun ja, wir haben uns nicht durchgehend mit Ruhm bekleckert. Wir waren damals schon länger auf der Reise, unsere Vorräte wurden knapp und wir hatten nur noch ein paar Goldstücke, um unsere Vorräte aufzufüllen. Das klingt vielleicht viel, eine Armee von beinahe tausend Männern damit zu versorgen ist jedoch schlicht unmöglich. Ein Dorf wie Arensfurt lag vor uns, wir nahmen uns vor, den Bauern dort ein wenig unter die Arme zu greifen, um einen Teil ihrer Ernte zu bekommen.

Eigentlich war von vornherein klar, dass wir sie niemals würden bezahlen können, aber wir marschierten unaufhaltsam in Richtung des Dorfes. Wer sollte uns schon aufhalten, in einem kleinen Dorf? Wie gesagt, auch diese Zeiten gab es, in denen man alles tut, um am Leben zu bleiben. Manchmal bleibt dann keine Gelegenheit mehr, das Leben eines anderen zu schützen.

Das Dorf hieß Hügelfelde, es war im Grunde genau das, was der Name schon sagte: Inmitten von Getreide und Maisfeldern einige Hügel mit Bauernhäusern und einer einzigen Taverne.

Etwa zwei Marschstunden vor dem Dorf war genau dieses Zeichen, wir haben es erst genau wie du ignoriert. Als wir ankamen war beinahe jedes Leben ausgelöscht, nur ein kleiner Junge hatte sich mit seiner Schwester in einer Kellernische versteckt. Auf der Straße, die weiterführte, flüchtete ein einzelner Mann.

Ein schrecklicher Zufall, ein Bauer, dem nichts anderes geblieben war, als das Dorf zu verlassen? All diese Fragen gingen uns durch den Kopf, nachdem wir jedoch in den folgenden Monaten durch drei weitere dieser Dörfer kamen, in denen sich dasselbe Bild bot, war die Sache klar: Vermutlich ein Paktmagier streifte durch das Land, alle paar Wochen auf der Suche nach neuen Opfern.

Wir haben ihn nie einholen können, nun ist er in greifbarer Nähe. Ich muss ihn zur Strecke bringen, es darf nicht noch weitere Opfer geben. „

Seine Stimme blieb die ganze Zeit über seltsam ruhig, auch wenn sie ihm ansah, wie schwer es ihm fiel. Nur ein hasserfüllter Unterton klang kurz an der Stelle durch, als er den anderen Magier erwähnte. Sie hatte schon einmal von einem Paktmagier gehört, man erzählte sich viele Geschichten über sie, sie hatte es bisher jedoch immer als Schauermärchen für kleine Kinder abgetan.

„Ein Paktmagier? Warum bist du dir so sicher? Haben sie nicht einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, wie willst du ihn dann besiegen? Sind das nicht nur irgendwelche Gruselgeschichten, die sich die Leute in den Dörfern erzählen?“

Die ganze Geschichte glitt ihr ein wenig zu weit in die Welt der Fantasie ab, sie unterhielt sich gerade mit ihm über Figuren aus Geschichten, für die sie schon als Siebenjährige nicht mehr als ein müdes Lächeln übrig gehabt hatte.

„Nun, dass sie einen Pakt mit dem Teufel oder etwas noch Schlimmeren geschlossen haben ist tatsächlich nur eine Gruselgeschichte. Vielmehr sind sie normalerweise von einem simplen Dämon befallen, einen Pakt schließen sie nicht wirklich ab. Sie bekommen nur eingeredet, dass sie um am Leben zu bleiben dem Dämon dienen müssen und nicht andersherum. „

Langsam begann sie an seinem Verstand zu zweifeln. Ein simpler Dämon? Sosehr sie ihn liebte, allein diese Formulierung ließ bei ihr ein mehr als ungutes Gefühl zurück.

Dämonen waren mächtige Wesen aus anderen Sphären, die die Kraft hatten mit einem einzigen Fingerzeig eine ganze Stadt dem Untergang nahe zu bringen. Man erzählte sich Heldengeschichten, wie die Erzmagier erbitterte Kämpfe gegen solche Wesen in den Anfangstagen dieser Welt ausgetragen hatten, aber auch das hatte sie beinahe restlos für Kindergeschichten gehalten. Wie konnte ein erwachsener Mann an solche Wesen glauben und wie konnte er annehmen, es besiegen zu können?

„Es tut mir leid, ich fürchte, du hast wie alle nur die größtenteils frei erfundenen Geschichten gehört…

Ich weiß, wie sich meine Geschichte gerade anhören muss… Wahrscheinlich hältst du mich gerade für einen achtjährigen Jungen, der begeistert eine Gruselgeschichte erzählt…“

Sie nickte bereits, als er seinen letzten Satz noch nicht einmal zu Ende gesprochen hatte, am liebsten hätte sie es sofort wieder zurückgenommen.

Seine Stimme war leise, beinahe traurig gewesen, er erzählte die Wahrheit, dass wusste sie.

Wieder versuchte sie, ihn zu umarmen, doch er wehrte sie nun schon zum zweiten Mal ab. Warum wollte er nicht verstehen, dass sie Angst um ihn hatte, dass sie ihn nur in Sicherheit wissen wollte? Doch das konnte sie ihm so nicht sagen, es würde wie ein frisch verliebtes Mädchen klingen, er würde sie für verrückt und paranoid halten.

Die Straße war unter dem immer stärker werdenden Regen zu einer dunklen Hölle geworden, ihre Kleidung war durchnässte und ließ sie zu einer klebrigen Hülle werden.

„Es tut mir leid… Ich hätte vorher nachdenken sollen, bevor wir…“, er brach ab, sah ihr endlich in die Augen und begann von Neuem.

„Ich hätte dir keine Hoffnungen machen dürfen, es war falsch, ich weiß.

Ich jage diesen Magier nun bereits seit mehreren Jahren, aber immer wieder ist er mir entwischt. Das letzte Mal habe ich sein Zeichen vor einem halben Jahr gesehen, ich habe nicht damit gerechnet, es ausgerechnet hier wiederzufinden. Es ist vielleicht das letzte Stück Ehre, was noch übrig geblieben ist. „

Er ließ eine Pause, sie traute sich nicht, etwas zu sagen oder ihm zu widersprechen. Sie wusste nun, warum er so sonderbar reagierte, auch wenn er immer noch nicht all ihre Fragen beantwortet hatte, wie die, woran er so zweifelsfrei zuordnen konnte, dass es wirklich das Zeichen jenes Magiers war.

Selbst wenn er sicher war, was hatte der Kreis mit einem Kreuz in der Mitte für eine Bedeutung?

„Wahrscheinlich ist es eine aussichtslose Jagd, aber ich bin ihm erst einmal so nahe gekommen wie jetzt, als ich das erste Mal das Zeichen gesehen habe, mit der Kompanie.

Es war das einzige Ziel, das ich über die letzten Jahre noch hatte, aber jetzt…“

„…bist du dabei dem Tod in die Arme zu springen und mich hier einfach zurück zu lassen“, ergänzte sie.

Die Bitterkeit in ihrer Stimme war nicht zu überhören gewesen, vielleicht hätte sie doch auf ihre Zweifel hören sollen. Sie war sich gerade darüber klar geworden, dass er den Rest ihres Lebens bei ihr bleiben sollte, nun war er dabei, die letzten Tage einfach so wegzuschmeißen, als wäre nichts passiert. Sie verstand ihn, oder versuchte es zumindest, aber ihr wollte nicht einleuchten, wie er alles, was passiert war einfach ignorieren konnte…

Sollte sie ihn unterstützen, auf seinem Weg in die Hölle? Noch immer war sie der Meinung, es würde ihren sicheren Tod bedeuten, aber vielleicht konnte sie ihn so davon abbringen.

Sein eigenes Leben war ihm offensichtlich nichts mehr wert, aber eine Hoffnung wollte sie noch nicht aufgeben: Sie wusste, dass seine Liebe nicht gespielt war, wenn sie ihm nun folgen würde…

„Ich komme mit dir und bringe diesen Magier um!“

Es war mehr Hilflosigkeit, als alles andere, aber was konnte sie schon tun?

„Nein. „

Seine Stimme war ungewohnt hart, es klang, als hätte er die Rolle eines Generals angenommen, der gerade einen einfachen Soldat für ein Vergehen zur Rechenschaft zieht.

Sie war nie in einer Armee gewesen, aber genau so stellte sie es sich vor.

„Ich gehe dahin, wo du hin gehst. Eine Stammesführerin der Waldläuferinnen lässt sich nicht den Weg verbieten. „

Der letzte Satz war ihr gerade eben eingefallen, es war ihr wie eine gute Idee erschienen, um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Wie als hätte er noch über ihre Worte nachdenken müssen, blieb er ein paar Sekunden regungslos, dann zuckte er auf einmal zurück und ging einen Schritt rückwärts, sodass er nun etwas weiter als eine Armeslänge von ihr entfernt stand.

Sie setzte zu einer Entschuldigung an, doch er drehte sich mit einer steifen Bewegung und setzte dazu an, den Weg nach Arensfurt fortzusetzten.

„Natürlich nicht. Du … Ihr könnt dorthin gehen, wohin ihr wollt. Das Einzige was ich tun kann, ist euch zu warnen, ob ihr den Rat beherzigt ist natürlich nicht meine Entscheidung. Ich werde nicht noch einmal versuchen, einer Stammesführerin wie … euch etwas vorzuschreiben.

Wünschte sie es sich nur, oder schien es wirklich, als würde er vor ihr davonlaufen?

Seine letzten Worte schienen wie ein Dolchstoß direkt in ihr Herz, am Ende war sie es gewesen, die mit einem einzigen unüberlegten Satz Alles zerstört hatte. Sie war so dumm gewesen, er liebte sie … hatte sie geliebt. Die ganze Situation kam ihr mehr als vertraut vor, vor zwei Tagen noch hatte sie ihn weggeschickt, mit Worten, die sie nie gemeint, aber doch ausgesprochen hatte.

Der einzige Unterschied war nun, dass er nicht stehenblieb, auf etwas zu warten schien. Diesmal ging er einfach fort, vielleicht für immer. Wahrscheinlich würde er den Tod finden, doch sie konnte es nicht verhindern.

Sie erinnerte sich daran, wie sie ihm noch am Morgen erklärt hatte, dass ein Wort tödlicher werden kann, als ein Dolch, erinnerte sich schmerzvoll daran, wie schön es gewesen war, wie selbstverständlich mit ihm zu reisen.

Nicht einmal sie beherzigte ihre eigenen Warnungen, wie konnte sie dies dann von ihm erwarten? Ihre für einen Moment perfekte Welt war innerhalb weniger Minuten einfach weggefegt worden.

Gibt es eine Möglichkeit, das Schicksal zu ändern? Eine der Frauen aus dem Ältestenrat, mit denen sie aufgewachsen war, hatte stets behauptet, es sei Nichts zu spät, solange man die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat. Was aber war, wenn man hoffte, die Hoffnung nicht zu verlieren?

IX.

Was hatte er sich eigentlich gedacht, als er angenommen hatte, Raqash sei tot? Er hatte lange nichts mehr von ihm gehört oder gesehen. Er hatte fest angenommen, der Paktmagier wäre irgendwann seinem eigenen Wahnsinn zum Opfer gefallen, oder er hätte einfach irgendwann den Fehler gemacht, ein Dorf anzugreifen, in dem sich die Menschen mit mehr als nur Heugabeln, Küchenmessern und vielleicht ein einzelner mit einer Holzfälleraxt verteidigten.

Auch wenn er nie rechtzeitig dagewesen war, wenn Raqash sich eines Dorfes bemächtigte, so hatten ihn doch die Aussagen der wenigen Überlebenden und die vielen Geschichten, die Abends in den Tavernen der umliegenden Dörfer erzählt wurden, eine Menge Informationen beschert.

Wenngleich diese nicht immer als glaubhaft bezeichnet worden konnten, schließlich war das Meiste nur Hörensagen, so war es doch recht wahrscheinlich, dass ein Detail der Wahrheit entsprach, wenn viele verschiedene Leute aus verschiedenen Dörfern das Gleiche erzählten.

So hatte er herausfinden können, dass der Paktmagier höchstwahrscheinlich wirklich einen echten Pakt eingegangen war, jedoch nicht mit dem Teufel, wie die Leute gerne erzählten, sondern mit einem simplen, niederen Dämon. Sie zu beschwören war nicht außergewöhnlich kompliziert, es dauerte nur seine Zeit.

Normalerweise wurden Wesen dieser Art für Spionagezwecke oder Hilfsarbeiten eingesetzt, ein paar wenige jedoch waren durchaus auch als Unterstützung im Krieg geeignet.

Die Form, die Raqash beschworen hatte, war eine dieser Sorte, wenn auch eine harmlose, die ein einzelner Schwertstreich in alle Himmelsrichtungen verteilen würde. Sie konnte jedoch noch etwas außerordentlich gut: Andere Wesen manipulieren und sie zu Dingen überreden, die völlig gegen die Natur ihrer Rasse ging. Starb ein Beschwörer eines Dämons, war dieser frei und darauf spekulierte diese Art.

Der Dämon hatte anscheinend nur die Macht seines Herren unterschätzt, als er ihn überredet hatte, für ein wenig mehr Macht mordend und brandschatzend durch die Dörfer zu ziehen. Durch je mehr Dörfer er kam, desto mächtiger wurde Raqash. Er müsste jedoch nur den Dämon töten, alles andere würde sich von selbst erledigen. Der Paktmagier war ohne Frage mittlerweile so von seinem Begleiter abhängig, dass ihn dessen Tod mit in dessen Sphäre ziehen würde, dort hätte nur noch eine außerordentlich kurze Lebensspanne.

Aus diesem Grund setzte er auch penibel vor jedem Angriff das Zeichen vor die Siedlung. Nicht als Warnung, sondern weil es die Bannform für den Dämon war, ihn noch ein wenig länger hier in dieser Welt zu halten. Das Kreuz war im Grunde genommen nichts weiter als eine effektive Tarnung, die sich zufällig gut in die Formel selbst einfügte.

Sein Zeichen war unverwechselbar, er hatte das Wesentliche, die Inschrift, vorsorglich mit seinem Wassertrick vor Daria verborgen.

Nein, nicht vor Daria, vor der Stammesführerin, verbesserte er sich selbst. Sie hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass sie nach wie vor eine durchaus beachtliche Position bekleidete, egal wie die äußeren Umstände gerade waren.

Vielleicht war es besser so, vielleicht würde sie jemanden finden, der besser auf sie aufpassen konnte als er. Womit sollte er sie überhaupt ernähren können? Er konnte ihr nicht das Geringste bieten, er war ein einfacher Tagelöhner, alles andere wäre gelogen.

Für ihn selbst hatte es stets gereicht, die Suche nach Raqash hatte ihm ein Ziel gegeben, einen Grund, sein Dasein nicht als sinnlos zu bezeichnen.

Er hatte keine Minute seinen Verstand benutzt, als er sie geküsst hatte. Er hatte mit ihr geschlafen, ohne eine Sekunde daran zu denken, was das für sie bedeutete. Natürlich, er hatte sie wirklich geliebt, tat es immer noch, das gab ihm aber noch keinen Grund, sein Handeln damit zu rechtfertigen.

Er hatte überlebt, weil er tötete, weil er andere Leben zerstörte. Das war bestimmt nichts, was er ihr antun wollte. Alles, was er tat, schien selbstverständlich notwendig, das war das Einzige, worauf er noch achtete, aber gerecht war es nie. Jede Handlung forderte seine Opfer, entweder sichtbar, wie ein ausgelöschtes Leben, oder unsichtbar in der Seele eines Anderen, wie die Heilung von Darias Hand, die ihr am Ende nur falsche Hoffnungen eingebracht hatte.

Er bestimmte über das Leben eines anderen, als wäre er der Tod selbst, vor diesem Hintergrund konnte er kaum hoffen, jemals gut genug für eine Frau zu sein.

Zwei ganze Tage lang hatte er es geschafft, all das zu ignorieren, sich selbst einzubilden, sie könnte ihm helfen. Nun sah er, wie naiv er gewesen war, niemand würde an ihm etwas ändern können.

Ein bitteres Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Als sie vorhin gesagt hatte, Paktmagier hätten einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, hatte ihn das an eine Geschichte erinnert, die ihm einer seiner Lehrmeister erzählt hatte. Sie handelte von einem Helden in schillernder Rüstung, endlosem Mut und dem Herz eines wahren Helden:

Thorald war der jüngste Sohn des Königs.

Sein ältester Bruder Fugal würde einmal das Königreich übernehmen, sein zweiter Bruder Lajen hatte die Tochter von Frejon, geheiratet. Die Tochter war Frejons einziger Nachkomme, so würde Lajen mit ihr zusammen die Herrschaft über den Handel in der Stadt übernehmen, welcher im Moment noch der Aufsicht von Frejon unterlag.

Er hingegen hatte zu seinem 18. Geburtstag eine Ritterrüstung von seinem Vater bekommen, um seine Ausbildung abzuschließen. Von seinem eigenen Vater war er zum Ritter geschlagen worden, später würde er unter seinem eigenen Bruder dienen.

Immerhin war er als Königssohn stets der Ehrengast an der Tafel, würde mit einer wunderschönen Frau verheiratet werden und für sein Vaterland kämpfen.
An dem Tag, an dem die Geschichte beginnt, stand Thorald am Haupttor Wache. Normalerweise war dies keiner seiner Aufgaben, aber Prevel hatte sich heute krankgemeldet und die meisten Wachen begleiteten seinen Vater auf einem offiziellen Besuch in das benachbarte Königreich. In der Ferne kam ein einzelner Mann im Galopp auf das Haupttor zugeritten.

Wie es seine Pflicht war, ging er diesem etwas entgegen, um nach seinem Begehr zu fragen.

Es war ein Bote, der aus vollem Galopp knapp vor ihm abbremste und er überbrachte eine Schreckensnachricht: Die schöne Prinzessin von Truven war von einem Mann entführt worden, der mit dem Teufel im Bunde stand. Er hatte mit seiner verderbten Magie alle Wachen getötet und war mit der Prinzessin in sein Versteck südlich von der Stadt geflohen.

Natürlich veranlasste Thorald sofort alles Nötige, um die Prinzessin zu retten und stellte eine Truppe aus den Eliterittern zusammen, die den bösen Magier töten sollten und die Prinzessin zurückbringen. Er selbst kleidete sich in die silberne Rüstung und rüstete sich mit einem kleinen Metallschild und einem mächtigen Stahlschwert.

So ritten er und die zehn besten Krieger seines Landes dem Versteck des Teufels entgegen, nicht ahnend, was sie dort erwarten würde.

Nach zwei Stunden waren sie an der Höhle angekommen, die der Bote beschrieben hatte, die zehn Krieger warteten nicht eine Sekunde und stürmten mit erhobenen Schwertern und einem Kriegsschrei hinein.

Kurze Zeit später hörte Thorald den eindeutigen Todesschrei einer der Krieger, wenige Sekunden später einen zweiten. Bevor er nachsehen konnte, was dort in der Höhle vor sich ging, rannten die verbliebenen acht so schnell sie konnten wieder heraus und verschwanden über alle Berge.

„Niemals werde ich mich mit dem Teufel persönlich anlegen!“, rief ihm noch einer zu, dann war er allein.

Erst unschlüssig, was er tun sollte, stieg er von seinem Pferd ab, als er von drinnen ein leises Wimmern hörte. Es musste sich um die Prinzessin handeln! Ohne zu überlegen rannte er nun selbst in die Höhle, um die Prinzessin vor dem Ungeheuer zu bewahren. Kaum hatte er ein paar Schritte getan, da hörte er schon eine dunkle Stimme, es klang, als würde der Donner mit ihm sprechen:

„Ha! Wer ist immer noch dumm genug, mich besiegen zu wollen? Ich bin allmächtig, du kannst nichts dagegen tun, dass ich die Prinzessin zu meiner Frau nehme!“

Unbeirrt stürmte Thorald in die Höhle, auf einmal stand das Monster direkt vor ihm.

Es war weder Mensch noch Tier, am ehesten würde man es wohl als übergroßen Stier auf zwei Beinen beschreiben, welcher mit seinem brennenden Schwanz keine Fliegen sondern Menschen zerquetschte oder verbrannte, je nachdem, was schneller ging.

Mit einem einzigen Hieb seiner Vorderpranke schlug das Untier ihm den Helm vom Kopf.

„Damit ich dich wenigstens sehen kann, wenn ich dich töte!“, lachte es und ließ sich ein Stück nach vorne fallen.

Im Augenwinkel erkannte Thorald die Prinzessin, sie war mit einem dicken Seil gefesselt worden und blickte ihn mitleidig an.

Flammen umzüngelten ihn, als er sein Schwert zog, mit seinem Schild blockte er einen Hieb des Monsters. Er führte eine Finte aus, stach das Schwert bis zu Anschlag in die Brust des Ungeheuers, doch es lachte nur, zog es mit beiden Pfoten wieder heraus und schmiss es in die Ecke, in der die Prinzessin gefangen gehalten wurde, während sich die Wunde vor seinen Augen verschloss.

„Armes Menschlein, glaubt doch wirklich, es könnte mich töten. Ich bin unsterblich! Ich bin allmächtig!“

Ein einziger Prankenschlag beförderte Thorald neben die Prinzessin, sodass er mit der linken Hand wieder sein Schwert zu fassen bekam.

„Ja genau, such nach deiner Waffe! Du bist amüsant, ich lasse dich noch ein wenig am Leben. Es ist lange her, seitdem mich jemand so gut unterhalten hat! „

Thorald achtete nicht auf den Spott des Monsters und schlug mit seinem wiedererlangten Schwert unermüdlich auf es ein.

Doch sosehr er sich bemühte, jede Wunde schloss sich vor seinen Augen in Sekundenschnelle, er hatte nicht den Hauch einer Chance. Für einen kurzen Moment hatte er es sogar geschafft, eine Pranke abzutrennen, doch mit der zweiten hielt sich das Untier diese wieder an die verletzte Stelle und ebenso schnell wie der Rest heilte auch diese Wunde.

Doch Thorald dachte nicht daran aufzugeben und so kam ihm eine Idee: Er täuschte einen Frontalangriff an, wich dann jedoch zur Seite aus und durchtrennte eine der Fußfesseln der Prinzessin.

„Was machst du denn? Du sollst mit mir spielen und nicht mit meiner zukünftigen Frau!“, polterte es, stapfte zur Prinzessin und wollte die Fesseln wieder anlegen.

Kaum war die Höllenkreatur abgelenkt, griff Thorald sein Schwert mit beiden Händen und schlug ihr mit einem mächtigen Hieb den Kopf ab.

Und fortan regierte er mit der klugen und schönen Prinzessin an der Seite das Land Truven.

Er wurde ein weiser König, denn er war derjenige, der nicht aufgegeben hatte, als die Lage noch so aussichtslos erschienen war. Er war derjenige, der todesmutig das Leben der Prinzessin gerettet hatte.

Dies ist die Legende von Thorald Teufelsschlächter. Lass niemals dein Ziel aus dem Auge und verliere nie die Hoffnung. Glaube an dich selbst, dann kann selbst der Teufel persönlich dir nichts anhaben!

*****

Sooft er auch darüber nachdachte, er würde Raqash nun endlich gegenübertreten und den Schrecken beenden.

Die Legende hatte ihn gelehrt, nicht aufzugeben, so würde er auch seine Suche nicht aufgeben. Er würde ihn besiegen, für all die ausgelöschten Leben, die durch das Wirken des Paktmagiers vor ihrer Zeit diese Welt verlassen mussten. Für seine ehemalige Kompanie, die bis zum Ende ihr Ziel nicht erreicht hatte. Für ihn, um endlich Ruhe zu finden.

Er zwang sich, nicht noch einmal über die Schulter zurück zu sehen, als er mit schnellen Schritten auf Arensfurt zulief.

Es würde ihn nur ablenken, er durfte jetzt nicht an Daria denken. Vielleicht hätte er früher etwas daran ändern können, dass er sie nun wahrscheinlich nicht mehr wiedersehen würde, aber nun war es zu spät. Sie hatte Recht gehabt, sie hatte sosehr Recht gehabt, als sie auf ihre Position als Stammesführerin verwiesen hatte.

Dass sie die letzte Überlebende ihres Stammes war, jedenfalls, soweit sie es ihm erzählt hatte, spielte bei dieser Frage nur eine untergeordnete Rolle.

Er hatte es vorher gewusst, die Vernunft ignoriert und bekam am Ende die Quittung dafür. Er hatte kein Recht sich zu beschweren, er würde die Zeit in Erinnerung behalten, als sie zusammen glücklich gewesen waren. Fiel ein Abschied schwer, so bedeutete dies immer, dass die Zeit davor schön gewesen war. Warum also nur den schweren Abschied im Gedächtnis behalten?

Weil dieser die Zeit davor zu früh beendet hatte, beantwortete er sich seine Frage.

Egal, was er sich vornahm, die letzten Minuten und Sekunden würden immer diejenigen sein, die sich in sein Gedächtnis einbrennen würden. Noch war die Erinnerung frisch, doch schon in ein paar Monaten würde der Gedanke an Daria nur noch ihre letzten Worte wieder hervorrufen: Sie war eine Stammesführerin, er war ihr nicht gewachsen.

Mit einem kurzen Kopfschütteln versuchte er, seine Gedanken endlich zu vertreiben. In Selbstmitleid verfallen konnte er auch noch später, jetzt war Raqash seine Aufgabe.

Wenn er nicht wieder zu spät kam, würde heute endlich alles enden. Sein Lebensziel wäre erreicht, was gab es dann noch zu tun? Nichts, so wie in den Tagen, bevor er Daria getroffen und Raqash für tot gehalten hatte.

Automatisch beschleunigte er seine Schritte, als würde er vor etwas davonrennen wollen. Wenn er so weiter machte, würde er bereits völlig erschöpft in Arensfurt ankommen. So ausgelaugt der Paktmagier auch von seinem Ritual sein sollte, er würde ihn vielleicht noch auslachen, bevor er ihn gleich mit umbrachte.

Vor was lief er davon? Hinter ihm war nichts mehr, nur die Vergangenheit.

Rannte er vor Daria davon? Sie war für immer aus seinem Leben verschwunden, sie würde ihm nicht folgen. Selbst wenn, sie bedeutete nichts mehr, sosehr dieser Gedanke auch schmerzte. Sie war der Schatten der letzten Tage, er musste sie nicht fürchten. Sie jagte ihn nicht, warum rannte er also? Er wusste es nicht, fest stand nur, dass er zwischen dem, was hinter ihm lag und ihm selbst möglichst schnell möglichst viel Abstand bringen wollte.

Mit schwerem Atem rannte er die Straße entlang, es dauerte lange, bis er sich zwingen konnte, langsamer zu gehen. Am Horizont kamen kleine Rauchsäulen in Sicht, endlich, sein Ziel war in Sichtweite. Von hier sah alles noch normal aus, die kleinen Rauchsäulen stammten höchstwahrscheinlich aus den Schornsteinen der Häuser, Holz zum Heizen gab es hier in der Gegend wieder genug. Noch war nichts zu sehen, aber wusste, dass kurz hinter dem Dorf einer der größten Wälder des Landes begann.

Nun wieder mit normalem Tempo näherte er sich dem Dorf, der Weg bildete nur noch eine schmale Schneise zwischen zwei Feldern hindurch. Langsam kam das erste Haus in Sicht, es stand etwas abseits, wahrscheinlich der Hof, der die Felder neben der Straße bewirtschaftete. Etwas vorsichtiger näherte er sich dem Haus, manche Bauern waren etwas vorschnell mit einer Axt zur Hand, wenn sich ein allein reisender Mann mit kampfgeeigneter Ausrüstung näherte.

Im Allgemeinen war es nicht allzu schwer, sie davon zu überzeugen, dass sie gegen einen ausgebildeten Soldaten keine Chance hätten, aber Vorsicht war stets geboten.

Etwa zweihundert Schritte weiter ging ein kleiner Feldweg von der Straße ab, der geradeaus zum Haus führte. Bis jetzt war er noch niemandem begegnet, also beschloss er, dort einmal anzuklopfen. Bei einem etwas abgelegenen Bauernhof war es nicht zu unwahrscheinlich, dass Raqash ihn links liegen gelassen hatte, vielleicht konnten die Bewohner ihm ein paar Informationen geben und wenn nicht, so wusste er wenigstens sicher, ob sie noch lebten.

Der Feldweg endete nach etwa 150 Schritt am Stall, ein paar Meter daneben befand sich eine Tür zum Haus. Er klopfte an und wartete einen Moment. Niemand öffnete ihm, so versuchte er es noch einmal etwas kräftiger. Das Holz knackte ein wenig, aber immer noch gewährte ihm niemand Einlass. Leise versuchte er die Tür zu öffnen, doch diese nahm jeden Sinn aus dieser Aktion, indem sie mit einem unüberhörbaren Quietschen aufschwang.

„Hallo, ist hier jemand?“, rief er laut in das Haus hinein.

Wieder antwortete ihm niemand, also trat er ein und schloss die Tür hinter sich. Sollte der Paktmagier doch…? In den letzten Dörfern hatte er sich an der Dorfmitte ausgelassen, die Bauernhöfe am Rand jedoch verschont. Mehr aus Routine überprüfte er, ob seine beiden Streitkolben locker in der Halterung saßen, nach kurzem Zögern nahm er schließlich den linken in die Hand.

„Hallo!“, rief er noch einmal, wieder hörte er keine Antwort.

Er betrat den Raum, den man wahrscheinlich als Wohnzimmer bezeichnen würde, faktisch war es ein relativ kleiner Raum mit einem Holztisch in der Mitte und einer Kommode unter einem kleinen Fenster gegenüber des Tisches. Es wirkte beinahe, als wäre es am Morgen ganz normal verlassen worden, nur ein einziges Detail passte nicht zu dieser Theorie: Noch nicht mal eine Decke, ein Bild oder ein Teller lag in diesem Raum, es gab nur die Möbel, nichts weiter.

Probeweise öffnete er ein Fach der Kommode, auch dieses war komplett leer.

„Gib’s auf, heute Morgen war schon ’n anderer da. Du wirst hier nich’mal ’ne Ameise finden, weil selbst die hier verhungern würd’…“

In einer blitzschnellen Bewegung fuhr er herum, entspannte sich jedoch sofort wieder, als er einen Mann im mittleren Alter mit müdem Gesichtsausdruck im Türrahmen lehnen sah.

„Ich bin kein Dieb — sonst hätte ich wohl kaum mehrmals laut gerufen“, verteidigte er sich.

Im Inneren freute er sich sogar, trotz seiner kurzzeitigen Befürchtung war dieser Mann noch am Leben und wenn der Mann noch am Leben war, so war es relativ wahrscheinlich, dass dasselbe für seine Frau und die Kinder galt, auch wenn er nach wie vor keine Ahnung hatte, wo diese sich befanden. Auf dem Feld hatte er niemanden gesehen.

„Wärst erstaunt auf welche Ideen dieses Gesindel manchmal kommt“, antwortete der Mann, während er sich vom Türrahmen abstieß und mit ausgestreckter Hand auf ihn zuging.

„Ich bin Warren, was verschlägt dich in diese einsame Gegend?“

„Quinn“, stellte er sich einsilbig vor und reichte Warren ebenfalls die Hand, die dieser mit festem Griff schüttelte.

„Wie ich hier herkomme ist eine lange Geschichte…“

„Nun ja, alles kann man kurz machen, oder? Aber jeder hat seine Geheimnisse, ich versteh‘ schon, wenn du nich‘ jedem Fremden deine Herkunft verrätst.

Ich wüsst‘ trotzdem gern, was du in meinem Haus machst. „

Warrens Stimme war kräftig, obgleich sein wettergegerbtes Gesicht verriet, dass er den Großteil des Tages der Sonne ausgesetzt war. Vom Auftreten her, hätte er dem typischen Bauer nur noch näher kommen können, wenn er etwas weniger muskulös wäre.

„Ich vermute, dass sich ein mächtiger Magier auf den Weg nach Arensfurt gemacht hat, der eventuell vorhat, fast die gesamte Dorfgemeinschaft in das nächste Leben zu führen… Habt ihr einen einzelnen, vermutlich etwas gebrechlich aussehenden Mann die Straße langkommen sehen?“

So wertvoll es war, vielleicht ein paar Informationen zu bekommen, so musste er doch aufpassen, was er Warren erzählte.

Mit seiner Aussage hatte er sich schon weit aus dem Fenster gelehnt, viele Menschen reagierten bereits misstrauisch, wenn man überhaupt nur einen Magier, egal welcher Sorte, erwähnte. Mal davon abgesehen, dass er Warren gerade eröffnet hatte, der Großteil des Dorfes könnte sterben oder bereits gestorben sein.

„Hm, lass mich ’nen Moment überlegen…“

Warren war zum Glück keiner von dieser Sorte, aber irgendetwas war an diesem Mann merkwürdig.

Wo war seine Familie, warum schien er so unbekümmert, obwohl er geradezu nichts mehr zu besitzen schien?

„Ach, bevor ich’s vergesse: Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich mit Dieben so unbekümmert umgehe, oder?“

Konnte der Mann Gedanken lesen? Eigentlich hatte er immer gedacht, dass man ihm nicht so einfach ansehen konnte, was er dachte, wie dies gerade geschehen war. Vielleicht war es aber auch einfach nur Zufall. Langsam wurde er ein wenig paranoid.

Er nickte schließlich als Antwort auf Warrens Frage.

„Sag’n wir, ich bin dran gewöhnt. Wenn meine Familie mit mir tagsüber auf dem Feld arbeitet oder so wie heute mit dem Karren in der Stadt ist, lass’n wir normalerweise nix im Haus zurück. Wenn ich einen erwisch‘, steht der dann normalerweise mit leeren Händen da und bekommt eins mit der Mistgabel übergebraten. „

Der Mann schien wirklich seine Gedanken zu lesen wie ein offenes Buch, obwohl er wahrscheinlich noch nicht einmal lesen konnte.

Wie selbstverständlich hatte er auch die Zweifel über den Verbleib seiner Familie ausgeräumt, mittlerweile waren das seiner Erfahrung nach ein bisschen zu viele Zufälle.

„Un‘ wegen dem alten Mann:“, fuhr Warren unbekümmert fort,

„N‘ einziger kam hier heut‘ noch nich‘ vorbei. Aber einer, der auf die Beschreibung passen könnte, mit ’nem Jüngeren, wahrscheinlich sein Sohn oder so. „

„Wie lange ist das etwa her?“

„Hm, ’s hat grad‘ angefangen zu regnen, ich würd‘ sagen ein oder zwei Stunden.

Wie’n Magier sah mir der alte aber nich‘ aus. Hat für mich ’nen bürgerlichen Eindruck gemacht. „

„Danke, Warren. Ich mache mich dann jetzt besser auf den Weg ins Dorf. „

Er steuerte geradewegs auf die Tür des Bauernhauses zu und wollte seine Ankündigung in die Tat umsetzten, aber Warren hielt ihn fest.

„Was willst’e denn von dem alten Mann? Ihn umbringen, oder was? Dann komm‘ ich mal besser mit, nich‘, dass du noch irgendwelchen Unsinn machst.

„Ich glaube, das ist keine gute Idee. Ihr könntet sterben!“

Ein Bauer, der den Kampf beinahe sucht? Er hatte ihm von einem Magier erzählt und diesem Mann fiel nichts Anderes ein, als ihn dabei zu begleiten, diesen zu töten? Warren war kein Bauer, soviel stand fest. Vielleicht gehörte ihm jetzt der Hof, aber so reagierte niemand, der bei klarem Verstand war darauf, dass er sterben könnte. Es wäre vielleicht noch erklärbar gewesen, würde Warren blindlings in das Dorf rennen wollen, aber er blieb viel zu ruhig, als dass es in irgendeiner Form normal war.

Es könnte noch schwierig werden, schließlich hatte er vor gehabt, selbst Magie einzusetzen. Wenn Warren dabei in Sichtweite war, konnte das seinen Tod bedeuten, irgendwie hatte er das Gefühl, dass Warren nicht zum ersten Mal auf die Jagd nach einem Magier ging. Es war die einzige halbwegs plausible Erklärung, die ihm für Warrens Verhalten einfiel. Er schien einen ausgeprägten Hass auf Magier aller Art zu haben, zeigte diesen jedoch nicht, sondern tötete sie kaltherzig.

Es könnte jedoch diesmal böse enden, er hatte ihm nicht erzählt, dass Raqashs Begleiter wahrscheinlich eine Illusion des Dämons war, um sich zu tarnen.

Warren war kurz in einem Hinterzimmer verschwunden und kam nun mit einem mächtigen Zweihandschwert in den Händen wieder zurück. So etwas besaß kein Bauer. Zu seiner Verwunderung schien es auch außerordentlich gut gepflegt, wenngleich man die eine oder andere Scharte an der Schneide erkennen konnte.

„Los geht’s.

Mit schweren Schritten ging er an ihm vorbei durch die Eingangstür, als hätte er in seinem Leben noch nie etwas anderes getan.

Ein paar schnelle Schritte genügten, um zu Warren aufzuschließen, sodass er nun neben ihm lief.

„Wer in aller Welt seid Ihr? Jedenfalls kein Bauer. „

Vielleicht war es unklug, ihn damit zu konfrontieren, aber wenn schon jemand an seiner Seite kämpfte, war es hilfreich zu wissen, wer dieser jemand überhaupt war.

Besonders, wenn man den Verdacht hatte, dass dieser jemand nicht nur den Tod der Feinde, sondern auch seinen eigenen verursachen könnte.

„Und wer bestellt dann die Felder, wenn nicht ein Bauer?“

Er spielte mit ihm, aber in den wenigen Minuten, bis sie das Dorf erreichten, musste doch etwas zu machen sein.

Bevor er jedoch weiter nachhaken konnte, formten sich Warrens Mundwinkel zu einem breiten Lächeln.

„Na gut, hast recht. Bin vor ’n paar Jahren aus der Armee ausgetreten. Hab meine Dienstzeit mehr als erfüllt und den Hof von meinem alten Herrn übernommen, der dann kurz drauf gestorben is‘. Hier hab ich jetzt ’n Haus und ’ne Frau, was will ich mehr?“

„Vielleicht dein Leben noch ein paar Jahre genießen und nicht an einen alten Mann verlieren?“, schlug Quinn vor. Seine Geschichte klang im Groben einigermaßen plausibel, jedenfalls soweit, dass er beschloss, ihn nicht bei jedem Schritt beobachten zu müssen.

„Glaub mir, ich hab schon mehr von der Sorte in die Hölle gebracht, als du dir vorstellen kannst. Ich brauchte so wie so mal wieder was zu tun. Wie steht’s mit dir? Warum is‘ dir dein Leben nix mehr wert?“

Dass nicht Quinn sondern Warren derjenige war, der sich die Anzahl der Getöteten nicht vorstellen konnte, würde er ihm nicht unbedingt direkt auf die Nase binden. Genauso wenig, wie er ihm erzählen konnte, dass er ebenfalls ein Magier war, wenn auch eher einer, der sich der Heilung und weniger der Zerstörung verschrieben hatte.

Aber dieser Unterschied würde Warren wohl kaum interessieren, bevor er ihn mit seinem Zweihandschwert köpfte.

„Ich war ebenfalls ein Soldat. Dieser Magier ist extrem gefährlich, er hat schon mehrere Dörfer ausgelöscht, deshalb will ich ihn töten“, antwortete er trocken. Dass er Soldat gewesen war, stimmte nicht ganz, aber das musste Warren ja nicht wissen. Über Raqash hatte er auch den Großteil weggelassen, aber es war für den Moment wahrscheinlich besser so.

Er war beinahe froh, endlich den Dorfeingang zu erreichen, Warren war Meister darin, unangenehme Fragen zu stellen. Wäre da nicht der beißende Geruch von verbranntem Fleisch gewesen, hätte das Dorf friedlich gewirkt. So allerdings verhieß es nichts Gutes.
„Ich glaub‘ dein Magier hat schon ’ne Menge Arbeit geleistet“, kommentierte Warren wieder einmal seine unausgesprochenen Gedanken.

Bei Gelegenheit musste er ihn mal fragen, wie er das schaffte, jetzt gab es aber wirklich Wichtigeres.

Als sie das erste Haus passiert hatten, konnte man den Dorfplatz erkennen. Es gibt Bilder, die möchte man nie im Leben sehen müssen. Hätte Quinn nicht bereits schon viel zu viele Tote gesehen, um von einigen dieser abgelenkt zu werden, so würde er nun mit Sicherheit ohnmächtig auf dem Boden liegen. Zu seiner Überraschung zeigte Warren jedoch ebenfalls keine Reaktion, er hatte vorhin also nicht übertrieben. Unter den gegebenen Umständen analysierte er kalt die Situation.

Der beißende Geruch war definitiv von dem Fleisch gekommen, welches die Knochen, die mittlerweile blank im Feuer lagen, einmal an sich gehabt hatten. Es waren nicht sonderlich viele, Quinn tippte auf zwei bis drei Opfer. Die anderen lagen fein säuberlich nebeneinander aufgereiht am gegenüberliegenden Ende des Dorfplatzes. Instinktiv ging er zu einem der wie tot daliegenden Körper, und wollte ihm die Augen schließen, als er sah, dass sich der Brustkorb der Frau kaum sichtbar hob.

Er ließ den Blick über die anderen streifen: Allesamt hatten mittelschwere bis schwere Schürfwunden am Körper und waren größtenteils weggetreten, aber soweit er das erkennen konnte, lebten noch fast alle.

„Die meisten sind noch am Leben!“, rief er zu Warren hinüber, der den Dorfplatz umrundete, um nach Raqash Ausschau zu halten.

„Ich glaub‘ wir haben deinem Magier Angst gemacht“, sagte er trocken, als er zu ihm kam.

Mit einem Arm deutete er in die Richtung, in der die Straße wieder vom Dorf weg führte.

„Der alte Mann von heute Morgen is‘ da hinten auf der Straße unterwegs. Ohne seinen Sohn, un‘ er läuft schneller, als ’n normaler Mensch. „

Nun gut, Raqash war also ein weiteres Mal geflohen. Immerhin hatten sie es geschafft, ihn zu unterbrechen, ein paar Opfer hatte es allerdings schon gegeben.

Seine Jagd würde also weiter gehen, für immer und ewig. Durch die Macht des Dämons würde er ihn niemals einholen können und musste darauf hoffen, ihn einmal direkt in einem Dorf zu treffen. Immerhin war er ihm diesmal so nahe gekommen wie noch nie und Raquash war feige geflohen, anstatt auf seine Macht zu vertrauen. Beim nächsten Mal würde er ihn kriegen, das schwor er sich.

„Ja ich weiß, es ist nicht das erste Mal, dass mir Raqash entwischt…“, antwortete er dennoch etwas niedergeschlagen.

„Woher kennst du seinen Namen?“

Warrens Stimme war auf einmal laut geworden, er war es sichtlich gewohnt Befehle zu geben. Er hatte sich vor Quinn aufgebaut, als wäre er der Feind und nicht Raqash.

„Ich sagte doch, es ist nicht das erste Mal. Ich hatte Glück, und habe erfahren, wer er ist. Kenne deinen Feind: Eine Weisheit, die man niemals vergessen sollte. „

Glücklicherweise nickte Warren befriedigt, Quinn musste wirklich aufpassen, wovon er sprach.

Sein Begleiter war vielleicht ein nützlicher Verbündeter, aber auch gefährlich.

„Ich werde mich um die Verwundeten kümmern“, sagte er mit einem kurzen Nicken in Richtung der Reihe bewusstloser Dorfbewohnern,

„Weißt du, wie man Wunden verbindet? Es wäre mir eine große Hilfe. „

„Natürlich“, antwortete Warren, „ich weiß vor allem, dass im Haus des Schmieds ein guter Vorrat an Verbandszeug lagert. Seine Frau ist unsere Heilerin.

Mit diesen Worten ging Warren mit schnellen Schritten zum beschreiben Haus und kam kurz darauf mit einem beachtlichen Vorrat an Verbandszeug zurück. Ohne zu zögern setzte er selbst seinen Rucksack ab, holte sein eigenes Verbandszeug heraus und begann mit der Versorgung der Verwundeten. Ein kurzer Blick zu Warren zeigte zu Quinns Erstaunen, dass dieser mit der Sicherheit eines Berufsheilers die Verbände anlegte. Er hatte jedoch keine Zeit, sich darüber zu wundern, dass Warrens Fähigkeiten selbst für einen Soldaten ziemlich gut ausgeprägt waren.

Blieb nur noch zu hoffen, dass Warren nicht bemerkte, dass er selbst eine außerordentlich gute Ausbildung als Heiler hinter sich hatte, von der Sorte, wie man sie nur an einer Akademie für Magier lernt.

Er begann mit der Frau, die er anfänglich für tot gehalten hatte. Wie sich herausstellte, hatte sie zwar eine beachtliche Anzahl an Schürfwunden am ganzen Körper, diese waren aber nicht lebensgefährlich. Wahrscheinlich war sie wie die anderen von irgendeinem Trank betäubt worden, vielleicht auch von einem dieser Duftmittel, die nach zwei bis drei Atemzügen beinahe jedem das Denkvermögen rauben.

Herauszufinden, um was es sich genau handelte, würde eine längere Zeitspanne in Anspruch nehmen und Zeit hatte er angesichts der Menge an Verletzten, die sie zu zweit versorgen mussten nun wirklich nicht. Die Verbände hob er sich für die schwersten Verletzungen auf, so behandelte er nur die größten Wunden mit einer Salbe, wieder zur Besinnung kommen musste sie von alleine, oder spätestens wenn er mit dem Rest hier fertig war.

Der Nächste war ein junger Mann, er schätzte ihn auf etwa 20. Vielleicht handelte es sich um den Sohn der Frau, eine leichte Ähnlichkeit war den beiden nicht abzusprechen. Im Grunde genommen war das in einem Dorf wie diesem jedoch keine Seltenheit. Seine Verletzungen waren denen der Frau ähnlich, er hatte jedoch noch einen großen, beinahe schwarzen Fleck auf der Braust und aufgeplatzte Knöchel. Offensichtlich hatte er versucht sich zu wehren, wenn auch ohne Erfolg.

So machte er immer weiter, ging von Einem zum Nächsten. Je nach Grad der Verletzungen hielt er sich an jedem zwischen fünf und zwanzig Minuten auf, bevor er sich dem Nächsten widmete, mit der Zeit wurde diese Arbeit jedoch extrem anstrengend, da er die meist noch Bewusstlosen immer wieder hochheben und drehen musste, um alle Wunden versorgen zu können.

Mittlerweile war es dunkel geworden, nur noch das Feuer, das in der Mitte die letzten Reste der Unglücklichen verbrannte, gab ihnen noch Licht.

Der einzige kleine Triumph war der, dass er im Rückblick um einiges schneller vorankam, als er gedacht hatte. Er war fast doppelt so schnell wie Warren, dessen Verbände entgegen seiner hohen anfänglichen Einschätzung doch den Fähigkeiten eines Soldaten entsprachen, wenn auch einem, der in diesem Bereich während der Ausbildung gut zugehört hatte.

Kaum mehr in der Lage zu laufen, nahm er sich dem Nächsten an, er hatte aufgehört zu zählen.

Eins fiel sofort auf und wurde während dem Behandeln der Wunden mit Salbe noch deutlicher: Dieser hier hatte nicht nur oberflächliche Verletzungen, er schwebte am Rand des Todes. Die Stirn war mit unzähligen Schweißperlen überdeckt, der Atem ging nur noch stoßweise.

„Mist“, murmelte er leise, in der Hoffnung, dass Warren es nicht mitbekam. Diesem Mann würde ein Verband mit Salbe nicht mehr helfen und für alles andere fehlten ihm im Moment die Mittel.

Auffälliger, als ihn jetzt einfach mit Magie zu heilen, ging es kaum noch, aber er hatte keine Wahl. Andernfalls würde der Mann sterben, obwohl er hätte gerettet werden können.

Mit einem leisen Fluch auf den Lippen legte er beide Hände gekreuzt über die linke Seite der Brust des Mannes, er spürte den nur noch unregelmäßigen Puls. Es wäre fraglich, ob er die Nacht noch ohne die Unterstützung von Magie überleben würde, Quinn hatte keine Wahl.

Es würde ihn noch mehr auslaugen, einen Schwerverletzten zu heilen verlangte einem schon bei guter Kondition eine Menge ab.

„Hoffen wir mal, dass ich es schaffe, lange genug sitzen zu bleiben“, flüsterte er zu dem Unbekannten.

Vorsichtig ließ er sich von dem Puls des Anderen durch seinen Körper leiten, zeichnete sich ein Bild seiner Verletzungen. Für ihn war der Körper eines Anderen nichts weiter als eine große Wegekarte, nur nicht flach wie ein Blatt Papier, sondern ein wenig komplexer.

Immer wieder wurde ihm bewusst, wie nah der Mann dem Tod war, teilweise schien es beinahe unmöglich, den gesunden Ursprung noch sehen zu können. Uralte Worte kamen über Quinns Lippen, riefen die Natur auf, ihm zu helfen. Er spürte, wie die Kraft der Erde seinen Körper durchströmte, sie sammelte sich kurz in seinen Händen, dann ließ er sie in den zu heilenden Körper frei.

Bei Daria war die Kraft zielgerichtet auf einen einzigen Punkt geschossen, hatte sein Werk getan und hatte ihn dann von der Anstrengung befreit.

Hier lag der Fall vollkommen anders, die Kraft war nicht zielgerichtet, nicht ein einziger gebündelter Strahl floss durch die Venen, sondern ein Spinnennetz von unzähligen Linien bildete sich aus, welches mit jeder weiteren Verzweigung mehr Kraft einforderte.

Die Energie kam aus der Erde selbst, die benötigte Konzentration und Anstrengung, sie an seinem Ziel zu bündeln, musste jedoch er selbst aufbringen. Einer seiner Meister hatte es einmal mit einem Brunnen verglichen: Das Wasser ist bereits da, um es nutzen zu können muss man es jedoch erst nach oben ziehen.

Der Zauber sorgte dafür, dass er seine eigene Kraft dafür verwenden konnte, er konnte jedoch nicht steuern, woher. Jedem einzelnen Muskel wurde die Kraft entzogen, wenn er den Zauber zu lange aufrechthielt, würde er nicht mehr genug Kraft zum Leben haben. Beinahe wäre er zu Boden gefallen, als er endlich spürte, wie sich das Spinnennetz aus Energie ausdünnte und nur noch wenige Enden vorhanden waren. Diese würden von alleine heilen müssen.

Kaum noch in der Lage, seine Hände von dem Körper des Anderen zu heben ließ er sich erschöpft auf den Boden fallen, wie erwartet hatte die Heilung Alles von ihm gefordert.

Kurz schloss er die Augen, um einen kleinen Moment Ruhe zu finden, als er sie wieder öffnete erblickte er etwa zwei Meter über ihm Warrens riesiges Schwert, jederzeit bereit, seinen Kopf vom Körper zu trennen.

„Mich gehen Streitigkeiten unter euch Magiern nix an, aber ich lass‘ mich nich‘ als euer Handlanger missbrauchen. Bis jetzt hab‘ ich noch jeden von eurem Pack, was mir begegnet ist, zum Grab begleitet. Das Feuer brennt ja zum Glück noch.

Seine Stimme ließ nicht den geringsten Zweifel daran, dass er ihn gleich umbringen würde. Immerhin hatte er sein Leben nicht sinnlos verschwendet, sondern dafür das Leben eines anderen gerettet. Raqash würde jemand Anderes töten müssen, er würde sich nicht mehr um diese Welt kümmern können.

„Ich wusste, dass ihr so reagieren würdet und habe es in Kauf genommen, um das Leben dieses Mannes zu retten. Denkt einfach mal darüber nach, wenn ihr mich ins Feuer geworfen habt.

Das waren also seine letzten Worte gewesen. Sie waren viel banaler, als er es sich immer vorgestellt hatte, aber nun konnte er nichts mehr daran ändern. Er war viel zu ausgelaugt, um etwas gegen Warren unternehmen zu können, so blieb ihm nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie er langsam mit seinem Schwert ausholte.

„Das würde ich lassen!“

Wer hatte das gesagt? Es war eine wütende Frauenstimme gewesen, einer der Verwundeten, die er geheilt hatte? Jedenfalls stoppte Warren augenblicklich in seiner Bewegung und Quinn konnte auch erkennen, dass ihm jemand eine Pfeilspitze gegen den Hals drückte.

Wer dieser jemand war, konnte er jedoch nicht sehen, er wurde von seiner Position aus von Warren verdeckt.

„Fallen lassen!“, hörte er wieder ein strenges Kommando der Frauenstimme.

Warren hatte keine andere Wahl, als ihr Folge zu leisten, er war ihr bedingungslos ausgeliefert. Als er einen Moment zögerte, bewegte die Frau den Pfeil in ihrer Hand ein wenig weiter auf seinen Halls zu, sodass die Spitze nun seine Haut berührte.

Sollte er nun zu tief schlucken, würde sie sich in seinen Hals bohren.

Warren ließ das Schwert neben sich fallen, woraufhin sich Quinn ein wenig entspannte. Egal mit welchen Gedanken er dem Tod ins Auge gesehen hatte, gegen ein wenig mehr Lebenszeit hatte er nichts einzuwenden.

„Und jetzt geh dahin wo du hergekommen bist und lass dich nie mehr in meiner Nähe blicken!“

Die Pfeilspitze entfernte sich von Warrens Hals, dieser verließ daraufhin mit einem hasserfüllten Blick den Dorfplatz.

Wahrscheinlich wäre er nicht freiwillig gegangen, doch seine Retterin hielt einen Bogen im Anschlag, womit sie auf Warren zielte, bis er außer Sichtweite war.

Sie stand genau vor dem Feuer, sodass Quinn im Gegenlicht nicht mehr als ihre Silhouette erkennen konnte, mit dem schussbereiten Boden im Anschlag. Diesen konnte er etwas besser erkennen, da sie ihn ein wenig schräg hielt und so ein wenig davon beleuchtet wurde. Er kannte den Bogen, es schien ihm, als hätte er ihn vor gar nicht langer Zeit schon einmal gesehen.

Ja, es war Darias Bogen, ohne Zweifel.

Als Warren verschwunden war, drehte sie sich zu ihm um und nahm den Pfeil wieder von der Bogensehne.

„Steh auf. „

Diese Stimme würde er unter einer ganzen Armee erkennen, jedenfalls wenn sie einen weichen Ton anschlug. Die strenge Befehlsstimme hatte er zum Glück vorher noch nie hören müssen, aber diese hier würde er nicht mehr vergessen.

Warum war Daria ihm gefolgt? Sie beide verband nichts mehr, oder?

„Würde ich gerne, aber ich fürchte, dazu bin ich noch nicht wieder in der Lage. „, antwortete er mit schwacher Stimme, tausend Fragen im Kopf.

Auf ihren verständnislosen Blick hin führte er weiter aus:

„Mein Heilzauber hat mich beinahe all meine Kraft gekostet…“

Dann war sie also gerade erst gekommen und hatte nicht mitbekommen, dass er Raqash wieder verpasst hatte.

Daraufhin kniete sie sich zu ihm, er selbst blieb nach wie vor ausgestreckt auf dem Boden liegen.

„Falls du dich fragst, was ich hier mache: Ich wusste, dass du hier sein würdest, ich bin dir gefolgt. „, sagte sie schließlich.

„Warum? Du hättest sterben können…“

„Weil ich dich liebe. „

X.

Natürlich war sie ihm nach Arensfurt gefolgt, was hätte sie sonst tun sollen? Immerhin führte der Weg nach Lanan in diese Richtung und was viel wichtiger war: Quinn war dort.

Mal wieder hatte sie viel zu lange gebraucht, um sich über sich selbst klar zu werden, nur dass dieses Mal der Einzige, der ihr noch etwas bedeutete, dadurch hätte sterben können.

Als er gegangen war hätte sie ihn aufhalten können, sich entschuldigen, wenigstens etwas hinterherrufen, um ihn zum Anhalten zu bewegen. Doch sie hatte es nicht getan. Sie hatte ihn ziehen lassen, weil sie nicht einmal sich selbst kannte. Sie war einfach stehen geblieben und hatte ihm hinterher gesehen, auf seinem Weg in den Tod.

Erst, als seine Gestalt am Horizont verschwunden war, hatte sie sich wieder auf den Weg gemacht, war langsam in Richtung des Dorfes getrottet, ohne eine Ahnung, was sie gerade eben getan hatte. Es wäre so einfach gewesen nur ein paar Worte der Entschuldigung zu rufen, doch sie hatte nicht einmal das geschafft.

Sie saß neben dem Feuer in der Dorfmitte von Arensfurt, sie hatte dafür gesorgt, dass es auch noch den Rest der Nacht brennen würde.

Quinn hatte sich überzeugen lassen, sich zum Schlafen wenigstens auf eine Decke zu legen, war danach jedoch sofort eingeschlafen. Wahrscheinlich musste er erst einmal darüber nachdenken, was in den letzten Stunden passiert war, sie hatte jede einzelne Möglichkeit bereits im Vorfeld in Gedanken durchgespielt.

Sie blickte neben sich, dort lag er, in die Decke eingerollt, beinahe friedlich, wäre nicht sein ab und zu schneller werdender Atem gewesen, wäre sie über seinen ruhigen Schlaf überrascht gewesen.

Seine Waffen hatte er neben sich abgelegt, das schwarz veredelte Metall glänzte im Schein des Feuers. Je länger sie mit ihm zusammen war, desto mehr Geheimnisse gab er preis, aus einem scheinbar unerschöpflichen Vorrat.

Angesichts der Lage im Dorf vermutete sie, dass er sein Ziel erreicht hatte. Bevor sie ihren Betrachtungen jedoch weiter nachgehen konnte, wurde sie von hinten leicht angetippt. Erschrocken fuhr sie herum, bis sie ein kleines Mädchen hinter sich erblickte.

Es hatte einen dicken Verband über die linke Schulter, blutige Schrammen an beiden Armen und an den Beinen.

„Wer bist du?“, fragte es, verständlicherweise ihr gegenüber noch etwas scheu.

„Ich bin Daria, eine Waldläuferin“, antwortete sie wahrheitsgemäß,

„Wie geht es dir?“

„Mein Kopf tut ganz doll weh!“, klagte das Mädchen.

„Wo ist meine Mutter?“

Sie stand etwas schwerfällig auf und nahm das Mädchen an die Hand.

„Wahrscheinlich geht es ihr ziemlich schlecht, deswegen schläft sie gerade. Wie heißt du denn?“

Mit diesen Worten ging sie hinüber zu den Verletzten, die nach wie vor entweder schlafend, bewusstlos oder in irgendeinem Zustand dazwischen auf der kalten Erde lagen.

„Meine Mama hat gesagt, ich soll Fremden nicht meinen Namen sagen. „

Sie lächelte, das erinnerte sie an ihre Kindheit.

Damals war ihr auch verboten worden, Fremden einfach so ihren Namen zu verraten. „Sonst kommen sie dich in der Nacht holen“, hatte man ihr immer gesagt.

„Sieh mal, hier müsste deine Mutter sich schlafen gelegt haben“, sagte sie schließlich zu dem Mädchen gewandt,

„Falls du sie findest kannst du dich zu ihr legen, aber sie wird im Moment nicht aufwachen. „

Langsam gingen sie an den Dorfbewohnern vorbei, die vom Feuer nur sehr spärlich oder überhaupt nicht beleuchtet wurden, sodass die Suche nach jemand Bestimmten beinahe aussichtslos erschien.

Aber kleine Kinder haben für ihre Eltern eine Art sechsten Sinn, so auch dieses Mädchen.

Auf einmal riss es sich von ihrer Hand los und rannte einige Meter durch die Dunkelheit, durch ihre kurzen Beine wäre sie beinahe hingefallen.

„Mama!“, hörte es Daria rufen.

„Sie kann dich im Moment nicht hören“, sagte sie beruhigend in die Leere hinein, in die Richtung, in der sie das Mädchen vermutete.

„Bleib bei ihr, morgen früh sieht alles schon viel besser aus. „

Mit diesen Worten ging sie wieder zum Feuer zurück und setzte sich. Das Kind war demnach als erstes aus seinem Delirium erwacht, das ließ hoffen, dass mit der Zeit auch die Anderen wieder zu den Lebenden zurückkehrten. Quinn hatte gute Arbeit geleistet, die meisten Dorfbewohner waren medizinisch versorgt worden, bis er zusammengebrochen war und dabei fast von dem Mann getötet.

War er auch einer der Dorfbewohner? Er hatte keine Verletzungen gehabt.

*****

Die Sonne war schon beinahe vollständig zu sehen, als sie die Augen aufschlug. Sie war wohl irgendwann am Feuer eingenickt, nur noch eine schwache Glut war von diesem vorhanden. Sie drehte sich ein wenig, um nach Quinn zu sehen, doch an seiner Stelle lag nur noch eine ordentlich zusammengelegte Decke. Er hatte gestern Nacht nichts mehr gesagt, nachdem sie sich zu ihm gekniet hatte, sondern hatte sich nur noch erschöpft in die Decke gerollt.

Sie hatte ihn verstanden, aber er hatte ihr Liebesbekenntnis einfach im leeren Raum stehen gelassen. Er hatte nicht einmal mit der Augenbraue gezuckt, sondern war direkt eingeschlafen, als sie ihm eine Decke gegeben hatte.

„Guten Morgen!“

Seine fröhliche Stimme war hinter ihr, so drehte sie sich immer noch liegend auf die andere Seite und richtete sich ein wenig auf.

„Morgen“, antworte sie,

„Wie geht es dem Dorf?“

„Ein paar sind schon wieder auf den Beinen und kümmern sich um die, die es noch nicht sind.

Dabei kniete er sich zu ihr und gab ihr völlig unvorbereitet einen kurzen Kuss.

„Ich glaube, das habe ich gestern vergessen…“, sagte er etwas verlegen,

„Irgendwie wusste ich nicht, was ich von dem Ganzen halten sollte. Ich habe Geister gehen, wo nie welche waren. „

Seine Worte waren Balsam in ihrer Seele, er konnte es immer noch. Egal was sie sagte, er erkannte, was sie im Moment brauchte, ohne Worte.

Nur manchmal, wenn sie sich vor ihm zu sehr verschlossen hielt und die falschen Worte für etwas Falsches gebrauchte, war letztendlich sie es, die sich diese Glücksmomente verweigerte.

Manchmal brauchte es eine kräftige Warnung, um sich wieder über sich selbst klar zu werden, diese hier wäre jedoch beinahe ein Ende gewesen. Sie streckte die Arme nach ihm aus, zog ihn zu sich auf den Boden und gab ihm einen intensiven Kuss, der für immer ihre Zusammengehörigkeit besiegeln sollte.

Beinahe automatisch begann sie, vorsichtig über seinen Rücken zu streicheln, bis zum unteren Ende seines Gewands. Sie sehnte sich nach seiner Nähe, nachdem er so weit von ihr entfernt gewesen war. Jetzt.
Er erkannte ihre Absicht und löste sich ein wenig von ihr.

„Ich glaube, das ist mitten auf dem Dorfplatz keine gute Idee…“

Sein Lächeln entschädigte sie beinahe vollständig, aber ihre Sehnsucht blieb. Sie hatte lange Zeit beinahe in klerikaler Keuschheit gelebt, wenn man von einigen schwachen Momenten, in denen sie allein gewesen war, absah.

Nun jedoch, nachdem die Erinnerung an die Schönheit der körperlichen Vereinigung nach Vorbild von Mutter Natur noch frisch war, dürstete sie danach wie ein Verdurstender nach Wasser.

Quinn stand auf und klopfte sich den Dreck aus einem Gewand.

„Ich sehe noch einmal nach den Verletzten. „

Er machte einen Schritt von ihr weg, drehte ich dann jedoch noch einmal um:

„Ich glaube, dass wir nach all dem was hier passiert ist in der Taverne ein Zimmer bekommen.

Einen Moment wirst du jedoch noch warten müssen, bevor wir alleine sind. “

Damit ging er endgültig, um sich seiner Aufgabe zu widmen.

Sie blieb noch eine Minute liegen, um ihre Muskeln zu entspannen. Im Gegensatz zu Quinn hatte sie keine Decke gehabt und entsprechend fühlte sie sich im Moment, aber das würde sich hoffentlich wieder von selbst erledigen. Es war nicht das erste Mal, dass sie auf hartem Boden übernachtete hatte, bisher hatte sie es auch ohne erkennbare Schäden überstanden.

Schließlich stand auch sie auf, um sich im Hellen ein Bild von der Lage zu machen. Erstaunlich viele Dorfbewohner standen bereits schon wieder oder waren jedenfalls erkennbar wach. Soweit sie es erkennen konnte, gab es nur noch ein paar wenige, die definitiv noch bewusstlos waren. Sie ging zu einem jungen Mann, der von ihr aus gesehen am nächsten war: Einer derjenigen, die noch nicht aufgewacht waren. Beinahe aus Gewohnheit fühlte sie nach seinen Puls, doch sie fand ihn nicht.

Er würde nicht mehr aufwachen.

„Mama, Mama. Das ist die Frau, die mir heute Nacht geholfen hat!“

Sie blickte auf und sah das kleine Mädchen aus der Nacht auf sich zu rennen, diesmal zog es ihre noch ziemlich erschöpft wirkende Mutter mit sich, welche ihr dennoch freundlich die Hand entgegen streckte.

„Danke, dass sie auf meine Tochter aufgepasst haben. Sie kann manchmal ganz schön aufdringlich sein.

Ich bin Vahya. „

„Daria“, stellte sie sich vor, als sie die Hand schüttelte. Wenigstens dieses Leben war verschont worden.

„Ihr Mann ist definitiv ein Held, er hat uns mehr geholfen, als sie es sich vorstellen können. „

Sie lächelte ob der Tatsache, dass Vahya Quinn für ihren Ehemann gehalten hatte. Es war vollkommen ungewohnt für sie, man hatte sie noch nie als eine verheiratete Frau angesehen.

Es fühlte sich aber ausgesprochen gut an.

„Das müssen sie ihm schon selbst sagen“, gab sie immer noch lächelnd zurück,

„Quinn ist nicht mein Mann. Aber ein Held, damit haben sie vielleicht mehr Recht, als sie glauben. „

„Oh, Entschuldigung. Ich dachte nur, weil sie beide…“

„Das Leben hat viel Gesichter“, antwortete sie vielsagend. So freundlich Vahya auch war, es war nicht notwendig, ihr bis ins Kleinste zu erläutern, in welchem Verhältnis sie und Quinn zueinander standen.

Im Grunde genommen wusste sie es selbst noch nicht einmal so genau.

„Dann will ich sie nicht weiter von der Arbeit abhalten“, sagte Vahya schließlich und zu ihrer Tochter gewandt:

„Sag Daria Auf Wiedesehen, Cylia. „

„Auf Wiedersehen, Daria!“, rief ihr die Kleine schon im Wegrennen zu und verschwand hinter einem der Häuser.

„Kinder sind etwas ganz Besonderes, oder?“

Ohne, dass sie es gemerkt hatte, war Quinn hinter ihr aufgetaucht und hatte beide Arme um ihre Taille gelegt.

„Ja… Es ist wunderschön in ihre unschuldigen Gesichter zu sehen, ihrem Lachen zuzuhören, wenn sie mit ihren Freunden spielen. Sie erinnern mich immer wieder daran, dass das Leben etwas unschätzbar Wertvolles ist. „

Sie genoss es, seine Wärme spüren zu können, wie hatte sie allein dieses Gefühl aufs Spiel setzten können?

„Fast alle haben überlebt, du hast außerordentliche Arbeit geleistet. Hast du den Magier bekommen?“

Sie spürte, wie er sich an sie drückte, kuschelte sich beinahe in seine Arme.

Er war ihr Retter und Beschützer, niemals wieder würde sie ihn gehen lassen.

„Nein, Raqash ist wieder entkommen“, antwortete er mit plötzlicher Bitterkeit in der Stimme,

„Aber er wurde offensichtlich unterbrochen. Lass uns ihn fürs Erste vergessen, in Ordnung?“

Sie nickte leicht zu Bestätigung, auch sie wollte ihn nicht wieder darauf ansprechen. Deshalb hatte sie sich vergewissern wollen, dass der Paktmagier für immer unter der Erde lag, musste nun jedoch erfahren, dass dem nicht so war.

Sie wusste, dass Quinn ihn wieder mit allen Mitteln versuchen würde aufzuhalten, sollten sie wieder von seinem Zeichen hören oder es sehen. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass Raqash sich außerhalb ihrer Reichweite herumtreiben würde.

In der letzten Zeit war viel zu viel passiert, als dass sie sich auch noch mit einem außer Kontrolle geratenem Magier beschäftigen wollte. Eigentlich wollte sie nichts weiter, als in Quinns Nähe zu sein, aber sie hatte das Gefühl, dass die Zukunft für sie beide noch eine Menge bereithielt, viele schöne Momente aber auch mindestens so viele Prüfungen.

Nicht alle würden sich innerhalb eines einzigen Tages wieder erledigen.

Irgendwoher spürte sie, dass schon sehr bald etwas viel Gewaltigeres bevorstand, als sie sich im Moment vorstellen konnte. Sie hatte einmal davon gehört, dass es Auserwählte gibt, die einen Eindruck von der Zukunft in Form von Visionen haben. Hatte sie im Grunde genommen nur Angst, oder stand wirklich etwas Großes bevor? Etwas so Wichtiges, dass sie es spüren konnte? Letztendlich blieb die Zukunft ein Mysterium, das sich erst dann löste, wenn es zur Gegenwart wurde.

*****

Der Tag war anstrengender gewesen, als er erwartet hatte. Obwohl beinahe alle den Überfall überlebt hatten, waren die meisten nach wie vor noch etwas wackelig auf den Beinen, klagten über starke Kopfschmerzen oder fühlten sich im Allgemeinen elend. Seine einzige Zeit zum Ausruhen waren hier und dort ein paar Minuten mit Daria alleine gewesen, die ihm zwar nach Kräften geholfen hatte, aber natürlich längst nicht so eine gute Ausbildung in Heilkunde erlangt hatte.

Es hatte mehrere Stunden gedauert, bis er herausgefunden hatte, dass die meisten mit Pulverstaub betäubt wurden, welcher sich in der Luft verteilt hatte. Atmete man zu viel davon ein, fiel man zuerst in eine Art Rauschzustand, bevor man für die nächsten sechs bis zwölf Stunden völlig bewusstlos wurde. Das Pulver bestand aus den Sporen einer bestimmten Pilzart, welche mit dem Blütenstaub des sogenannten Todeskelchs vermischt werden. Beides war nicht überaus schwer zu bekommen, da sogar der Staub selbst in etwas anderer Mischung als Droge in den Städten verkauft wird.

Mit ein wenig Geduld und der richtigen Ausrüstung entstand daraus ebenjenes Pulver.

Der Vorteil war nicht nur eine relativ kurze Zeit, bis zum Eintreten der Wirkung, sondern auch die Schwierigkeit, diese wieder zu neutralisieren. Es handelte sich theoretisch um ein simples Nervengift, welches jedoch aufgrund der Tatsache, dass es zwar bei fast allen Menschen, aber keiner Tierart Wirkung zeigte, noch nicht sehr weit erforscht war. Mehr als die üblichen Behandlungsmethoden für die Symptome konnte er nicht tun und dies war als quasi einziger Heilkundiger für ein ganzes Dorf entsprechend anstrengend.

Der Wirt hatte ihnen freundlicherweise sein einziges Gästezimmer überlassen und sich noch mehrmals für die äußerst simple Einrichtung entschuldigt, aber er hatte ihm wahrheitsgemäß gesagt, dass ihnen das Bett vollkommen ausreichen würde. Es war bereits mehr, als sie in den letzten Tagen gehabt hatten. Mit einem vielsagenden Lächeln hatte er schließlich genickt und sie alleine gelassen.

Nun hatte er endlich ein wenig Ruhe, er saß auf der Bettkante und wartete auf Daria, die ihre Sachen zum Zimmer trug.

Er hatte ihr helfen wollen, aber sie hatte ihm die klare Anweisung gegeben, hier sitzen zu bleiben. Dieser war er schließlich gefolgt und nun saß er hier. Dafür, dass sie nur die beiden Rucksäcke und eine Decke herholen wollte, brauchte sie ein wenig zu lange, aber was sollte schon passiert sein? Wahrscheinlich redete sie noch kurz mit einem der Dorfbewohner, die sie beide schon beinahe mit in ihre kleine Gemeinde aufgenommen hatten.

Fünf Minuten später war sie immer noch nicht da, langsam begann er sich wirklich zu fragen, was sie aufgehalten hatte.

Er wollte schon aufstehen und nach ihr sehen, ließ sich dann jedoch wieder zurücksinken. Sie hatten sich gegenseitig versprochen, dem anderen zu vertrauen, egal was passierte. Sie waren sich einig gewesen, dass sie sich wegen Nebensächlichkeiten, wie gestern, als sie das Zeichen entdeckt hatte, nicht mehr auseinander bringen lassen würden, die gemeinsame Zeit war viel zu wertvoll, um sie mit derartigen Dingen zu verschwenden.

Es wurde immer schwerer, die Augen noch offen zu halten, obwohl er noch nicht einmal etwas zu Abend gegessen hatte.

Trotzdem, noch wollte er nicht schlafen, nachdem er quasi den ganzen Tag darauf gewartet hatte, endlich ein wenig Zeit mit Daria verbringen zu können, die nicht daraus bestand, einen Kranken zu versorgen. Es war eine gute Aufgabe, ohne Frage, aber sie hatten es vermieden, mehr als ab und zu einen kurzen Kuss in vermeintlich unbeobachteten Momenten auszutauschen, er wollte nicht, dass Dorfbewohner anfingen sich zu fragen, was ein Heiler in Kriegsausrüstung und eine Waldläuferin zusammengeführt hatte.

Es hätte nur zu Misstrauen geführt.

Schlagartig wurde er wieder hellwach, als er vor der Tür Schritte hörte. Langsam senkte sich die Klinke der schweren Holztür, bis im Türrahmen als erstes zwei vollgepackte Rucksäcke erschienen, über die ihre Decke gelegt war.

„Mach die Augen zu“, hörte er Darias zuckersüße Stimme, deren Tonfall ihn mehr als nur ein wenig irritierte.

Er hatte ihr geschworen, ihr zu vertrauen und hatte nun eine scheinbare Ewigkeit auf sie gewartet, also leistete er ihrer Aufforderung Folge.

Er hörte, wie sie die schweren Rucksäcke in einer Ecke abstellte, die Decke herunternahm und scheinbar zusammengelegt wieder darauf. Er hörte das Knarren der Holztür und ein leises Quietschen der Klinke, offensichtlich hatte sie die Tür geschlossen. Beinahe vorsichtig schien sie zu ihm zu gehen, ihre Schritte waren leise und behutsam. Immer noch hielt er seine Augen geschlossen, darauf wartend, was sie vorhatte.

Schließlich blieb sie stehen, soweit er das beurteilen konnte in etwa vor ihm.

Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, bevor er jedoch reagieren konnte, entzog sie sich ihm wieder. Leises Rascheln von Kleidung war zu hören, dann merkte er, wie sie scheinbar einen Schritt zurück trat, sodass sie nun in etwa eine Handbreit von der Wand entfernt stand. Auch wenn er es nicht sehen konnte, fühlte er, dass sie lächelte, was ihn automatisch dazu brachte, ebenfalls zu lächeln.

„Nun darfst du die Augen aufmachen“, hörte er wieder ihre zuckersüße Stimme.

Nach wie vor war sie ein Stück zu weich, als dass er es als bloße Erlaubnis auffassen konnte. Sie hatte etwas Bestimmtes vor, ohne Frage. So kannte er sie nicht.

Den Moment, als er die Augen öffnete hätte er am liebsten für immer behalten, als Bild für die Ewigkeit. Für Zeiten, in denen er kein Licht mehr sah, oder einfach, um das Schönste, was er in seinem Leben jemals gesehen hatte, immer wieder betrachten zu können.

Es gab nichts, mit dem man es hätte vergleichen können, weil jeder Vergleich das Gesamtbild zerstören würde, wie als würde man sein Lieblingsbild im Nebel betrachten.

Daria hatte es geschafft, innerhalb weniger Minuten etwas zu finden, wovor selbst die Götter neidisch werden würden: Sie hatte ihr waldgrünes Gewand und die Laufhosen abgelegt und gegen ein rotes Kleid ausgetauscht, welches jeder Hofschneider als sein Werk verkaufen könnte. Es fiel ihr gerade über die Knie, die von dem feinsäuberlich mit Meisterhand genähtem Stoff umspielt wurden.

Allein dies hatte sie dadurch betont, dass sie barfuß vor ihm stand und so der sich bei jedem noch so kleinem Luftzug wiegende Saum des Kleids ihre nackten Beine umspielte.

Es war so genäht, dass an ihrer Taille kleine Falten angelegt waren, die nach unten hin weiter wurden und so ein luftiges, verführerisches Bild erzeugten. Sie hatte das rechte Knie im Stehen leicht angewinkelt, sodass der rote Stoff leicht über ihr Knie strich und bei jeder Bewegung nur um Zentimeter nicht das Bein hochzurutschen schien.

Egal, wie sehr es ihren Anblick verändert hätte, so wie es im Moment war, würde er sie am liebsten nie mehr aus den Augen lassen.

Sie zeichnete das Bild von der schönsten Frau dieser Welt, wie sie verführerisch mit ihm spielte, sich ihrer Wirkung aufs Genauste bewusst. Es war eines dieser Bilder, die um ein vielfaches verführerischer wirkten, weil

Die Wirkung allein durch die eigene Vorstellungskraft erzeugt wurde.

Ihre Taille und die Beine wurden meisterlich betont, jedoch so, dass es der eigenen Fantasie überlassen war, was sich wirklich unter dem Kleid befand.

Nur langsam schaffte er es den Blick auch ein wenig höher gleiten zu lassen, bis sein Blick für einen Moment auf ihrer Brust zur Ruhe kam. Das Kleid war hier in einer Art sehr schmalen V ausgeschnitten, welches ihren Brüsten bis nach unten folgte, jedoch so geschickte platziert, dass man wieder einmal nur erahnen konnte, was sich unter dem Stoff befand.

Die Brüste wurden zwar so gut wie überhaupt nicht durch das Kleid gestützt, aber auch dies betonte nur, dass Daria dies nicht im Geringsten nötig hatte.

Die meisten Königskleider waren mit ausladendem Schmuck und Goldrändern ausgestattet, dieses hier hingegen, obwohl es die Ansprüche für eines dieser Kleider mehr als übertraf, bestand ausschließlich aus rotem Stoff, welcher wie der Sonnenaufgang leuchtete. Die Schultern waren beinahe schlicht bedeckt, es betonte aber Darias schmale, trainierte Gestalt außerordentlich gut.

Im Kontrast zu alldem standen ihre langen, pechschwarzen Haare, die ebenfalls nur einfach über die Schultern fielen und bis zum Ansatz ihrer Brust reichten. Wie immer schienen sie irgendwie zu glänzen, als wäre selbst dieses kleine Detail die Hauptsache. Er hatte sie noch nie in etwas anderem als ihren Laufhosen und dem grünen Gewand gesehen, alles andere wäre für den Weg einfach unpraktisch gewesen. Aber auch in der Taverne, als er sie kennen gelernt hatte, war sie bereits praktisch gekleidet gewesen.

Er musste aber zugeben, dass ein solches Kleid eigentlich an jedem Ort herausstechen würde, wie ein Engel am Himmel.

Passend zu seiner sich scheinbar stundenlang hinziehenden Betrachtung hatte sie ein schiefes Lächeln auf den Lippen, die Augen fast demütig niedergeschlagen. Wüsste er nicht, dass sie nicht ewig dort stehen bleiben würde, er hätte alles dafür getan.

„Ich hoffe, es gefällt dir?“

Ihre zuckersüße Stimme hatte sie abgelegt, ihre plötzlich wundervoll weiche und warme Stimme schien sich direkt den Weg zu seiner Seele zu suchen.

Als Antwort nickte er nur, alles andere wäre peinlich geworden. Langsam erhob er sich von der Bettkante, auf der er die ganze Zeit gesessen hatte und zog sie an sich zu einem unendlich scheinenden Kuss. Er hoffte, dass seine Umarmung dabei nicht zu fest war, doch er wollte ihre Schönheit so nah wie möglich an sich spüren. Er küsste nicht mehr die einsame Waldläuferin, sondern eine noch unbekannte Göttin, für die jeder Name der Welt nur eine Beleidigung wäre.

Es fühlte sich an, als wäre es dies sein erster Kuss. Sie schien viel zu wertvoll, viel zu kostbar, um einfach darauf zu vertrauen, dass sie ihn genauso liebte, wie er sie. Als ihre Münder sich trafen, wäre er beinahe wieder zurückgeschreckt, so weich und wundervoll waren ihre Lippen. Jeder einzelne Kuss mit ihr war stets etwas Besonderes gewesen, aber nun schien sie beinahe ein anderer Mensch zu sein.

Mit jedem ihrer Atemzüge spürte er, wie sich ihre Brust mit aller Gewalt an seine presste, jeder einzelne Pulsschlag von ihr war wundervoller als die schönste Musik.

Er spürte, wie ihre Zunge vorsichtig anzuklopfen schien, als müsste sie erst darum bitten, aufgenommen zu werden. Dennoch ein wenig zögerlich öffnete er die Lippen, bis sich ihre Zungenspitzen berührten.

Erst noch ein wenig scheu umspielten sie sich, wie ein wildes Tier, welches sich erst langsam an die neue Präsenz eines anderen gewöhnen muss. Es dauert lange, bis man ein solches Tier an sich gewöhnt hat, bis man ihm allein mit der Sprache der Taten und des Willens klargemacht hat, dass man ihm nichts Böses will.

Ähnlich war es bei ihnen, nur dass sie beide dem Reh glichen, welches sich erst an den neuen Freund gewöhnen muss.

Langsam wurden die Rehe zutraulicher, beschnupperten sich. Es war Daria, die das vorsichtige Beschnuppern beendete und nun Alles in ein aufregendes Spiel verwandelte. Es war aufregend, ihre Zunge bei sich spüren zu können, aufregend, sie schmecken zu können, aufregend, sich gegenseitig zu umkreisen, miteinander zu spielen wie Kinder. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sich all dies in nur einem einzigen Kuss abspielte, den sie dafür umso länger hielten.

Er umfasste sie mit dem linken Arm an der Taille und rückte sie noch ein wenig fester zu sich. Sie war keine unerreichbare Göttin oder eine vornehme Hofdame, sondern Daria, seine Geliebte, sie gehörte zu ihm. Niemand anderes konnte etwas derartig Schönes erleben, weil sie ihn ausgewählt hatte. Allein er war dazu bestimmt, ihre Vollkommenheit erleben zu dürfen, die Kraft ihres Feuers zu spüren. Er schien innerlich zu brennen, wie ein heißer Stern zu glühen, aber es war wunderschön, jene Form der Magie zu spüren, die man niemals alleine erlernen kann.

Nur Daria war dazu auserkoren, dieses Gefühl mit ihm zu teilen. Nur sie und er, niemand Anderes. Niemand.

Behutsam löste er den Kuss, es schien, als würde ein Stern am Himmel verglühen. Doch er würde wieder neu entstehen, solange sie bei ihm war. Egal was noch bevorstand, er würde ihr bis in den Tod folgen. Nicht sprichwörtlich, wie man es oft einfach dahin sagte, sondern wirklich. Würde sie ins Feuer gehen und verbrennen, würde sie im Wasser ertrinken würde er ihr folgen, nur um bei ihr sein zu können.

Bis in den Tod. Alles was danach kam, konnte er nicht mehr beeinflussen.

„Womit habe ich das verdient?“, fragte er noch ein wenig atemlos.

Er war seinen eigenen Rachegelüsten gefolgt, nicht sie. Für einen kurzen Moment hatte er sie verloren und hatte sich gefühlt, als würde ihm eine Hälfte seines Herzens herausgerissen werden. Nun war sie hier, als wäre nichts gewesen, überraschte ihn mit dem schönsten Kleid dieser Welt.

In seinem Kopf drehte sich alles, er war noch immer nicht in der Lage, all dies zu erfassen.

„Damit, dass du mir etwas gezeigt hast, das wertvoller ist, als alles Gold der Welt: Vertrauen und Liebe. Nicht die Art von Liebe, die man bei den leicht bekleideten Frauen in der Stadt bekommt, sondern die, die selbst einen Tiefpunkt übersteht. Die, die unerträgliche Schmerzen bereitet, wenn man glaubt, sie zu verlieren.

Die, die ich nur mit einem einzigen Menschen jemals erleben werde.

Ich kann nicht genug tun, um allein das Geschenk deiner Liebe zurückzugeben, damit hast du das verdient. „

„Du gibst mir bereits mehr als genug. „

Zur Bekräftigung gab er ihr einen weiteren Kuss, den sie bereitwillig erwiderte. Vor wenigen Tagen hatte er sie kennengelernt, sie hatten sich geliebt, waren beinahe wieder getrennt worden und nun wieder zusammen.

Jeder einzelne Tag mit ihr erzählte eine längere und schönere Geschichte als die vorherigen Jahre seines Lebens zusammen. Er würde sie niemals ganz erzählen können, weil sie sich schneller entwickelte und veränderte, als irgendjemand außer Daria es hätte bestehen können. Das Buch des Lebens kannte keine Pause, nun wurde es zu ihrem gemeinsamen Buch.

Er spürte, wie sie während des Kusses langsam über seinen Rücken strich und dabei zielgerichtet auf das untere Ende seines Gewandes zusteuerte.

Er wusste, was sie wollte, viel zu lange hatten sie schon nicht mehr beieinander gelegen. Seit dem Morgen, an dem sie ihre Liebe zueinander endlich gefunden hatten, hatte sich irgendwie nie der richtige Moment gefunden.
Sollten sie jetzt schon diesen Moment zerstören? Ihr Kleid war wunderschön, eigentlich würde er diese Sekunden bis zum nächsten Morgen ausdehnen, nur um einfach ihre Nähe genießen zu können. Sein Kuss wurde als Antwort schließlich noch eine Spur intensiver, auch er wollte sie spüren.

Er würde ihr jeden Wunsch erfüllen, einfach weil sie es war. Sie würde ihn auf jede beliebige Weise fliegen lassen, er würde sich ihr hingeben.

Ihre Augen glänzten, als sie das untere Ende seines Gewands erreicht hatte, sie suchte seinen Blick und fand ihn, wie er sie beinahe verklärt betrachtete. Sie beendete den Kuss schließlich, ein wenig unwillig ließ er es zu. Ihr wunderbares Lächeln entschädigte ihn jedoch um ein Vielfaches, wieder einmal.

Egal wie oft er darauf aufmerksam wurde, mit jedem Mal schien es noch eine Spur schöner zu werden, als müsste sie ihn noch überzeugen.

Sie ging ein wenig in die Knie und hob sein Gewand an, jedoch nur so weit, dass es gerade über seiner Hose endete. Eine Fingerbreit nackte Haut war nun ohne Kleidung, dort setzte sie mit ihrem ersten Kuss an. Sie gab jeder Seite seiner Bauchmuskeln einen vorsichtigen Kuss, hob sein Gewand schließlich ein paar Zentimeter höher, um mit derselben Methode etwas weiter oben fortfahren zu können.

Dies wiederholte sie solange, bis sie an seiner Brust angekommen war, dort hielt er es nicht mehr aus und zog sich selbst das Gewand über den Kopf und ließ es beinahe achtlos neben sich fallen. Bevor er jedoch selbst etwas tun konnte, fuhr sie mit der Zungenspitze beinahe aufreizend um seine Brustwarzen, erst links, dann rechts. Wie als ob sie ihr Werk vollenden wollte strich sie schließlich mit ihren flachen Händen von seiner Schulter über seine Brust bis nach unten zum Ansatz seiner Hose.

Dann küsste sie ihn wieder, unglaublich intensiv und verlangend. Sie wollte ihn, jetzt. Er genoss ihre weichen Lippen, alles schien wie in einem Traum. Er schmeckte ihre Lust, als ihre Zungen wieder anfingen zu tanzen, einen kleinen Ringkampf unter sich austrugen. Es gab keinen Gewinner, es würde nie einen geben, aber er sog ihren Geschmack beinahe ein.

Sie war ein berauschendes Mittel, eine Droge, die ihn ebenfalls erregte.

Sein Glied wurde in seiner Hose spürbar eingeengt, doch er würde dafür unter keinen Umständen den Kuss beenden. Sie hatte bereits genug getan, nun war er am Zug. Würde er nun ihren kleinen Kampf unterbrechen, sie würde ohne Frage weiter gehen. Sie würde weiter gehen, als er im Moment aushalten würde, also hielt er den Kuss aufrecht.

Zärtlich strich er über ihren Kopf, als wäre er ein kostbares Juwel. Seine Hand fuhr über ihren Haaransatz bis hinunter zu den Spitzen, wieder über ihren Kopf und erneut durch ihre Haare.

Ein Teil davon fiel nach vorne und endete kurz vor ihrem Brustansatz, diesem folgte er und stoppte am Ende der Haarspitzen. Vorsichtig strich er seitlich über ihre Brüste, sodass sie durch das Kleid nicht mehr spürte, als die bloße Anwesenheit seine Hände.

Er fuhr hinunter bis zu ihrer Taille, wo er ein wenig verweilte und sie zu sich zog. Ihr Becken berührte seines, sie musste seine Erregung nun spüren. Hinter ihrem Rücken verschloss er seine Hände und hielt diese Position für einige Sekunden, bis sie sich beinahe ungeduldig ein wenig an ihm rieb.

Daraufhin drückte er sie wieder ein wenig von sich weg, noch war es dazu zu früh.

Seine Hände wanderten über ihren Rücken nach oben und blieben schließlich auf ihren Schultern liegen. Die Fingerspitzen strichen einige Zentimeter über ihren Hals nach oben, drehten danach jedoch sofort wieder um. Wieder ließ er seine Hände einen Moment lang ruhen, als würde er auf etwas warten. Letztendlich tat er das auch, er wartete darauf, dass ihre Erwartung genauso anstieg wie seine.

Lächelnd löste er den Kuss, als sie ihre Hände hinter seinem Rücken löste und sie auffordernd auf seine legte. Nur das hatte er erreichen wollen. Er hatte gewollt, dass sie ihn aufforderte, ihr das Kleid auszuziehen, er wusste, dass sie die dauerhafte, nicht erfüllte Erwartung erregte. Ein kurzer Blick in ihre Augen verriet, dass er richtig gelegen hatte. Sie flehte ihn beinahe an, sie endlich von ihrer Kleidung zu befreien, ihre Wimpern zuckten erwartungsvoll.

Zufrieden kam er ihrer Bitte nach und strich vorsichtig das Kleid seitlich von ihren Schultern. Bevor es aber fallen konnte, hielt er es noch einen Moment fest, um ihren Blick noch ein wenig länger genießen zu können. Mit der rechten Hand löste er vorsichtig das Band an ihrem Rücken, welches das Kleid in Formgehalten hatte und ließ es schließlich zu Boden fallen.

Zu seiner Überraschung stand sie nun vollkommen nackt vor ihm, sie hatte unter dem Kleid nichts angehabt.

Nur ihre eigene Schönheit, die ihm wieder einmal beinahe den Atem raubte. Mit dem immerwährenden Lächeln auf den Lippen stieg sie aus dem Kleid, welches ihre Füße bedeckt hatte und zog ihn an einer Hand zum Bett, welches passenderweise genau in der Mitte des Raumes stand.

Bereitwillig ließ er sich von ihr führen, sodass er keine andere Wahl hatte, als sich neben sie zu legen. Ihren Lippen trafen sich erneut, als er sie umarmte drückte sich nun jedoch ihre nackte Brust gegen seine.

Vorsichtig streichelte er seitlich ihre Brust, soweit es die enge Position erlaubte. Sie rückte ein Stück von ihm weg, um seinen Händen Platz zu machen, ohne dabei jedoch den Kuss zu unterbrechen.

Er würde sich nie daran gewöhnen, mit seinen Händen über ihre Brust zu fahren, die weiche Haut unter seinen Fingern spüren zu können und die steifen Brustwarzen, die sich ihm erwartungsvoll entgegen reckten. Ihr Puls ging rasend schnell, sodass er beinahe um ihre Gesundheit fürchtete.

Was das betraf, kannte er sie mittlerweile jedoch gut genug, um sich keine Sorgen zu machen und mit seinen leichten Streicheleinheiten fortzufahren.

Mit der linken Hand umfuhr er ihre linke Brust, während er mit der rechten sanft über die rubinroten Erhebungen strich. Jede etwas schnellere Bewegung kommentierte sie mit einem kaum hörbaren Stöhnen, unterdrückt durch die ununterbrochen auf seine gepressten Lippen, die der Zunge genug Platz ließen, um Freude und Zustimmung zeigen zu können.

Er wechselte zu ihrer rechten Brust, bei der er sein Spiel wiederholte. Langsam wurde er etwas kräftiger, bevor er mit jeder Hand eine Brust umfasste. Beinahe perfekt schmiegten sie sich darum, obwohl er sie gerade nicht ganz umfassen konnte. Gespannt, ob ihr dies gefallen würde begann er vorsichtig damit, ihre Brüste ein wenig zu kneten, so leicht, dass es einer sanften Massage gleichkam.

Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen, die letzten Sonnenstrahlen, die durch das einzige Fenster im Raum fielen, schienen sich darin zu spiegeln und ihre Augen förmlich glühen zu lassen.

Den Kuss hatte sie nun unterbrochen, er hörte nun ein deutlich lauteres, wenn auch noch leicht unterdrücktes Stöhnen ihrerseits. Er zog sie wieder dicht zu einer Umarmung an sich, gab ihr einen kurzen Kuss, um dann mit seinen Lippen ihren Hals hinab zu wandern.

Wie aus einem Reflex, der bei Tieren manchmal auftritt, überstreckte sie ihren Hals und gab sich ihm so völlig schutzlos hin. Er setze einen Kuss genau auf ihren Kehlkopf, dann noch einen wenige Zentimeter tiefer und noch einen.

Wieder küsste er sie kurz auf dem Mund, fuhr dann jedoch dort fort, wo er aufgehört hatte. Um sie besser erreichen zu können, beendete er nun wieder seine Umarmung.

Kurz darauf war er an ihrem Brustansatz angekommen, beinahe perfektionistisch setzte er einen letzten kurzen Kuss genau zwischen ihre Brüste. Sie schmeckte himmlisch, er schmeckte ihre Lust in den kleinen Schweißperlen, die sich an ihr gebildet hatte und die er gierig aufnahm.

Mit seiner Zunge zog er eine heiße Spur um ihre linke Brustwarze, dann um ihre rechte.

Sie stöhnte etwas, er konnte nicht verstehen was. Er war sich aber sicher, dass sie ihn anflehte, ihr endlich Erlösung zu schenken, er wusste, wie unendlich lange sich jede einzelne Sekunde für sie hinzog.

„Für mich ist es genauso schwer wie für dich, aber unendlich schön“, hauchte er ihr leise zu, ließ sich dann aber doch dazu hinreißen, einen Ausflug nach unten zu machen.

Seine Worte waren die reine Wahrheit gewesen, er brauchte jede einzelne Perle der Lust, die er auf ihrem Körper fand. Das Pochen in seinem Glied war beinahe schmerzhaft, allein ihr leises Stöhnen, das heftige Herzklopfen und die kleinen Schweißperlen auf ihrem Körper ließen ihn dies vergessen. Alles an ihr war magisch, deshalb konnte er warten.

Er hatte jedoch ein Einsehen mit ihr und streichelte mit seinen Händen in Richtung ihres Venushügels.

Lächelnd bemerkte er, dass sich ihre linke Hand bereits dort befand, er konnte förmlich spüren, wie kurz sie davor stand, sich selbst zu erlösen. Sanft drückte er sie zur Seite, was sie mit deutlich hörbaren Murren kommentierte.

Behutsam streichelte er über ihre Spalte, drückte sanft ein wenig ihre Beine auseinander, um sie ein klein wenig zu öffnen. Er erschrak beinahe, als sie sich ruckartig auf den Rücken rollte, nun hatte sie jedoch ihre Beine weit gespreizt, sodass ihre Spalte etwas auseinanderklaffte.

Sie war triefend nass, weshalb er mit seinen Fingerspitzen bereits nach einmaligem Darüberstreichen ein kleines Stück in sie eindrang.

Verzweifelt streckte sie sich ihm ein wenig entgegen, woraufhin er seine Hand sofort wieder zurückzog. So intensiv und lustvoll ihr Geruch auch war, er würde auf diese Weise nicht mehr lange durchhalten, bevor er sich, für sie viel zu schnell, selbst dem Höhepunkt entgegentreiben würde. Er wollte ihn mit ihr zusammen erleben, so nah bei ihr, wie nur möglich.

Er richtete sich kurz auf und zog sich endlich die Hose aus, das Einzige, das ihn die ganze Zeit noch zurückgehalten hatte. Es war befreiend, nicht mehr so eingeengt zu sein, aber musste sich selbst eindringlich einreden, dass sie sich immer noch am Anfang und nicht kurz vor dem Ende befanden. Als er ihr in die Augen sehen wollte, hatte sie sie geschlossen, mit ihrer linken Hand massierte sie sich leicht die Brüste.

Er setzte sich zwischen ihre geöffneten Beine und beugte sich zu ihr nach vorne, ihre Hand dabei vorsichtig an die Seite legend. Sie wusste trotz der geschlossenen Augen scheinbar genau, wo er war, denn bevor er sich weiter vorbeugen konnte, zog sie seinen Kopf zu sich, strich ihm sanft durch die Haare und gab ihm einen Kuss. Irgendwie schaffte sie es, dass er sich völlig entspannte und so mit seinem gesamten Körper auf ihr zum Liegen kam.

Zwischen ihnen war nichts weiter außer einer dünnen Schweißschicht. Um sein Gewicht auf ihr zu reduzieren, rollte sie sich auf die Seite, ihn dabei mit beiden Armen jedoch fest an sich haltend, sodass er sich kaum bewegen konnte, selbst wenn er gewollt hätte. Ihr Kuss war verlangend, beinahe stürmisch. Selbst wenn ein Blitz im Zimmer einschlagen würde, sie würde sich nicht mehr unterbrechen lassen.

Er war beinahe überrascht, als er ihre linke Hand spürte, die zielstrebig über sein Becken strich und schließlich zwischen ihren Körpern verschwand, ihn weiter streichelte, bis sie an seinem Glied angekommen war.

Mit dem Zeigefinger strich sie vorsichtig den Schaft nach oben und wieder hinunter, blieb dann einen Moment ruhig, bis sie dieselbe Prozedur mit vier Fingern wiederholte.

Sie rückte ein Stück von ihm weg, sodass seine Spitze nun kurz vor ihrer Pforte schwebte. Ihm entfuhr ein deutliches Stöhnen, als sie seinen Schaft bestimmt mit der Hand umfasste und ihn direkt vor ihrem Eingang platzierte. Den Kuss hatte sie mittlerweile wieder beendet und legte dafür nun ein zuckersüßes Lächeln auf.

Als wollte sie ihm sagen, dass er nun dieselben Qualen beim Warten erleiden müsse wie sie.

Sie kam mit ihrem Becken wieder so weit auf ihn zu, dass seine Spitze geradeso ihre Spalte berührte. Ohne etwas zu sehen fühlte er nun deutlich, dass diese nicht mehr nur nass war, sondern ein ganz dünnes Rinnsal bereits über seine Spitze hinunterlief.

Wie gerne hätte er ihren Nektar getrunken, sich an ihrer Quelle bedient und ihr einen wundervollen Höhepunkt beschert.

Doch diese Möglichkeit nahm sie sich bewusst selbst. Sie wollte ebenso wie er, dass sie gemeinsam ihren Höhepunkt erlebten und sie war nun die Führerin. Er vertraute ihr Alles an, er war sich sicher, dass sie vielleicht besser als er wusste, was ihm gefallen würde.

Als ob sie seine Gedanken erhört hatte, bewegte sie nun vorsichtig ihre Hand an seinem Schaft, sodass seine Eichel sanft über ihre Spalte strich und dabei gerade so weit in sie eindrang, dass er ihren Kitzler berührte, während sie nach oben strich.

Es war ein Gefühl, welches er kaum beschreiben konnte. Etwas überflutete ihn, erreichte jede einzelne Faser seines Körpers und hinterließ ein warmes Gefühl der Nähe.

Am ehesten würde er es wohl damit vergleichen, wenn man mit einem großen Schritt unter einen Wasserfall tritt, kein hoher, sondern nur einer, an dem man genug Platz zum Stehen hat. Das Wasser trifft den Körper mit einem Mal, peitscht über die Schultern, die Arme und die Brust, weiter hinunter über das Becken, über die Beine, bis es schließlich an den Füßen ankommt.

All dies passiert innerhalb des Bruchteil einer Sekunde, alles wird beinahe mit einem Mal überflutet, die Wucht raubt einem fast den Atem und doch tut man es immer wieder um genau dies noch einmal fühlen zu können.

Zum Glück wiederholte sie diese Prozedur nicht allzu häufig, auch sie begann immer heftiger zu atmen, wie ihm erst jetzt bewusst wurde. Er hatte nicht auf die Zeit geachtete und auch nicht gezählt, wie oft er nur ganz oberflächlich durch ihre Spalte gefahren war, aber es konnte nicht allzu lange gewesen sein.

Andernfalls wäre er nun bereits im Himmel und würde seinen eigenen Saft über sie verteilen.

Ihre Hand hielt unverändert seinen Schaft umschlossen, nun hielt sie ihn etwas fester und rückte langsam an ihn heran, wobei seine Eichel beinahe zeitlupenartig in sie eindrang. Er spürte, wie ihre Säfte an ihm herabliefen, wie weit ihre eigene Erregung schon fortgeschritten war. Er konnte es nicht genau einschätzen, aber er vermutete, dass sie mindestens so kurz vor dem Höhepunkt war wie er.

Je weiter sie kam, desto umfassender und bestimmender wurde das Gefühl, ihr endlich ganz nahe sein zu können, nicht nur beinander, sondern vereinigt. Als ein einziges Wesen, welches gemeinsam agierte und sich bewegte, als eine untrennbare Einheit, welche nur sich selbst diente: Ihrer eigenen Erlösung, dem Gipfel der Lust, welchen sie nun nur noch gemeinsam erklimmen würden.

Er hätte nicht sagen können, wie oder woher sie die Selbstverständlichkeit nahmen, aber irgendwie fanden sie ohne die kleinste Andeutung einen perfekten gemeinsamen Rhythmus.

Aufgrund ihrer Position war es nicht möglich, sich viel zu bewegen, aber einige Zentimeter, die er in ihr vorsichtig hin und zurück glitt waren bereits mehr als genug, um sie beide förmlich fliegen zu lassen.

Für ihn war es, als würde er durch die Wolken fliegen, völlig frei und unbeschwert und er war sich sicher, dass es Daria ähnlich ging. Vielleicht war auch dies der wahre Grund: Egal wie allumfassend Darias Verwöhnung war, es fühlte sich deshalb so gut an, weil er wusste, dass es ihr ebenso gefiel.

Wäre er sich auch nur nicht zweifelsfrei sicher, dass sie sich nicht mindestens genauso frei fühlte wie er, er würde höchstwahrscheinlich überhaupt nichts fühlen.

Irgendwann hatten sie ihre Position geändert, sodass er nun direkt über ihr lag. Das gab ihm die Möglichkeit, sich jeweils so weit zurückzuziehen, dass nur noch seine Spitze in ihr verblieb, bis er wieder vollkommen von ihr umschlossen wurde, bis ihre Schamlippen sein Becken berührten, es mit ihrem Saft tränkten, beinahe überfluteten.

Er spürte, wie sein Liebessaft explosionsartig nach oben stieg, er war so in seinen Gefühlen gefangen gewesen, dass er nicht einmal bemerkt hatte, wie kurz er vor dem Höhepunkt gewesen war. Beinahe gleichzeitig, kurz bevor er sich in ihr ergoss, stieß sie ein kurzes, aber extrem intensives Stöhnen aus, woraufhin ihre Muskeln sich selbst zu kontrollieren schienen.

Während seinem eigenen Höhepunkt erlebte er jede einzelne Regung von ihrem mit.

Wäre es möglich gewesen, allein dies hätte ihm direkt einen zweiten Orgasmus beschert. Er musste sie beinahe festhalten, damit sie nicht aus dem Bett fiel, aber das verschaffte ihm nur noch mehr Möglichkeiten, alles mitzuerleben, als wäre er es, dessen Bewegungen für einen kurzen Moment nicht mehr zu kontrollieren waren.

Auf einmal schien alles wie unter einem Nebelschleier zu verschwinden, seine Knochen wurden unglaublich schwer und die Anstrengungen des Tages wurden ihm wieder bewusst.

Sie hatte es geschafft, ihn seine Müdigkeit vollkommen vergessen zu lassen, nun kam sie mit voller Macht zu ihm zurück. Er konnte es nicht mehr aufhalten. Daria hingegen hatte ihm das schönste Gefühl dieser Welt verschafft.

„Ich liebe dich“, flüsterte er.

*****

Als er aufwachte, lag er alleine im Zimmer, es schien ihm, als wäre Daria nie dagewesen. Beinahe panisch sah er sich um, hatte er die letzte Nacht nur geträumt? Dann würde er nicht hier in einem richtigen Bett liegen, oder? In Windeseile zog er sich an, wollte zu Tür hinaus, vor der jedoch ein einfacher Zettel auf dem Boden lag, darunter das aufgeklappte Buch, welches er immer dabei hatte, der „Almanach des Lebens“:

„Tut mir leid, dass ich nicht bei dir bleiben konnte, aber als ich mir etwas Wasser holen gegangen bin, erzählte mir Vahya, eine Frau aus dem Dorf, dass die meisten Dorfbewohner nicht einen Schritt machen könnten, so starke Schmerzen in den Beinen und Armen würde sie plagen.

Komm einfach zum Haus des Schmieds, dort habe ich eine Art Lazarett aufgebaut. Ich konnte sie nicht alle leiden lassen.

PS: Das Buch ist aus deinem Rucksack gefallen. Ich verstehe die Sprache nicht, aber es hat einen interessant wirkenden Einband. Bei Gelegenheit wünsche ich mir, dass du es mir vorliest. „

Sie würden also noch ein paar Tage im Dorf bleiben, um die Kranken zu versorgen.

Im Moment konnte er nicht sagen, dass es ihn sonderlich störte, so würden sie noch für ein paar Tage im Gasthaus übernachten können. So sehr er die Wildnis lieben gelernt hatte, ein ordentliches Bett war einfach unersetzbar, vor allem, wenn man gerade die Liebe seines Lebens kennengelernt hatte.

Er hob den Zettel auf und wollte den „Almanach des Lebens“ ebenfalls aufheben und zuschlagen, als ihm auffiel, welche Seite Daria, offensichtlich zufällig, aufgeschlagen hatte: Oben links war ein Symbol gezeichnet, wie Alles in diesem Buch außerordentlich kunstvoll, aber ohne unnötige Schnörkel und Verzierungen.

Es war ein dickes Kreuz, dessen Linien zu den Seiten hin spitz zuliefen. Umrundet war es von einem perfekten Kreis.

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